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       # taz.de -- Brennelementfabrik in Lingen: Russland kauft sich ein
       
       > Französischer Eigner gründet ein Joint-Venture mit dem russischen
       > Staatskonzern Rosatom. Die Lingener Fabrik soll Reaktoren russischer
       > Bauart beliefern.
       
   IMG Bild: Umweltgruppen schon länger ein Dorn im Auge: Lingener Uranfabrik
       
       Göttingen taz | Also doch: Nach längerem Verwirrspiel steht nunmehr fest,
       dass der französische Atomkonzern Framatome, der die Brennelementefabrik
       „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF) im niedersächsischen Lingen betreibt, mit
       dem russischen Staatsunternehmen Rosatom ein Joint Venture eingeht. So kann
       die zuletzt nicht ausgelastete Fabrik künftig [1][auch Brennstäbe für
       Atomreaktoren russischer Bauart liefern.]
       
       Das niedersächsische Umweltministerium bestätigte am Mittwoch im Kern einen
       entsprechenden Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung. Das Joint Venture
       zwischen Framatome und der russischen Rosatom-Tochter TVEL sei allerdings
       nicht wie zunächst geplant in Deutschland, sondern in Frankreich gegründet
       worden, sagte ein Ministeriumssprecher. Der ursprüngliche Antrag sei nach
       dem Überfall Russlands auf die Ukraine zurückgezogen worden, nachdem
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erhebliche Zweifel
       bezüglich einer Genehmigung geäußert habe.
       
       Derzeit liege dem Umweltministerium in Hannover als atomrechtlicher
       Genehmigungsbehörde ein Antrag vor, wonach ANF in Lingen in Lizenzfertigung
       sechseckige Brennelemente für den Einsatz in osteuropäischen AKW herstellen
       wolle, hieß es weiter. Für die Produktion sei eine enge Kooperation mit dem
       Unternehmen Rosatom geplant, das bislang das Monopol auf hexagonale
       Brennelemente hat. Nach taz-Informationen beteiligt sich TVEL mit 25
       Prozent an dem Joint Venture.
       
       Atomkraftgegner reagierten entsetzt auf die Nachricht. Dieser Deal könne
       dem Kreml den Zugang zur kritischen Atom-Infrastruktur öffnen, kritisieren
       der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), regionale
       Initiativen sowie die atomkritische Ärztevereinigung IPPNW. Bislang hat ANF
       vor allem [2][Atomkraftwerke in westlichen Ländern beliefert,] darunter
       waren allerdings auch berüchtigte Pannenmeiler in Belgien und Frankreich.
       Die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage im
       westfälischen Gronau sind vom deutschen Atomausstieg ausgenommen und
       verfügen immer noch über unbefristete Betriebsgenehmigungen.
       
       ## Rosatom untersteht Putin
       
       Seit 13 Monaten führe Russland einen blutigen und völkerrechtswidrigen
       Angriffskrieg gegen die Ukraine, sagt BBU-Sprecher Udo Buchholz. Der
       „Kreml-Konzern“ Rosatom sei daran durch die Besetzung des ukrainischen
       Atomkraftwerkes Saporischschja unmittelbar beteiligt. Doch der französische
       Atomkonzern Framatome tue so, als sei Rosatom weiterhin ein
       Geschäftspartner wie jeder andere.
       
       In Russland leitet die 1992 vom heutigen Präsidenten Vladimir Putin als
       Nachfolger des sowjetischen Ministeriums für Nukleartechnik und
       Nuklearindustrie mitgegründete Rosatom die zivile und militärische
       Atomindustrie des Landes und hat damit die Aufsicht über rund 150
       Produktionsstätten. Nach Schätzungen von Experten des EU-Parlaments
       kontrolliert die Agentur 96 Prozent des nuklearen Materials in Russland.
       Rosatom untersteht direkt der russischen Regierung.
       
       „Warum springen bei diesem unverantwortlichen Atomdeal in Hannover und
       Berlin nicht sofort alle Signale auf Rot?“, fragt Buchholz. In Lingen
       werden nach Ansicht der Initiativen aktuell die Energie-Fehler der
       Vergangenheit einfach wiederholt, von einer Abhängigkeit zur nächsten. „Wir
       brauchen dringend ein politisches Veto aus Hannover und Berlin“, so
       Buchholz. Am wirkungsvollsten sei natürlich die Stilllegung der Lingener
       Brennelementefabrik im Rahmen eines umfassenden Atomausstiegs.
       
       Gleichzeitig befürchten die Anti-Atomkraft-Initiativen schon für die
       nächsten Tage einen weiteren Urantransport aus Russland zur
       Brennelementefabrik Lingen. Das einschlägig bekannte russische Uranschiff
       „Mikhail Dudin“ befand sich am Mittwoch laut der Marine-Website
       Vesselfinder in der Anfahrt auf den Hafen von Rotterdam.
       
       ## Anti-AKW-Initiativen rufen zu Protest auf
       
       Dort wurde im vergangenen Jahr mehrfach russisches, für Lingen bestimmtes
       Uran umgeschlagen. Gegen diese Fuhren hatten in Lingen und entlang der
       Transportstrecken immer wieder Umweltschützer:innen protestiert.
       
       Für den 15. April haben die Anti-AKW-Initiativen erneut zu einer Kundgebung
       vor der Brennelementefabrik aufgerufen, um so den Einstieg von Rosatom
       vielleicht doch noch zu verhindern. Am selben Tag läuft auch die
       [3][Betriebsgenehmigung für das Atomkraftwerk] Emsland bei Lingen endgültig
       aus.
       
       29 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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