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       # taz.de -- Neuer Bericht des Weltklimarats IPCC: 1,5-Grad-Grenze wohl bald erreicht
       
       > Die Klimakrise macht das Leben auf der Erde gefährlicher. Der
       > Weltklimarat zeigt, was dagegen zu tun ist: CO2-Emissionen bis 2030
       > halbieren.
       
   IMG Bild: Auch in Deutschland wird weiterhin die klimaschädliche Braunkohle verfeuert
       
       Berlin taz | Die Erde wird heißer, trockener und allgemein gefährlicher. Zu
       verhindern ist das nicht mehr, denn die Erde hat sich schon um 1,1 Grad
       aufgeheizt und der Trend geht nach oben. Wie extrem die Verschlechterung
       der Lebensbedingungen auf der Erde durch die Klimakrise ausfällt, ist aber
       durchaus noch zu beeinflussen. Das zeigt ein neuer Bericht des
       Weltklimarats IPCC, der am Montagnachmittag in Interlaken in der Schweiz
       vorgestellt wurde.
       
       Es war ein Paukenschlag, als der Weltklimarat im Jahr 2018 feststellte: Es
       wäre gefährlicher als zuvor gedacht, die Erde um mehr als 1,5 Grad
       aufzuheizen – aber um das zu verhindern, müssten sich die CO2-Emissionen
       bis 2030 fast halbieren. Das waren schließlich nur zwölf Jahre für einen
       unvorstellbar großen Umbau der Weltwirtschaft.
       
       Fünf dieser wenigen Jahre sind nun schon um, aber die Zahlen haben sich
       kaum verändert. Im Vergleich zum Jahr 2019 müssten die globalen
       CO2-Emissionen bis 2030 um 48 Prozent sinken, 2050 praktisch bei null
       liegen, heißt es in dem neuen Bericht. Seit 2019 sind die globalen
       Emissionen eher noch weiter angestiegen, statt zu sinken. [1][Das Problem
       wird also größer statt kleiner].
       
       „Wir müssen anfangen, uns ernsthaft mit der Welt jenseits von 1,5 Grad
       Erderhitzung zu beschäftigen“, sagte der Klimawissenschaftler Oliver Geden
       am Montagmorgen, einer der Autor:innen des Berichts. Selbst unter
       optimistischen Emissionsszenarien wird die Marke „kurzfristig“
       wahrscheinlich erreicht, in Szenarien mit höheren Emissionen noch
       überschritten.
       
       ## Nachträgliche Temperatursenkung ist schwierig
       
       Mit jedem Zehntelgrad steigt das Risiko für mehr extremes Wetter, das zum
       Beispiel zu Zerstörung, Hitzetoten, Krankheiten und Verletzungen,
       Ernteausfällen und Hunger führen kann. Hinzu kommen schleichende,
       langfristige Folgen wie der Anstieg des Meeresspiegels, der zahlreiche
       Küstenstädte und ganze Inselstaaten dem Untergang weihen könnte.
       
       Es ist theoretisch möglich, die Temperaturen nachträglich wieder zu senken.
       Dafür müsste die Menschheit klimaneutral werden und der Atmosphäre
       anschließend sogar Treibhausgase entziehen. Die Rede ist dann von
       „negativen Emissionen“. Das geht durch Aufforstung oder auch verschiedene
       Technologien, die aber noch an ihrem Anfang stehen.
       
       Für ihren Einsatz in allzu großem Maßstab bestehen laut Weltklimarat
       „Machbarkeits- und Nachhaltigkeitsbedenken sowie soziale und ökologische
       Risiken“. Hinzu kommt: Einmal verloren gegangene Ökosysteme wie
       Korallenriffe kann man nicht wiederbeleben.
       
       Der Weltklimarat gilt als Goldstandard der Klimawissenschaft. Führende
       Forscher:innen aus verschiedenen Fachgebieten kommen dort zusammen, um
       den aktuellen Wissensstand der Menschheit zur Klimakrise zusammenzutragen.
       In ihre Berichte fließen Tausende von Studien ein. Manchmal bringt der
       Weltklimarat Sonderberichte zu einzelnen Themen heraus. Alle paar Jahre
       geht es aber um einen Rundumschlag zur Klimakrise im Allgemeinen – so wie
       jetzt, zum mittlerweile sechsten Mal.
       
       Diese sogenannten Sachstandsberichte erscheinen in vier Teilen. Im ersten
       geht es um physikalische Grundlagen des Klimawandels, im zweiten um die
       praktischen Folgen für Natur und Gesellschaft, im dritten um
       Handlungsoptionen für den Klimaschutz. Zum Schluss erscheint ein
       Synthesebericht, der die Erkenntnisse aus allen Teilen zusammenführt.
       Dieses Werk ist es, das am Montag erschienen ist.
       
       ## Folgen der Klimakrise lange unterschätzt
       
       Eine der unbequemen Wahrheiten darin: [2][Die Folgen der Klimakrise wurden
       lange unterschätzt.] In den vergangenen Jahren ist die Forschung immer
       genauer geworden. „Für jedes Level an Erwärmung sind viele der
       klimawandelverbundenen Risiken größer, als es im fünften Sachstandsbericht
       festgestellt wurde“, steht in dem aktuellen Dokument.
       
       Technisch wäre die nötige Emissionsminderung machbar und sogar
       wirtschaftlich sinnvoll, ergibt sich aus dem Bericht. Schlüsseltechnologien
       für eine klimaneutrale Welt sind im vergangenen Jahrzehnt deutlich billiger
       geworden, Solarstrom und Batterien zum Beispiel um 85 Prozent, Windstrom um
       55 Prozent. Dem Report nach fließt aber immer noch mehr Geld in die fossile
       Infrastruktur, die die Klimakrise weiter antreibt, als in Klimaschutz und
       -anpassung.
       
       „Wir haben es leider in den letzten Jahren dringlicher werden lassen, wir
       haben nicht schnell genug gehandelt“, sagte der Klimawissenschaftler
       Matthias Garschagen, der ebenfalls zu den Autor:innen des Berichts
       gehört. „Wir sehen den Klimawandel viel, viel stärker als vor einigen
       Jahren. Gleichzeitig haben wir es noch in der Hand, das Allerschlimmste
       abzuwenden. Aber dieses Fenster schließt sich rapide.“
       
       20 Mar 2023
       
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