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       # taz.de -- Waldsterben in Deutschland: Mehr Wasser, weniger Rotwild
       
       > Der Wald muss sich selbst heilen, sagen Experten. Viel menschlicher Umbau
       > sei dafür nicht nötig. Die Jagd spiele jedoch eine wichtige Rolle.
       
   IMG Bild: Hungrige Rothirsche: Sie essen im Winter besonders gerne junge Nadelbäume
       
       Berlin taz | Was tun, wenn der Wald stirbt? Bäume pflanzen? Rehe schießen?
       Abwarten? Der Verband [1][„Die Waldeigentümer“] fordert, „die verbliebenen
       Wälder so schnell wie möglich an das veränderte Klima“ anzupassen. Das will
       er durch eine „systematische Waldpflege durch eine nachhaltige Holznutzung“
       erreichen. „Nur so werden die Wälder angemessen licht gehalten, damit sich
       stabile Einzelbäume mit großen Kronen und eine möglichst baumartenreiche
       Naturverjüngung entwickeln können“, schreiben die Waldbesitzer als Reaktion
       auf den [2][Waldzustandsbericht 2022].
       
       Für die Sicherung der Holzversorgung sei es zudem wichtig, dass neben
       heimischen Laubbaumarten auch zuwachsstarke Nadelbäume nachgepflanzt
       werden, heißt es weiter, schließlich sei Holz ein zentraler nachhaltiger
       Rohstoff. Das heißt: Die Waldbesitzer wollen so weitermachen wie bisher.
       
       Mathias Graf von Schwerin bewirtschaftet im Nordosten einen Mischwald. „Wir
       hatten zwar Regen in diesem Winter, doch unsere alten Eichen leiden sehr
       und sterben sukkzezive ab“, sagt von Schwerin. Die Fichte hat er längst
       abgeschrieben, „die wird aus Brandenburg verschwinden, wie aus dem Harz
       oder dem Sauerland“. In Brandenburg ist der Wald trotz des feuchten Winters
       trocken: Im Südosten gab es den ersten Waldbrand des Jahres schon
       vergangene Woche.
       
       Von Schwerin beobachtet, dass die Trockenheit der letzten Jahre den
       Waldboden verändert hat: „Die Kapillarwirkung im Boden wurde unterbrochen,
       bestimmte Schichten sind wohl ausgetrocknet und lassen das Wasser gar nicht
       mehr weiter nach unten durchsickern.“ Diese Schäden in der Bodenstruktur
       verhindern, dass der Boden sich durchfeuchtet, junge Bäumchen haben es
       schwerer, zu wachsen. „Viele Neupflanzungen überleben den ersten Sommer
       nicht“, sagt von Schwerin. Das Wasser im Wald halten sei Voraussetzung für
       seinen Umbau.
       
       Bessere Bedingungen schaffen 
       
       Das sieht auch Sven Selbert so, Waldexperte des Naturschutzbundes Nabu.
       Entwässerungsgräben müssten geschlossen, Moore im Wald wieder vernässt
       werden. „Wir müssen die Bedingungen schaffen, damit der Wald sich selbst
       helfen kann“, sagt Selbert. Seine Selbstheilungskräfte seien die beste
       Möglichkeit, einen klimaresilienten und biodiversitätsreichen Wald zu
       schaffen.
       
       Ein Wald, in dem Bäume verschiedener Arten und verschiedenen Alters stehen,
       würde Risiken wie Schadinsekten, Stürmen oder Dürren besser standhalten,
       sagt Selbert. In einem solchen Wald „ändert sich das Waldinnenklima, die
       Verdunstungsrate, die Verschattung“, sagt von Schwerin, „die Bedingungen im
       Wald verbessern sich so von Jahr zu Jahr und er stabilisiert sich – wenn
       wir dazu noch genügend Zeit haben.“
       
       Viel menschlicher „Umbau“ sei dazu nicht nötig, sagt Selbert. „Es wäre
       schon viel gewonnen, wenn wir dezidiert schädliche Waldbehandlung stoppen
       würden“, fordert er. So finanziere die Bundesregierung jährlich mit
       Millionensummen Maßnahmen wie Kahlschläge und Räumung von Schadholzflächen.
       Tatsächlich sehen die Förderrichtlinien noch immer Zuschüsse für den Bau
       von Wegen oder die Räumung von Forstflächen vor, die Stürmen oder
       Borkenkäfern zum Opfer gefallen sind.
       
       Dabei wäre etwas anderes wichtiger, sagt Mathias von Schwerin. „Wir
       bekommen den Waldumbau nicht hin, weil wir zu wenig jagen“, sagt er. Der zu
       hohe Wildbestand in Deutschland sei ein entscheidender Faktor dafür, dass
       der Waldumbau nicht funktioniere. Schossen die Jäger in deutschen Revieren
       laut Statista im Jahr 2001/2002 noch 57.500 Rothirsche, waren es 2020/21
       knapp 76.500.
       
       Reform des Jagdrechts 
       
       Rotwild frisst, vor allem im Winter, bevorzugt junge Bäume. Naturschützer
       fordern daher seit Jahren, das [3][Jagdrecht] zu erneuern und den
       Waldbesitzern mehr Einfluss auf die Jagd zu verleihen. Allerdings waren in
       den vergangenen Jahren alle Bemühungen erfolglos: Das Bundesjagdgesetz
       scheiterte in der vergangenen Legislaturperiode an der Union, in NRW
       schaffte sie das reformierte Jagdgesetz ab. Und in Brandenburg scheitert
       der grüne Umweltminister in der Sache offenbar an der SPD.
       
       „Im Moment scheint das Jagdgesetz nicht refomierbar“, sagt Selbert, „es
       steht nicht im Koalitionsvertrag, und bislang setzt die Ampel ja nicht mal
       das um, was sie sich dort vorgenommen hat.“ Allerdings könnte man das Thema
       im neuen Bundeswaldgesetz ansprechen und dort eine Pflicht zum Monitoring
       des Wildes verankern.
       
       21 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.waldeigentuemer.de/
   DIR [2] https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/waldzustandserhebung.html
   DIR [3] /Kritik-an-Reform-des-Jagdrechtes/!5745563
       
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