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       # taz.de -- Proteste in Afrika gegen Preisanstiege: Wut von Nairobi bis Pretoria
       
       > In mehreren Ländern riefen Oppositionelle am Montag zum Protest gegen
       > steigende Preise. In Kenias Hauptstadt Nairobi gibt es Unruhen.
       
   IMG Bild: Aufruhr am Montag im Slumviertel Kibera in der kenianischen Hauptstadt Nairobi
       
       Berlin taz | Einen panafrikanischen Protesttag in Südafrika, Nigeria, Kenia
       und weiteren Ländern hatten manche angekündigt, etwa [1][die
       zivilgesellschaftliche Aktivistin Stella Nyanzi aus Uganda].
       Demonstrationen hat es am Montag tatsächlich in mehreren Ländern gegeben.
       Am heftigsten eskalierte die Lage in Kenia, wo sich Unmut über die
       Verteuerung von Lebensmitteln mit der Verärgerung der Opposition über den
       Wahlsieg von Präsident William Ruto im vergangenen Jahr vermischte.
       
       Straßenschlachten entwickelten sich im Laufe des Tages in Teilen der
       Hauptstadt Nairobi, wo Demonstranten einem Aufruf der Opposition unter dem
       [2][langjährigen Oppositionsführer Raila Odinga] zum Marsch auf das „State
       House“, den Sitz des Präsidenten, folgen wollten. Hochgerüstete Polizei
       stellte sich mit gepanzerten Fahrzeugen in den Weg und riegelten Straßen
       ab. Geschäfte blieben geschlossen. Steine flogen, Tränengas wurde
       geschossen, zwei oppositionelle Parlamentsabgeordnete –
       Senats-Oppositionsführer Stewart Madzayo und Parlamentarier Opiyo Wandayi –
       wurden festgenommen, ebenso zahlreiche Demonstranten. Im Slumviertel Kibera
       zündeten Protestler Benzinfässer an und die Polizei setzte Wasserwerfer
       ein. Auch in Odingas Heimatstadt Kisumu gab es schwere Unruhen.
       
       „Ich will, dass Kenianer in großer Zahl hinauskommen und ihre
       Unzufriedenheit über das, was in unserem Land geschieht, ausdrücken“, hatte
       Odinga am Sonntag erklärt, bevor Kenias Innenministerium die Proteste
       verbot. Der 78-jährige Odinga hatte die Präsidentschaftswahl 2022 gegen den
       bisherigen Vizepräsidenten William Ruto verloren, eine Klage dagegen wies
       das Oberste Gericht einstimmig ab, aber Odingas Oppositionsbündnis Azimio
       La Umoja erkennt Ruto bis heute nicht an.
       
       [3][Ruto, der sich als Aufsteiger aus der Unterschicht inszenierte und
       damit die Wahl gewann], hat sich als Präsident schwergetan, die Erwartungen
       seiner Anhänger zu erfüllen. „Die lügen uns jeden Tag an“, wurde am Montag
       ein 21-jähriger Demonstrant zitiert. „Wo ist das billige Maismehl, das sie
       versprachen? Wo sind die Arbeitsplätze für die Jugend, die sie versprachen?
       Alles was sie tun, ist, ihre Freunde zu versorgen.“
       
       ## Schwere Dürre und weltweite Inflation
       
       In Kenia, wie in allen Ländern Ostafrikas, hat im vergangenen Jahr die
       Kombination der schwersten Dürre seit vierzig Jahren und weltweiter
       Inflation zu einem rasanten Anstieg der Lebensmittelpreise geführt, der
       erst im Laufe des Jahres 2023 allmählich abklingen soll. Die Inflationsrate
       in Kenia liegt offiziell bei 9,2 Prozent, aber dahinter verbirgt sich eine
       Verdoppelung des Preises für das Grundnahrungsmittel Mais in den zwölf
       Monaten bis September 2022 und weitere enorme Preissteigerungen für Dinge
       wie Weizenmehl, Speiseöl. Kenias Medien führen dies auf die Verknappung der
       Exporte aus der Ukraine und Russland zurück.
       
       Laut Weltbank war die inflationsbereinigte Preissteigerungsrate für
       Lebensmittel 2022 weltweit in Simbabwe am höchsten, mit 121 Prozent,
       gefolgt von Libanon. Ruanda mit 28 Prozent stand auf Platz 3, Uganda auf
       Platz 5 und Burundi auf Platz 10. Nominal lag die Lebensmittelinflation in
       Ruanda Ende 2022 bei knapp 60 Prozent. Diese Länder bauen ihre eigenen
       Lebensmittel an, aber in Gebieten Ostafrikas, die keine Selbstversorger
       sind, vor allem in Äthiopien, Somalia und Südsudan, breiten sich
       Hungersnöte aus.
       
       In Südafrika rief die linkspopulistische Oppositionspartei EFF (Economic
       Freedom Fighters) für Montag zu einem Shutdown auf und sammelte
       Demonstranten in der Hauptstadt Tshwane (Pretoria) zu einem Marsch auf die
       Residenz [4][von Präsident Cyril Ramaphosa], die von Soldaten geschützt
       wurde. Hauptgrund ist Südafrikas Energiekrise, wo die Stromversorgung immer
       öfter ausfällt. Es sei „der erfolgreichste Shutdown in der Geschichte des
       Kampfes in Südafrika“, rief EFF-Führer Julius Malema vor Tausenden
       Anhängern. Es gab vereinzelte Festnahmen.
       
       In Nigeria riefen Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten
       Peter Obi, der im Februar mit der kleinen Labour Party (LP) als Anwalt der
       Jugend angetreten war, zu einem landesweiten Protesttag gegen angebliche
       Wahlfälschung auf. Unter dem Motto „No Work, No School“ gab es Berichten
       zufolge aber nur vereinzelte Proteste.
       
       20 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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