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       # taz.de -- Kriegsverbrechen und Armenien: Putins Angst vor Den Haag
       
       > Armenien debattiert erneut darüber, das Rom-Statut des Internationalen
       > Strafgerichtshofs zu ratifizieren. Russland reagiert mit Drohgebärden.
       
   IMG Bild: Russische Militärkolonne auf dem Weg nach Bergkarabach
       
       Berlin taz | Die Warnung Russlands an Armenien war eindeutig: Vor dem
       Hintergrund der „rechtswidrigen und rechtsunwirksamen Haftbefehle“ des
       Internationalen Strafgerichtshofs (IStGh) gegen die russische Führung halte
       Moskau die Pläne Jerewans für absolut inakzeptabel, dem Römischen Statut
       des IStGh offiziell beizutreten. Sollte es dazu kommen, könne das extrem
       negative Konsequenzen haben, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur RIA
       eine Quelle im russischen Außenministerium.
       
       Hintergrund der Drohgebärden ist neben dem Haftbefehl gegen Russlands
       Präsidenten Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der
       Ukraine eine Entscheidung des armenischen Verfassungsgerichts. Das hatte
       vergangene Woche das Römische Statut mit dem armenischen Grundgesetz für
       vereinbar erklärt.
       
       Jerewan hatte das Statut 1998 als einer von 120 Staaten unterschrieben,
       jedoch nicht ratifiziert. 2004 urteilte das Verfassungsgericht in dieser
       Angelegenheit zum ersten Mal. Der Vertrag verstoße gegen Vorschriften der
       Verfassung, die die nationale Souveränität über juristische Angelegenheiten
       stellten, hatte es dort geheißen.
       
       Seitdem passierte nichts mehr. Im vergangenen Dezember nahmen die
       Diskussionen über den IStGh jedoch wieder an Fahrt auf. Auslöser dafür war
       [1][der Dauerkonflikt zwischen Armenien und seinem Nachbarn Aserbaidschan
       um die von Armenier*innen bewohnte Region Bergkarabach]. Dort war 2020
       nach einem 40-tägigen Krieg unter Vermittlung von Moskau ein
       Waffenstillstand ausgehandelt worden, den sogenannte russische
       Friedenstruppen sichern sollen.
       
       ## Im Stich gelassen
       
       Doch die Feindseligkeiten halten an, immer wieder kommt es zu Eskalationen.
       Mittlerweile waren auch Gebiete im Süden Armeniens mehrmals von
       aserbaidschanischen Angriffen betroffen. [2][Die armenische Regierung von
       Ministerpräsident Nikol Paschinjan] fühlt sich im Stich gelassen und wirft
       Russland, das dort seine einzige Militärbasis im Südkaukasus unterhält,
       Untätigkeit vor.
       
       Die Ratifizierung des Römischen Status böte Jerewan die Möglichkeit, gegen
       Aserbaidschan vor den IStGh zu ziehen. Jedoch müssten armenische Behörden
       Wladimir Putin, sollte er nach Armenien reisen, festsetzen. Aus diesem
       Grund glaubt Ara Zakarian, armenischer Experte für Internationales Recht,
       dass der Ratifizierungsprozess erst einmal gestoppt werde. Laut armenischer
       Gesetzeslage muss die Regierung innerhalb von drei Monaten das Parlament
       mit dieser Frage befassen.
       
       Demgegenüber hält der armenische Menschenrechtler Artur Sakunts die
       Ratifizierung des Römischen Statuts für extrem wichtig. Nur so könne sich
       Armenien in internationale rechtliche und institutionelle Strukturen
       integrieren. Das erlaube der Führung, auch dem kolossalen Druck Russlands
       zu widerstehen.
       
       Von den Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben außer den EU-Mitliedern
       Estland, Lettland und Litauen auch noch Georgien, Moldau und Tadschikistan
       das Statut ratifiziert.
       
       30 Mar 2023
       
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   DIR Barbara Oertel
       
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