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       # taz.de -- Tiktok-Proteste in der JVA Tegel: „Vertrauliche Gespräche“
       
       > Gefangene der Berliner JVA Tegel hatten auf Tiktok miese Haftbedingungen
       > angeprangert. Nun soll das Beschwerde-Management evaluiert werden.
       
   IMG Bild: Videos aus der JVA Tegel sollen zu Gesprächen zwischen Gefangenen und Senatsverwaltung geführt haben
       
       Berlin taz | Nach mehreren [1][Tiktok-Videos] von Gefangenen, die sich über
       die Zustände in der JVA Tegel beschwert hatten, hat es nun Gespräche mit
       den Betroffenen und Vertreter:innen der Senatsverwaltung gegeben. Das
       sagte Martin Kröger, Sprecher von Justizsenatorin Lena Kreck (Linke), der
       taz.
       
       Beteiligt daran seien auch „unabhängige Expert*innen“. Worüber genau
       gesprochen worden sei, wollte der Sprecher allerdings nicht sagen, der
       Inhalt sei vertraulich. Ergebnisse gebe es noch nicht. „Wir sind weiter im
       Austausch.“
       
       Im Februar hatten Gefangene aus der Teilanstalt 6 drei [2][kurze Filme] auf
       der Videoplattform Tiktok veröffentlicht und unter anderem rassistische
       Diskriminierung im Gefängnis beklagt. Ausländische Gefangene dürften
       beispielsweise nicht arbeiten, außerdem gebe es „Kollektivstrafen“ für alle
       Gefangenen, und die Essensportionen seien kleiner geworden, seit die
       Teilanstalt 6 eine neue Leitung habe.
       
       Einem Teil der Vorwürfe hatte die Senatsverwaltung [3][bereits kurz nach
       Veröffentlichung der Videos widersprochen]. Man weise aber nicht „pauschal“
       alle Anschuldigungen zurück, sagte Kröger. Die Gespräche sind nun ein Teil
       der Konsequenz aus den Videos.
       
       ## Möglichkeiten zur Beschwerde für Gefangene
       
       Auf Nachfrage sagte Kröger nun, es habe „eine erste kritische Runde zur
       Evaluation der Beschwerdemöglichkeiten“ gegeben. Diese seien vielfältig:
       Die Gefangenen könnten sich mit ihren Wünschen, Anregungen und Beschwerden
       direkt an die Anstalt wenden. Darüber hinaus sei es den Gefangenen möglich,
       sich schriftlich oder mit einen Gesprächswunsch an die Aufsichtsbehörde zu
       wenden.
       
       Ihnen sei außerdem der Gang vors Gericht möglich. Alle
       Justizvollzugsanstalten verfügten auch über einen Anstaltsbeirat, dem
       externe Ehrenamtliche angehören, meist Rechtsanwält*innen. Auch haben die
       JVAen sowie die einzelnen Teilanstalten Insassenvertretungen.
       
       Die Vorwürfe seien mit der Interessenvertretung der Teilanstalt 6
       besprochen worden. Weitere Gespräche seien geplant. „Nun soll unter anderem
       noch einmal geprüft werden, ob den Gefangenen die zahlreichen
       Beschwerdemöglichkeiten hinreichend bekannt sind“, sagte Kröger. Geklärt
       werden solle auch, ob sprachliche Barrieren bestehen oder
       niederschwelligere Beratungsangebote notwendig seien.
       
       ## Noch keine neuen Videos
       
       Im ersten Video waren etwa zehn Gefangene zu sehen, allerdings zeigte nur
       einer sein Gesicht. Im zweiten Video sagte er, er heiße David. Die
       ausländischen Mitgefangenen hätten ihm den Spitznamen Leopard gegeben.
       
       Auf Nachfrage der taz – über Privatnachrichten auf Tiktok – erklärte er,
       das beziehe sich auf die deutschen gleichnamigen Panzer – aus Dank, weil er
       den ausländischen Mitgefangenen helfe.
       
       Nach dem dritten Video endete die Serie. David aka Abu_Knast postete
       stattdessen ein Bild mit dem Text „Unser Handy wurde erwischt. Wir werden
       diese Woche noch ein neues besorgen. Dann kommen die nächsten Videos.“ Das
       war am 23. Februar. Offenbar ist es doch nicht so einfach, ein neues Handy
       zu „besorgen“. Auf Nachrichten im Chat antwortete David aber und erklärte,
       ein geliehenes Smartphone zu nutzen.
       
       David widersprach im Tiktok-Chat gebenüber der taz den Angaben der
       Senatsverwaltung, es habe Gespräche mit den Gefangenen gegeben. Sie seien
       lediglich befragt worden, wer die Videos veröffentlicht habe. „Und fast
       alle Beteiligten wurden verlegt.“ Aus der Justizverwaltung hieß es
       stattdessen, es habe eine einzige Verlegung gegeben. Sprecher Kröger
       verwies darüber hinaus auf die andauernden Gespräche.
       
       In den acht Berliner Gefängnissen sitzen derzeit rund 4.000 Menschen ein.
       Die JVA Tegel ist mit 900 Gefangenen die größte Haftanstalt für Männer. Die
       Zustände in den Berliner JVAen sind immer wieder Thema. [4][Besonders
       katastrophal sind sie in der Teilanstalt II in Tegel.] Diese soll, ebenso
       wie die Teilanstalt III, von Grund auf saniert werden. Auf der Brache der
       abgerissenen Teilanstalt I soll ein modernes Vollzugsgebäude errichtet
       werden.
       
       15 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Johanna Treblin
       
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