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       # taz.de -- Bremen will Rainbow City werden: Echtes Anliegen oder Queerwashing?
       
       > Als Rainbow City will sich Bremen für queere Rechte einsetzen.
       > Aktivist*innen befürchten, das Ansinnen könne nach der Wahl
       > verpuffen.
       
   IMG Bild: Geübt in Solidaritätsbekundungen: Regenbogenfahne am Bremer Rathaus beim Christopher Street Day 2022
       
       Bremen taz | Die Stadt Bremen will ins Rainbow-Cities-Netzwerk (RCN)
       aufgenommen werden, das hat der Senat am 7. März beschlossen. Die
       Mitgliedsstädte des Netzwerks setzen sich für die Gleichstellung und
       Anerkennung geschlechtlicher und sexueller Vielfalt ein. Während der
       Beschluss grundsätzlich auf Anerkennung trifft, befürchten einige
       Aktivist*innen sogenanntes Queerwashing, also eine Marketingkampagne
       ohne Substanz.
       
       In erster Linie dient das RCN dem Austausch von Erfahrungen und Ideen für
       politische Projekte im Bereich LGBTIQ+, also für lesbische, schwule,
       bisexuelle, trans, inter und allgemein alle queeren Communities. Alle
       Mitgliedsstädte positionieren sich für die Rechte von LGBTIQ+-Personen und
       gegen [1][Diskriminierung]. 45 Städte aus 22 Staaten sind nach heutigem
       Stand Mitglieder im RCN, darunter 10 deutsche Kommunen.
       
       Was die Mitgliedschaft im Netzwerk für Hamburg verändert hat, erklärt
       Dorothee Bramlage, Referentin in der Hamburger Gleichstellungsbehörde.
       Einerseits setze der Senat damit ein ganz klares Zeichen nach außen, die
       Mitgliedschaft schlage sich aber auch konkret in politischen Projekten
       nieder: „Wenn ich Projekte umsetzen will“, erklärt Bramlage, „gibt mir das
       eine bessere Argumentationsgrundlage.“ So könne der Verweis auf andere
       Städte im RCN helfen, einen manchmal zögerlichen Senat zu überzeugen.
       
       Außerdem sei der Austausch über Wissen, Ideen und Best Practices hilfreich.
       „Es gibt so viel Erfahrung seitens der Mitgliedsstädte und die können wir
       für Hamburg nutzen“, sagt Bramlage und verweist auf ein neues Projekt zur
       LGBTIQ+-sensiblen Senior*innenarbeit nach dem Vorbild Berlins und die
       in Hamburg erarbeiteten Hinweise für geschlechtersensible Sprache in der
       Verwaltung nach dem Vorbild Hannovers. Denen seien mittlerweile auch andere
       Städte gefolgt.
       
       ## Gewalt gegen trans Personen
       
       Auch vom Bremer Landesaktionsplan gegen Homo-, Trans- und Interphobie
       können andere Städte profitieren, findet Bernd Schneider, Sprecher der
       Bremer Senatorin für Soziales. Beispielsweise werden inter und trans
       Personen in Schulen und Universitäten unter ihrem selbstgewählten Namen und
       Geschlecht geführt, noch vor deren standesamtlicher Anerkennung.
       
       Für die Umsetzung solcher einfachen administrativen Maßnahmen, so
       Schneider, sei oft „nicht mehr notwendig als ein bisschen guter Wille“. Und
       auch für kostspieligere Gleichstellungsmaßnahmen wie die finanzielle
       Unterstützung künstlicher Befruchtung bei lesbischen Paaren habe man in
       Bremen [2][eine Lösung gefunden].
       
       Ist Bremen also das Gold am Ende des Regenbogens? Sonja Höstermann vom
       Verein Christopher Street Day (CSD) ist da zurückhaltender. Für die
       spezifischen Bedürfnisse intersektional marginalisierter LGBTIQ+-Personen,
       beispielsweise von queeren Geflüchteten oder Menschen mit Behinderung, gebe
       es kaum Unterstützung.
       
       Außerdem kam es im letzten Jahr mehrfach zu Beleidigungen bis hin zu
       physischer [3][Gewalt gegen trans Personen im öffentlichen Raum]. Queer
       gelesene Personen seien angepöbelt oder mit Vergewaltigung und Tod bedroht
       worden und können sich in Bremen nicht sicher fühlen, so Höstermann. „In
       unserer Utopie einer Regenbogenstadt findet so etwas natürlich nicht
       statt.“
       
       Trotz aller Kritik begrüße der CSD die Initiative: „Das ist ein Schritt in
       die richtige Richtung.“ Der Zusammenschluss gleichgesinnter Kommunen sei
       lobenswert, so Höstermann. Dennoch befürchte der CSD, die Initiative könnte
       nach dem Wahlkampf als Queerwashing verpuffen. Wer aber den Titel
       Regenbogenstadt für sich in Anspruch nehme, findet die CSD-Sprecherin, gebe
       damit ein Versprechen. „Das muss auch erfüllt werden.“
       
       ## Bremerhaven nicht dabei
       
       Bisher hat sich nur Bremen um die Aufnahme ins Netzwerk Rainbow Cities
       bemüht. Bremerhaven ist laut einem Beschluss der Bürgerschaft von Dezember
       2021 ebenso aufgefordert, sich dem Netzwerk anzuschließen. Auch der Senat
       habe die Bereitschaft für Bremerhaven mitbeschlossen, erklärt der Sprecher
       der Senatorin für Soziales, Bernd Schneider. „Insofern können sie sich dem
       Ansinnen nicht ganz verschließen.“
       
       Der Bremerhavener Magistrat betont hingegen, die Stadt Bremen sei „einem
       gemeinsamen Beitritt zuvorgekommen“. Einen einheitlichen Aufnahmeprozess zu
       starten, sei, so die Sprecherin des Magistrats Laura Bohlmann, „trotz
       mehrfacher Nachfragen beim zuständigen Ressort in Bremen leider nicht
       gelungen“.
       
       Sonja Höstermann vom CSD wünscht sich schon jetzt mehr Unterstützung
       vonseiten Bremerhavens für die queere Community: Besonders in der Seestadt
       laufe die Umsetzung des jahrealten Landesaktionsplans schleppend. So etwas
       wie das queere Zentrum [4][„Rat und Tat“] in der Stadt Bremen gebe es dort
       ebenfalls nicht: Die LGBTIQ+-Community habe keine Treffpunkte, keinen Ort
       zur Selbstorganisierung, keine Schutzräume. „Hier ist bisher noch ‚queere
       Wüste‘“.
       
       24 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Reaktion-auf-transfeindliche-Gewalt/!5889436
   DIR [2] /Hilfe-bei-Kinderwunsch-fuer-queere-Paare/!5814327
   DIR [3] /Demo-gegen-Queerfeindlichkeit/!5876481
   DIR [4] https://www.ratundtat-bremen.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Selma Hornbacher-Schönleber
       
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       empört.