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       # taz.de -- Streit um Gesetz in Frankreich: Rentenreform mit dem Holzhammer
       
       > Weil im Parlament Stimmen fehlten, erklärt Frankreichs Regierung die
       > unbeliebte Rentenreform ohne Schlussabstimmung für beschlossen. Das ist
       > legal.
       
   IMG Bild: Emmanuel Macron am Donnerstag
       
       Paris taz | Ein Machtwort statt einer Abstimmung genügt in Frankreich, um
       eine Gesetzesvorlage durchzusetzen, die von der Bevölkerungsmehrheit klar
       abgelehnt wird. Das ist die etwas verkürzte Erklärung der Prozedur, die am
       Donnerstag von Frankreichs Staatsführung verwendet wurde, um die
       Rentenreform ohne Schlussabstimmung im Parlament für angenommen zu
       erklären. Der [1][Verfassungsartikel 49.3] macht das möglich.
       
       Nach langem Zögern hat Präsident Emmanuel Macron seine Regierung ersucht,
       die Debatte mit dieser Holzhammermethode zu beenden. Bis zuletzt hatten
       Macron, Premierministerin Elisabeth Borne und diverse Minister sowie auch
       Abgeordnete der Regierungsparteien versucht, in den Reihen der
       konservativen Oppositionsfraktion Les Républicains (LR) die [2][fehlenden
       Stimmen] zu finden. Alles Bitten und Drohen scheint jedoch nicht gefruchtet
       zu haben. Um die Schmach einer eventuellen Abstimmungsniederlage zu
       vermeiden, hat die Regierungschefin den Weg der Abkürzung ohne Votum
       gewählt.
       
       Am Vormittag hatte der Senat mit 194 gegen 104 Stimmen für eine
       Schlussversion votiert, auf die sich am Tag zuvor die Gemischte
       Paritätische Kommission der beiden Parlamentskammern geeinigt hatte. Die
       Regierung hatte gehofft, dass diese [3][leicht modifizierte Fassung] dann
       auch den Segen der Nationalversammlung erhalten würde. Der Ausgang einer
       Abstimmung blieb jedoch zu ungewiss.
       
       Auch die LR-Abgeordneten hatten kein Interesse daran, denn dann wäre
       sichtbar geworden, wie gespalten sie waren: Etwa die Hälfte der 59
       konservativen Abgeordneten waren für die Vorlage, ein anderer Teil wollte
       sich enthalten und eine kleinere Gruppe hatte erklärt, gegen die Reform
       stimmen zu wollen. Die Regierung rechnete bis eine halbe Stunde vor dem
       geplanten Sitzungsbeginn der Nationalversammlung um 15 Uhr alles zusammen;
       laut Angaben von Insidern hätten am Schluss noch zwei oder drei Stimmen für
       eine Mehrheit gefehlt.
       
       ## Protest- und Streikaktionen gehen weiter
       
       Der Opposition bleibt jetzt laut Artikel 49.3 einzig der Versuch, mit einem
       Misstrauensvotum die Regierung zu stürzen. Sowohl die Linksunion Nupes wie
       das rechtspopulistische Rassemblement National haben entsprechende Anträge
       angekündigt.
       
       Mit dem Griff zum 49.3 kann die Regierung die geplanten Maßnahmen zwar wie
       geplant in Kraft setzen, doch der breite Widerstand wird damit nicht
       erlöschen. In Paris und rund 30 anderen Städten wollen die Beschäftigten
       der kommunalen [4][Müllentsorgung] ihre Aktionen bis Montag fortsetzen.
       
       In der Hauptstadt hatte am Donnerstag der Polizeipräfekt auf Weisung des
       Innenministeriums und aus „Gründen der öffentlichen Hygiene“ eine
       Zwangsverpflichtung der Streikenden angekündigt. Diese hatten in der Nacht
       Angestellte einer privaten Firma daran gehindert, in mehreren Quartieren
       als Streikbrecher Berge von Abfällen wegzutransportieren.
       
       Auch in mehreren Seehäfen wurden die Kampfaktionen fortgeführt, und am
       Vormittag waren die Zufahrten zur bretonischen Stadt Rennes mit zahlreichen
       Barrikaden gesperrt.
       
       16 Mar 2023
       
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