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       # taz.de -- Kabinett beschließt Medikamenten-Gesetz: Engpässe bei Arzneimitteln beenden
       
       > Ein neues Gesetz soll die Verfügbarkeit von Medikamenten verbessern.
       > Verbände kritisieren, die Verbraucher müssten für die Kosten aufkommen.
       
   IMG Bild: Hustensaft
       
       Berlin taz | Die Bundesregierung will die Lage bei der
       Arzneimittelversorgung verbessern. Das Kabinett beschloss Mittwoch dafür
       ein von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erarbeitetes
       Gesetz, mit dem Engpässe bei Arzneimitteln verhindert werden sollen. In den
       vergangenen Jahren nahmen die Lieferschwierigkeiten, unter anderem bei
       Krebsmitteln, Antibiotika und Arzneien für Kinder, [1][immer mehr zu].
       Grund sind vergleichsweise geringe Margen auf dem hiesigen Markt und eine
       starke Abhängigkeit von Produzenten außerhalb Europas.
       
       „Kinder zuerst“ ist Lauterbach zufolge die Parole. Bessere Gewinnmargen für
       die Hersteller, etwa von [2][Hustensäften oder Fiebermedikamenten für
       Kinder], sollen die Regale wieder füllen. Denn die Industrie verdient bei
       einem Verkauf im Ausland mehr als in Deutschland.
       
       Lauterbach beseitigt nun bestehende Preisbremsen auf dem deutschen Markt:
       Die Festbeträge und Rabattverträge werden ausgesetzt, außerdem dürfen die
       Hersteller ihre Preise um bis zu 50 Prozent anheben. „Damit wird es auf
       einen Schlag wirtschaftlich, Arzneimittel in Deutschland anzubieten“, sagt
       der Minister.
       
       Den gravierenden Mangel an Antibiotika will die Bundesregierung durch neue
       Ausschreibungsregeln aufheben. Das erste Los beim Ankauf erhält der
       billigsten Anbieter, etwa aus Indien oder China. Die zweite Tranche wird
       nur an Hersteller vergeben, die wenigstens die Hälfte ihrer Produktion in
       Europa ansiedeln. Das soll die Abhängigkeit von fernöstlichen Lieferungen
       reduzieren.
       
       ## Kritik von Krankenkassen
       
       Schließlich wird auch die Lagerhaltung ausgeweitet, sodass Arzneien für
       wenigstens drei Monate vorrätig sind. Lauterbach rechnet mit einem Aufbau
       von Produktionsstätten für Antibiotika innerhalb weniger Monate. Sollte das
       Modell erfolgreich sein, will er es auf andere Medikamentengruppen
       ausdehnen.
       
       Am Erfolg der Änderung zweifeln die Krankenkassen. „Mehr Geld schafft nicht
       zwangsläufig mehr Liefersicherheit“, kritisiert Stefanie Stoff-Ahnis,
       Vorständin im Spitzenverband der Kassen (GKV). Liefer- und
       Versorgungsprobleme bei Arzneimitteln hätten vielfältige, meist globale
       Ursachen.
       
       Es sei keine Lösung, einseitig die Versicherten zu belasten oder
       Arzneimittel aus anderen Ländern abzuziehen. Der Verband fordert eine
       stärkere Verteilung der Produktion auf verschiedene Länder, um
       Abhängigkeiten von einzelnen Fabriken auszuschließen. Auch müsse die
       Vorratshaltung ausgebaut werden.
       
       „Leider werden die vorgeschlagenen Maßnahmen die Arzneimittelversorgung
       nicht verbessern“, glaubt Hubertus Cranz, Chef des Verbands der
       Arzneimittelhersteller. Die notwendige Diversifizierung der Lieferketten
       und damit eine Verringerung der Abhängigkeiten werde nicht erreicht.
       
       Aktuell fehlt es nach Angaben der Apothekerverbände (ABDA) noch an einer
       ganzen Reihe von Medikamenten. „Derzeit sind Insuline gegen Diabetes,
       Antidepressiva oder bestimmte Antibiotika wie Amoxicillin oder Penicillin
       nur schwer zu beschaffen“, erläutert ABDA-Vize Mathias Arnold. Eine Corona-
       Sonderregel erlaubt es den Apothekern derzeit noch, passende Ersatzarzneien
       auszugeben. Die Verbände fordern, die geltende Regel beizubehalten. Das ist
       im Gesetz auch vorgesehen.
       
       5 Apr 2023
       
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   DIR Wolfgang Mulke
       
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