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       # taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Euphorisch bis polyrhythmisch
       
       > Die Sterne präsentieren ein frohlockendes Album, Das Behälter füllen
       > Hohlräume mit Musik. Und Guido Möbius kommt mit weiteren Gästen ins
       > Arkaoda.
       
   IMG Bild: Erstaunlich gut gelaunt: Die Sterne kommen mit neuem Album „Hallo Euphoria“
       
       Zur Gegenwart kann einem ja so allerhand einfallen, aber sie mit „Hallo
       Euphoria“ zu begrüßen? Heitere oder zuversichtliche Stimmungslagen sucht
       man mit guten Gründen dieser Tage ja eher vergeblich. In der Psychologie
       beschriebt der Begriff der Euphorie allerdings „eine dem objektiven Zustand
       nicht entsprechende gesteigerte Gemütsstimmung“ – damit kommt man der Sache
       schon näher.
       
       Und Frank Spilker, das einzige Gründungsmitglied der Combo Die Sterne, die
       maßgeblich mitprägte, was man Hamburger Schule nennen sollte, [1][beschrieb
       Euphorie unlängst im Interview recht treffend als das Ergebnis von
       Gehirnchemie], die „nicht immer etwas mit realen Ereignissen zu tun hat.
       (…) es kann auch eine Überlebensfunktion sein, dass Menschen in den
       schlimmsten Situationen Euphorie befällt.“
       
       Wie auch immer: Auf musikalischer Ebene macht das neue Album ob seiner
       Flockigkeit tatsächlich ziemlich gute Laune. Textlich arbeiten sich die
       Sterne aufs Neue an dem Widersprüchen ab, in denen wir stecken – und zeigen
       sich in bemerkenswerter Form.
       
       Ein erstaunlich frischer Aufschlag für ein Projekt, das vor zwei Jahren 30.
       Geburtstag feierte. Live bestimmt sowieso wie immer erlebenswert – am
       Mittwoch im Festsaal Kreuzberg (8. 3., 20 Uhr, Tickets VVK 25,75 Euro,
       [2][Tickets gibt es hier]).
       
       Wer sich mit einem wirklich wilden Ritt aus der spätwinterlichen Lethargie
       reißen lassen will, der:m sei der Auftritt der eklektizistischen Combo Das
       Behälter ans Herz gelegt; die Band hat sich im Umfeld der Essener Folkwang
       Universität zusammengetan.
       
       Nach Selbstbeschreibung ist der Projektname insofern Programm, dass die
       Band in ihrem Inneren einen Hohlraum aufweist. Und der fülle sich durch die
       Musik mit der „Weisheit von Jahrtausenden, der Liebe der Heiligen und dem
       anarchistischen, exzessiven Groove der Shizo-Disko.“
       
       Ein bisschen weniger esoterisch formuliert, könnte man es auch
       dadaistischen Disco-Jazz mit Industrial-Geknarze nennen, bei dem
       Hip-Hop-Beats auf ein Free-Jazz-Saxofon und die Lyrics der
       transfeministischen Performerin Xenia Ende treffen. Gerade erschien ihr
       neues Album „Star Of The Future“, am Freitag live im ausland (10. 3.,21
       Uhr, [3][Tickets VVK 13,20, AK 15 Euro]).
       
       Am Samstag führt der französische Jazzpianist Benoît Delbecq Kompositionen
       erstmals auf, zu denen er sich unter anderem von der speziellen Akustik des
       Pierre-Boulez-Saal inspirieren ließ – und von zwei Begrifflichkeiten, die
       der namensgebende avantgardistische Komponist und Musiktheoretiker Pierre
       Boulez geprägt hatte, um musikalische Bewegung zu beschrieben: „gekerbte“
       und „glatte Zeit“.
       
       Im ersten Set spielt er in besagtem Saal mit dem Pianisten Taylor Ho Bynum
       und der Kornettistin Sarah Murcia, im zweiten mit dem Bassisten Petter
       Eldh, dem Schlagzeug Samuel Ber und dem immer wieder bemerkenswerten
       Saxophonisten Otis Sandsjö. ([4][Pierre-Boulez-Saal], 11. 3, 19 Uhr,
       Tickets VVK15- 45 Euro, auch im Livestream verfügbar).
       
       Auch schon wieder fast ein Jahr ist es her, dass Guido Möbius mit wilden
       Improvisationen, noisigem Funk und polyrhythmischem Geklöppel bei seinem
       Record Release für großen Spaß und offene Münder sorgte. Zeit für eine
       Neuauflage, die vermutlich ganz anders sein wird, schließlich ist der
       Berliner Musiker im besten Sinne hyperaktiv.
       
       Eine Faible für repetitive Klänge hat sein Mitstreiter am Mittwoch im
       Arkaoda: Frank Garcia, ein in Schweden lebender Franzose, der in diversen
       Bands mitspielt und bei seinem Soloprojekt Sheik Anorak Krautiges, Noise
       Minimal und Indiepop zusammenbringt ([5][Arkaoda], Karl-Marx-Platz, 15. 3.,
       21 Uhr, AK 10 Euro).
       
       7 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Frank-Spilker-ueber-Die-Sterne/!5664861
   DIR [2] https://www.festsaal.shop/produkte/375-tickets-die-sterne-festsaal-kreuzberg-berlin-am-08-03-2023
   DIR [3] https://www.koka36.de/event_site.php?event=154619
   DIR [4] http://www.boulezsaal.de/de/event/benoit-delbecq-104137
   DIR [5] http://berlin.arkaoda.com/?%2Fdefault%2Fdetail%2Fid=728
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stephanie Grimm
       
       ## TAGS
       
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