# taz.de -- Schelte und Lob für Letzte Generation: Rüge vom WWF, Einigung mit Marburg
> Aktivisten der Letzten Generation gewinnen mehr Städte für ihr Anliegen.
> Die Farbaktion beim Grundgesetz-Kunstwerk sorgt aber für Unverständnis.
IMG Bild: Klimaaktivist:innen überkleben die Installation zum Grundgesetz vor dem Reichstagsgebäude
Berlin/Marburg dpa | Farbattacken auf Kunstwerke oder sich selbst auf
Straßen festkleben? Die Aktionen der [1][Klimaaktivist:innen der
„Letzten Generation“] spalten – auch in der eigenen Community. Aber sie
zeitigen auch kleine Erfolge – etwa Vereinbarungen mit inzwischen schon
drei Kommunen, die Klimakrise stärker in den Fokus zu nehmen.
Christoph Heinrich, geschäftsführender Vorstand der Umweltorganisation WWF,
etwa findet die Aktionen der Letzten Generation nicht grundsätzlich
schlecht: Sich auf Straßen festzukleben, sei „nervig, aber so ist Protest
nun mal“. Außerdem richteten sich solche Formen gegen den Autoverkehr, der
ja auch klimarelevant sei. Aktionen wie die jüngste Farbattacke der Gruppe
auf das Grundgesetz-Kunstwerk im Berliner Regierungsviertel hält er jedoch
für kontraproduktiv. „Das ist falsche Symbolik. Hier wird dem Klimaprotest
ein Bärendienst erwiesen“, sagte Heinrich den Zeitungen der Mediengruppe
Bayern.
„Ich habe die Sorge, dass Klimaschutz durch solche Aktionen im Bewusstsein
der Bevölkerung nur noch als Anliegen von Extremisten wahrgenommen werden
könnte“, so der WWF-Mann. Grundgesetz-Denkmäler zu beschmutzen, wirke, wie
das Grundgesetz in Zweifel zu ziehen.
Am Samstag hatten Aktivisten der Gruppe Letzte Generation eine schwarze
Flüssigkeit an die gläsernen Wände der Kunstinstallation „Grundgesetz 49“
des israelischen Künstlers Dani Karavan geworfen. Darüber klebten sie
Plakate etwa mit der Aufschrift „Erdöl oder Grundrechte?“.
## Marburger Einigung
Ganz grundsätzliche Unterstützung bekommen die Aktivist:innen nun auch
in Marburg. [2][Nach seinen Kollegen in Hannover] und Tübingen hat sich der
Marburger Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) mit der Letzten Generation
geeinigt. Er habe einen Brief an die Bundesregierung sowie die
demokratischen Fraktionen im Bundestag geschrieben, in dem er „inhaltliche
Forderungen der Letzten Generation unterstützt“, hieß es in einer
Mitteilung am Montagabend. Dafür wollen die Aktivist:innen künftig auf
Klebeaktionen verzichten. Ein Sprecher der Letzten Generation bestätigte
die Einigung.
Die [3][Gruppe bietet einen Stopp ihrer Proteste im ganzen Land oder in
einzelnen Kommunen an], wenn die jeweilige Regierung auf ihre Forderungen
eingeht. Dies war teils auf scharfe Kritik gestoßen. „Erpressung ist keine
Ausdrucksform legitimen Protests“, hatte der innenpolitische Sprecher der
FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, der Welt gesagt. Deshalb halte er
es „für naiv und gefährlich, wenn einzelne Kommunen dieser Erpressung jetzt
nachgeben. Denn die nächste Eskalation folgt bestimmt.“
## „Beschlusslage der Stadt“
Spies hingegen erklärte am Montag: „Ich freue mich, dass es gelungen ist,
im konstruktiven Gespräch Lösungen zu finden. Unser Handeln und unsere
Haltung in Marburg hat offensichtlich überzeugt.“ Die Stadt habe sich nicht
erpressen lassen, sondern sei auf die Abmachung eingegangen, weil sich die
Ziele der Aktivist:innen mit denen der Stadt deckten. Der Brief an
Scholz bringe „zum Ausdruck, was in der Universitätsstadt Marburg
Beschlusslage ist“, so Spies.
Zugleich erklärte er: „Natürlich ist das rechtswidrig, was die da machen.
Da gibt's überhaupt kein Vertun. Ich finde, meine erste Pflicht ist, dafür
zu sorgen, dass in meiner Stadt Recht und Gesetz umgesetzt werden kann.
Genau das habe ich damit geschafft. Dass ich einen Brief geschrieben habe,
der die Beschlüsse der Stadt transportiert.“
Auch die Stadt Hannover hatte sich mit der Letzten Generation verständigt.
Beide Städte unterstützen die Forderung nach der Einberufung eines
[4][„Gesellschaftsrates“ aus repräsentativ und zufällig ausgewählten
Bürgerinnen und Bürgern]. Sie sollten „die Frage beraten, wie wir in
Deutschland Nullemissionen bis 2030 erreichen“.
7 Mar 2023
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