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       # taz.de -- Angriffe auf Ukraine: Saporischschja zittert
       
       > Beim Angriff auf ein Wohnhaus in der ukrainischen Stadt Saporischschja
       > stirbt ein Mensch, 34 werden verletzt. Die russischen Raketen kamen
       > überraschend.
       
   IMG Bild: Durch russischen Raketeneinschlag zerstörtes Wohngebäude in Saporischschja
       
       Saporischschja taz | Ein doppelter Donnerschlag lässt die Wände in
       Saporischschja erzittern. Menschen werden unruhig, der Angriff kam ganz
       ohne Vorwarnung. [1][Kurze Zeit später wird klar: In Richtung des Stadteils
       Chortitza sind am Mittwoch in ein Gebäude sechs russische Raketen
       eingeschlagen.] Ein Mensch starb bei dem Angriff, mindestens 32 wurden nach
       Angaben der örtlichen Feuerwehr verletzt, darunter seien auch drei Kinder.
       
       Innerhalb weniger Minuten verwandelt sich die trubelhafte Frühjahrstimmung,
       die an manchen Stellen der Stadt wie ein Wunsch nach Aufbruch und
       Veränderung wirkt, in Stille und Ratlosigkeit. Menschen verlassen ihre
       Häuser, wer in den oberen Stockwerken wohnt, meidet den Aufzug und nimmt
       die Treppen.
       
       Saporischschja liegt im Süden der Ukraine [2][und ist wegen des
       nahegelegenen Atomkraftwerks immer wieder in den Schlagzeilen.] In einem
       Innenhof der Stadt werden nach den Angriffen am Mittwoch die alten Frauen,
       die eben noch mit ihren Enkeln gescherzt hatten, unruhig. „Hier vorne war
       das“, sagt eine von ihnen. Sie zeigt mit dem Zeigefinger stadteinwärts.
       „Und was machen wir jetzt“, fragt sie weiter in die Runde. Die anderen
       Frauen sind still. Zurück in die Wohnungen wollen sie nicht, insbesondere
       nicht in die oberen Stockwerke, aber in den nächsten Bunker auch nicht. So
       genau weiß auch keine von ihnen, wo dieser Bunker ist. Und so wiederholt
       nur eine andere: „Ja, was machen wir jetzt?“
       
       Ein junger Mann kommt angefahren, parkt seinen Wagen und steigt aus. Obwohl
       die Frauen ihn nicht kennen, gehen sie alle auf ihn zu. „Und? Wissen Sie
       mehr?“ fragen sie ihn. „Ja in einem Haus dort Richtung Chortiza hat es
       eingeschlagen. Im 5. Stock“, erklärt der Mann und zeigt ein Video eines
       brennenden 9-stöckigen Hauses. Offensichtlich hat sich das Video des
       brennenden Hauses in Windeseile in den Telegram-Kanälen von Saporischschja
       verbreitet.
       
       ## Das Feuer erfasste 250 Quadratmeter
       
       „Es ist ja schon merkwürdig“ wirft ein älterer Herr ein, der auf die Gruppe
       zukommt. „Immer wenn Luftalarm ist, kommen keine Raketen. Und wenn alles
       ganz still ist, dann kommen oft Raketen ohne jegliche Vorwarnung.“
       
       „Die Sache ist die“, erklärt der junge Mann. „Die Russen haben Raketen, die
       unsere Luftabwehr erkennt, und Flugobjekte, die so niedrig fliegen, dass
       sie von der Luftabwehr gar nicht erkannt werden.“ Er selbst komme aus einem
       Dorf in der Nähe, das derzeit von den Russen besetzt sei. „Meine Freunde,
       die drüben geblieben sind, schicken mit immer eine SMS. Wenn wieder eine
       Rakete los ist. Aber ehrlich gesagt, das hilft mir wenig. Das sind
       Vorwarnzeiten von zehn Sekunden.“ Er wollte seinen Freund besuchen, der
       hier im fünften Stock wohnt. Nun ruft er ihn an, bittet ihn in den Hof
       runter zu kommen. Es sei ja so ein schönes Frühlingswetter, versucht er ihn
       zu überzeugen.
       
       Eine Stunde später ist Schichtwechsel an der Bushaltestelle. „Und, was
       weißt du über den heutigen Raketeneinschlag?“, fragt der neue Busfahrer den
       Mann, den er ablösen soll. „Das sind doch Schweine“, antwortet dieser nur,
       und jeder weiß, dass damit die Russen gemeint sind.
       
       250 Quadratmeter hätte das Feuer nach dem Einschlag erfasst, berichtet
       Feuerwehrsprecherin Julia Barischewa der taz. Augenzeugenberichten zufolge
       sei nach dem Angriff Gas aus dem Gebäude geströmt und das Feuer sei auf ein
       Nachbarhaus übergegangen. Bei dem Toten handelte es sich demnach um einen
       zunächst lebend geborgenen Menschen, der im Krankenhaus seinen Verletzungen
       erlag. Die Rettungsarbeiten seien später durch weitere Alarme erschwert
       worden.
       
       23 Mar 2023
       
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