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       # taz.de -- Neuausrichtung nach Insolvenz: Mehr Erlebnis bei Galeria 2.0
       
       > Insolvenz, Entlassungen, Schuldenschnitt: Der Warenhauskonzern stellt
       > sein Konzept für einen Neustart von Galeria Karstadt Kaufhof vor.
       
   IMG Bild: Schaufensterpuppen warten auf die Zukunft des Warenhauses
       
       Berlin taz | Der Versuch, Optimismus zu verbreiten, wirkte nicht sehr
       überzeugend. Gerade war bekannt geworden, dass Galeria-Karstadt-Kaufhof 52
       Filialen schließen und [1][über 5.000 Mitarbeitenden kündigen] wolle. Da
       teilte der Warenhauskonzern am Montagabend per Pressemitteilung mit, er
       werde „sein Filialnetz neu ausrichten“. Am Ende ein fast mantraartiges
       Statement von Konzernchef Miguel Müllenbach: „Das Warenhaus in Deutschland
       hat damit eine Zukunft.“
       
       Für die Mitarbeiter:innen und Gläubiger:innen des Konzerns dürften
       solche Formulierungen eher bedrohlich als hoffnungsvoll wirken.
       Mittlerweile ist es [2][die dritte Insolvenz für den Warenhauskonzern].
       Jedes Mal wurde ein Überleben des Konzerns mit Entlassungen, Lohnverzicht
       und Schuldenschnitten teuer erkauft.
       
       Dass Müllenbach nun wieder die „Zukunft des Warenhauses“ beschwört, dürfte
       vor allem an die Gläubiger:innen gerichtet sein, die am 27. März über
       den Sanierungsplan abstimmen. Es gilt als wahrscheinlich, dass auch der
       deutsche Staat, der dem Konzern kurz nach Abschluss des letzten
       Insolvenzverfahrens vor zwei Jahren 680 Millionen Euro lieh, komplett auf
       seine Forderungen verzichten muss.
       
       Der radikale Kahlschlag ist dabei nur ein Teil des Plans, mit dem der
       Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz den mittlerweile letzten Warenhauskonzern
       Deutschlands wieder in die Gewinnzone führen soll. Neben der Schließung von
       über einem Drittel der Filialen, intensivem Personalabbau und einer
       Verkleinerung der Verkaufsflächen soll vor allem das neue Konzept „Galeria
       2.0“ wieder Kundschaft in die Warenhäuser bringen.
       
       Auf dem Papier klingen die Maßnahmen vielversprechend: dezentralere
       Organisation, regionales Angebot, Fokussierung des Angebotes, Stärkung des
       Erlebnischarakters der Filialen und eine engere Verzahnung zwischen Online
       und stationärem Angebot. Grundsätzlich sei das Konzept sinnvoll, sagt
       Einzelhandelsexperte Andreas Hesser, Professor für Marketing an der
       Hochschule Koblenz. „Es geht darum, relevante Kundenbedürfnisse besser zu
       bedienen als ihre Wettbewerber“.
       
       ## Die Ursache für die Krise des Konzerns liegt auch im harten Sparkurs
       
       Am Beispiel des Sportgeschäfts erklärt Hesser, wie das gelingen könnte:
       Lauf- und Fahrstrecken vor Ort und eine kompetente Beratung seien da der
       richtige Ansatz. Davon sei derzeit aber nicht viel zu sehen, sagt Hesser:
       „Im Vordergrund steht immer noch der transaktionistische Einkauf, dafür
       brauche ich kein Warenhaus in der Innenstadt“.
       
       Auch von den Beschäftigten höre sie immer wieder Zweifel, ob die Sanierung
       dieses Mal [3][die erhoffte Wende] bringt, sagt
       Verdi-Gewerkschaftsfunktionärin Conny Weißbach. Das Konzept sei nicht neu,
       man hätte es nur schon vor 10 Jahren umsetzten sollen. Schon bei den
       letzten beiden Insolvenzen wurde trotz vollmundiger Ankündigungen kaum
       investiert.
       
       Dabei wird Galeria 2.0 ohne Millionen Investitionen und verstärkte
       personelle Ausstattungen der Filialen nicht umsetzbar sein – ein
       Widerspruch zu den angekündigten Massenentlassungen, bei denen auch die
       Belegschaft in den erhaltenen Filialen weiter reduziert werden soll. „Wenn
       ich ein Einkaufserlebnis haben will, brauch ich Personal“, fasst es
       Weißbach zusammen.
       
       Die Ursache für die Krise des Konzerns liegt auch in dem harten Sparkurs
       der vergangenen Sanierungen, denen kaum Investitionen folgten, obwohl
       Galeria die Coronapandemie und den Ukrainekrieg als Gründe vorschiebt.
       Besonders Nicolas Berggruen, der 2009 Karstadt übernahm, ließ das
       Unternehmen ausbluten. 2014 verschenkte Bergruen Karstadt an René Benkos
       Signa, der den Warenhauskonzern 2019 mit dem Konkurrenten Galeria Kaufhof
       fusionierte.
       
       ## Leerstehende Filialen könnten für soziale Angebote genutzt werden
       
       Schon damals befürchteten Kritiker:innen, dass Immobilienunternehmer Benko
       vor allem an den gut gelegenen Kaufhausimmobilien interessiert sei und
       nicht an dem Erhalt des Warenhausgeschäfts. Doch eine Pleite Galerias würde
       auch die Immobiliensparte Signas vor massive Probleme stellen. Bisher sind
       nämlich ausschließlich die Filialen von der Schließung betroffen, bei denen
       Signa kein Immobilieneigentümer ist.
       
       In vielen Bestandsfilialen hingegen ist Galeria Mieter beim eigenen
       Mutterkonzern. Fielen diese alle auf einmal weg, wäre es schwer für Signa
       angesichts der Größe der Filialen Nachmieter zu finden. Der Ausfall würde
       sich nicht nur in den Einnahmen bemerkbar machen, sondern hätte
       empfindliche Auswirkungen auf die Bewertungen der Immobilien, auf deren
       Grundlage Signa Kredite aufnimmt. Signa hat also auch ein langfristiges
       Interesse daran, dass das Konzept Galeria 2.0 Erfolg hat.
       
       Für die Beschäftigten und Kund:innen zahlreicher von der Schließung
       bedrohten Filialen in kleineren und mittelgroßen Städten wie Cottbus,
       Rostock oder Bremen ist dies allerdings nur ein schwacher Trost. Doch
       abseits des Warenhauskonzepts gibt es bereits Ideen, die bald leerstehenden
       Immobilien umzunutzen. „Shoppingmalls zu Sorgezentren“, lautet der Titel
       einer Kampagne der Berliner Politikerin und Stadtforscherin Katalin
       Gennburg, die für die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus sitzt.
       
       „Wir könnten in den Immobilien bewusst soziale Angebote bündeln und damit
       in der Nachbarschaft einen Anker schaffen“, erklärt Gennburg die Idee.
       Einkaufsmöglichkeiten und Arbeitsplätze sollen dabei erhalten bleiben, dazu
       käme noch soziale Infrastruktur, beispielsweise Rollstuhl-Sport,
       Tagestreffs und Mieter:innenberatung.
       
       14 Mar 2023
       
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   DIR Jonas Wahmkow
       
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