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       # taz.de -- Londoner Polizei und Diskriminierung: Bis in den Kern verrottet
       
       > Ein Bericht attestiert der Londoner Polizei eine Kultur der
       > Diskriminierung und Gewalt. In Deutschland gibt es bisher nicht mal
       > Studien.
       
   IMG Bild: Mahnwache für die ermordete Sarah Everard
       
       Der am Dienstag veröffentlichte 363-seitige Untersuchungsbericht über die
       Arbeitskultur der Londoner Metropolitan Police (Met) könnte in seinen
       Schlüssen schlimmer nicht sein: Die Met sei [1][institutionell rassistisch,
       frauenfeindlich und homophob], aber auch diskriminierend gegen Menschen mit
       Behinderungen, schreibt Baronin Louise Casey, die über die Untersuchung
       waltete. Doreen Lawrence, die Mutter eines schwarzen Teenagers, der 1993
       von Rassisten erstochen wurde, woraufhin die Polizei mit rassistischer
       Einstellung ermittelte, gab zu Protokoll, dass das Ergebnis sie nicht
       überrasche. Die Metropolitan Police sei bis in ihren Kern verrottet.
       
       Es war die inzwischen zurückgetretene Polizeikommissarin der Met, Cressida
       Dick, welche die Untersuchung nach dem öffentlichen Entsetzen über die
       Entführung, Vergewaltigung und [2][dem Mord an Sarah Everard] eingeleitet
       hatte. Der Katalog der Vorfälle, welche die Untersuchung prüfte, umfasst
       das Nichtsicherstellen eines Mörders aufgrund homophober Vorurteile,
       institutionelle Korruption, das Verteilen von Fotos von Mordopfern und das
       Teilen von diskriminierenden, frauenfeindlichen, rassistischen und
       homophoben Meldungen in den sozialen Medien, Kinder- und mädchenfeindliche
       Handhabung durch Polizist:innen und den Fall des Polizisten David
       Carrick, der über 17 Jahre hinweg mindestens zwölf weibliche Opfer
       vergewaltigt hatte.
       
       ## Durchgehend diskriminierend
       
       Andere Stellen berichten über die überproportionale Brutalität beim Umgang
       mit [3][schwarzen Bürger:innen]: Sie werden viel häufiger festgehalten,
       durchsucht und getasert als andere. Auch in Handschellen werden sie öfter
       gelegt. Gleichzeitig schützt die Met schwarze Londoner:innen weniger
       als den Durchschnitt.
       
       Wer innerhalb der Met nicht weiß, männlich und britisch war, konnte mit 81
       Prozent höherer Wahrscheinlichkeit Opfer von Disziplinarverfahren werden.
       Mobbing und Diskriminierung seien weit verbreitet gewesen, einem
       muslimischen Polizeibeamten wurde Schweinefleisch in seine Stiefel gelegt,
       einem Sikh-Beamten der Bart abgeschnitten. Schwarze Beamte wurden als
       „Affen am Tor“ bezeichnet. Weibliche Angestellte erfuhren häufig Sexismus
       und Missbrauch.
       
       Der Bericht verurteilt auch Sparmaßnahmen und Kürzungen der britischen
       Regierung. Ausgerechnet in den bestausstaffierten Einheiten hätten sich die
       schlimmsten Missetäter aufgehalten. Andernorts gebe es Wachen mit
       übervollen und nicht funktionierenden Kühlsystemen, in denen eigentlich
       Beweismaterial aufbewahrt werden sollte, was unter anderem Opfern von
       sexualisierter Gewalt schade.
       
       Casey forderte in ihren 16 Empfehlungen unter anderem die Schaffung einer
       neuen Einheit gegen geschlechtsspezifische Gewalt und eine neue Strategie
       für Einsätze, bei denen Kinder betroffen sind. Zum Beispiel würden Schwarze
       Kinder oft wie Erwachsene behandelt. Außerdem müsse sichergestellt werden,
       dass bei Prüfverfahren von Beamt:innen und durch generelle Achtsamkeit
       Personen, die ihre Polizeigewalt missbrauchen, ausgefiltert werden. Ein
       unabhängiges Team solle in Zukunft über Beschwerden walten.
       
       ## Schleppende Umsetzung
       
       Casey forderte, dass die Met vollkommen aufgelöst und neu strukturiert
       werden sollte, wenn sie sich nicht reformieren kann. Fortschritte sollen in
       regelmäßigen Schritten überprüft werden. Sie nannte eine Kultur der
       Leugnung, die gerne von „nur ein paar faulen Äpfeln“ spricht, als die
       allergrößte Barriere für jeglichen Fortschritt. Auch hätte man sich oft
       hinter Slogans versteckt.
       
       Polizeikommissar Sir Mark Rowley, der im September letzten Jahres Dicks
       Nachfolge antrat, mag trotz des Berichts bereits ein Beispiel dessen
       abgeliefert haben, als er angab, er würde die Probleme nicht als
       institutionell bezeichnen. Dennoch sagte er, er habe keine Illusionen über
       die Signifikanz des Berichts. Er und sein Team würden alles Mögliche
       unternehmen, die Empfehlungen umzusetzen. Rowley versprach „radikale
       Reformen.“
       
       Für deutsche Verhältnisse ist der Untersuchungsbericht in London ein
       bemerkenswerter Schritt, denn Gleiches wurde zwar in Deutschland [4][schon
       lange verlangt, steht aber immer noch aus.] Leser:innen dürfen sich
       offen fragen, wie schlimm es in Deutschland ist. Wie wird hier gehandelt?
       
       22 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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