# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Montenegro: Prowestlich statt Brudervolk
> Sollte Herausforderer Milatović im zweiten Wahlgang siegen, könnte das
> Land schneller in die EU integriert werden. Das wäre auch ein Schlag
> gegen Putin.
IMG Bild: Das politische Fossil Milo Djukanovic kommt in die Stichwahl und ist pro-westlich ausgerichtet
Die Würfel in Montenegro sind schon gefallen, auch wenn der [1][Sieger der
Präsidentschaftswahl] noch gar nicht feststeht. Denn beide Kandidaten,
sowohl das seit 1991 in verschiedenen Funktionen regierende politische
Fossil Präsident Milo Ðukanović als auch sein Gegenkandidat, der mit 37
Jahren junge bisherige Finanzminister Jakov Milatović, sind prowestlich
ausgerichtet. Schon jetzt ist klar: Montenegro wird in der Nato bleiben und
kann nach all den Jahren des Kandidatenstatus wieder ernsthaft daran
arbeiten, endlich in die EU aufgenommen zu werden.
Dafür sind die Perspektiven jetzt günstiger als zuvor. Denn bei aller
Kritik an der Politik der EU, Brüssel arbeitet angesichts des russischen
Krieges in der Ukraine auf Initiative Deutschlands und Frankreichs jetzt
doch ernsthafter daran, die Westbalkanstaaten näher an die Union zu führen
und damit auch Montenegro den Weg zur Integration zu öffnen.
Sollte Herausforderer Milatović – der junge, im Westen ausgebildete Ökonom
und Banker – im zweiten Wahlgang siegen, könnten diese Wünsche wohl noch
schneller erfüllt werden als mit dem alten Präsidenten. Denn Ðukanović
klebt bei allen Verdiensten in Bezug auf die Unabhängigkeit Montenegros
doch das Etikett an, für die Korruption im Lande verantwortlich zu sein.
Der unbelastete Milatović dagegen ist deshalb auch der Favorit der
Zivilgesellschaft, der linken und grünen Kräfte, der Minderheiten und auch
der prowestlichen Serben.
Dass der proserbische und prorussische Kandidat Andrija Mandić mit 19
Prozent so untergegangen ist, ist ein Schlag vor allem gegen den
[2][serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić] und damit auch gegen Wladimir
Putin. Denn Montenegro sollte der erste Baustein für die Formung einer
„serbische Welt“ sein, die analog zur „russischen Welt“ die serbischen
Bevölkerungen in anderen Ländern nach dem Vaterland ausrichten soll. Dass
die Montenegriner in diesem Konzept als „Brudervolk“ bezeichnet werden,
erweckt nicht nur in der Ukraine, sondern auch überall in Europa Unbehagen
und sogar böse Assoziationen.
20 Mar 2023
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## AUTOREN
DIR Erich Rathfelder
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