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       # taz.de -- EU-Rat für strengere Umweltregeln: Weniger Schmutz aus großen Höfen
       
       > Die EU-Länder einigen sich auf schärfere Regeln gegen Schadstoffe aus
       > großen Industrie- und Agrarbetrieben. Doch die Kommission in Brüssel will
       > mehr.
       
   IMG Bild: Die Rinderhaltung war bisher gar nicht von der Richtlinie betroffen
       
       BERLIN taz | Der Rat der EU-Staaten will die Vorschriften gegen Schadstoffe
       aus großen Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben weniger stark
       verschärfen als die Europäische Kommission. Die Umweltminister
       verständigten sich am Donnerstag darauf, dass strenge Emissionsregeln nur
       für Agrarbetriebe mit höheren Tierzahlen gelten sollen als von der Behörde
       vorgeschlagen. Höfe jeglicher Größe, die besonders wenige Tiere pro Hektar
       halten, würden nach der Einigung von den Vorschriften nicht erfasst. Zwar
       wollten die Minister auch den Bergbau reguliert wissen, nahmen aber mehrere
       Ausnahmen etwa bei Versorgungsengpässen in Krisen auf.
       
       „Die Richtlinie über Industrieemissionen ist das wichtigste EU-Instrument
       zur Regelung der Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen und
       Intensivtierhaltungsbetriebe, zum Beispiel durch [1][Stickoxide, Ammoniak,
       Quecksilber, Methan und Kohlendioxid]“, teilte der Rat mit.
       Industrieanlagen und landwirtschaftliche Betriebe benötigen der Richtlinie
       zufolge eine Genehmigung, die nur erteilt werden soll, wenn diese die
       besten verfügbaren Techniken zur Reduzierung der Emissionen nutzen. Das
       können beispielsweise Filter sein.
       
       Umweltverschmutzung schädige nicht nur Flora und Fauna, sondern verursache
       auch schwere Krankheiten, sagte Schwedens Umweltministerin Romina
       Pourmokhtari. Schweden hat derzeit die Ratspräsidentschaft inne. Ziel der
       EU für 2050 sei es, „die Umweltverschmutzung auf ein Niveau zu senken, das
       für die menschliche Gesundheit nicht mehr schädlich ist“. Die im Rat
       erzielte Einigung lege „strengere Regeln fest, um die Verschmutzung an der
       Quelle zu bekämpfen.“
       
       Doch die Kommission wollte hier viel weitergehen und die
       Genehmigungspflicht auf Rinder-, Schweine- und Geflügelbetriebe mit
       [2][mindestens 150 Großvieheinheiten] ausweiten. Der Rat hat sich nun für
       einen Grenzwert von [3][350 Großvieheinheiten] bei Rindern und Schweinen
       sowie 280 bei Geflügel ausgesprochen. Das entspricht nach dem Vorschlag der
       Mitgliedstaaten zum Beispiel 350 Milchkühen, rund 1.200 Mastschweinen und
       40.000 Masthähnchen. Die Rinderhaltung war bisher gar nicht von der
       Richtlinie betroffen.
       
       ## Ausnahmen für Höfe mit weniger Tieren pro Hektar
       
       Für „extensive“ Schweine- und Rinderbetriebe verlangt der Rat eine
       Ausnahme. Bedingung ist, dass sie weniger als 2 Großvieheinheiten pro
       Hektar Land zum Weiden oder für die Futterproduktion halten. Das entspricht
       ungefähr dem Limit im Bio-Landbau. Die Grenzwerte sollen je nach
       Betriebsgröße erst 4 bis 6 Jahre nach Umsetzung einer
       Durchführungsverordnung gelten, die technische Details regelt.
       
       Bundesumweltministerin Steffi Lemke unterstützte den Beschluss im Rat.
       „Klimakrise und Umweltverschmutzung machen konsequentes Handeln in allen
       Sektoren dringend nötig. Für gesunde Luft und Wasser ohne Schadstoffe
       müssen auch Industrie und Tierhaltung ihren Beitrag leisten“, sagte die
       Grünen-Politikerin.
       
       Ihr Parteifreund Agrarminister Cem Özdemir hatte sich dafür eingesetzt, den
       Schwellenwert in der Rinderhaltung auf 300 Großvieheinheiten anzuheben –
       also doppelt so viel wie von der Kommission verlangt. „Damit verhindern wir
       zusätzliche Belastungen insbesondere für kleinere landwirtschaftliche
       Betriebe, die den [4][Umbau der Tierhaltung beeinträchtigen] und negative
       Folgen für den ländlichen Raum haben könnten“, teilte Özdemir im Januar
       mit. Hintergrund ist auch, dass die aus Tierschutzgründen geförderten
       offenen Ställe Emissionen nicht so leicht senken können wie hermetisch
       abgeschlossene Anlagen.
       
       Dem EU-Bauernverband Copa-Cogeca reicht allerdings auch der im Vergleich
       zum Kommissionsvorschlag laxere Ratsbeschluss nicht. Immer noch würden zu
       viele Familienbetriebe wie Industrieanlagen behandelt, kritisierte die
       Organisation. Der Umweltverband Compassion in World Farming dagegen klagte,
       dass der Rat „Agrarfabriken“ von den Emissionsregeln ausnehmen wolle. Dabei
       seien Tierhaltungsbetriebe in der EU für [5][53 Prozent aller
       Methanemissionen] und den größten Teil der Ammoniakemissionen
       verantwortlich.
       
       Bevor die neue Richtlinie in Kraft treten kann, müssen die EU-Staaten sich
       mit dem Parlament einigen. Die Abgeordneten haben bislang kein
       Verhandlungsmandat beschlossen.
       
       17 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.consilium.europa.eu/en/meetings/env/2023/03/16/?utm_source=dsms-auto&utm_medium=email&utm_campaign=Environment+Council
   DIR [2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX%3A52022PC0156R(02)&from=EN
   DIR [3] https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7537-2023-INIT/en/pdf
   DIR [4] https://www.bmel.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/013-agrarrat-tiertransporte.html
   DIR [5] https://www.ciwf.eu/news/2023/03/eu-ministers-set-to-let-factory-farms-skirt-environmental-rules-and-wreck-the-climate
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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