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       # taz.de -- Energieversorgung der Zukunft: Viel Platz in der Sonne
       
       > Hamburg könnte etwa zwei Drittel seines Strombedarfs mit Solarenergie
       > erzeugen, vor allem auf Dächern von Privathäusern. Das hat eine Studie
       > ergeben.
       
   IMG Bild: 43 Millionen Quadratmeter Dachfläche könnten in Hamburg für Stromerzeugung genutzt werden
       
       Hamburg taz | Trotz ‚Schietwedder‘ könnte Hamburg einen Großteil des
       Energiebedarfs durch [1][Photovoltaikanlagen] decken. Das zeigt eine Studie
       der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und der Technischen
       Universität Hamburg-Harburg (TUHH) im Auftrag des Clusters Erneuerbare
       Energien Hamburg (EEHH). Insbesondere auf Dachflächen von
       Einfamilienhäusern geht aktuell noch viel Energie verloren.
       
       Hamburg will [2][klimaneutral werden]. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß im
       Vergleich zu 1990 um 70 Prozent gesenkt werden. Die verbleibenden
       Emissionen müssen dann im Einklang mit den Zielen der Bundesregierung bis
       2045 auf Netto-Null reduziert werden. Dafür braucht Hamburg dringend eine
       Energiewende, denn noch 2021 wurden drei Viertel des in Hamburg erzeugten
       Stroms aus fossilen Energieträgern gewonnen, – obwohl im selben Jahr das
       Kohlekraftwerk [3][Moorburg] abgeschaltet wurde.
       
       Die Solarpotenzialstudie von HAW und TUHH zeigt, dass Solaranlagen für die
       Energiewende in Hamburg eine zentrale Rolle spielen. Obwohl es als kleines
       und urbanes Bundesland vergleichbar schlechte Bedingungen für
       Photovoltaikanlagen (PV) bietet, könnten allein an den Stellen mit
       optimalem Ertrag sieben Terrawattstunden Strom pro Jahr Strom erzeugt
       werden. Das reicht, um etwa zwei Drittel des Bedarfs an Energie in Hamburg
       zu decken, so die Ende März veröffentlichte Studie. Doch die Realität ist
       bislang eine andere: 2021 produzierte Hamburg nur 23 Prozent des benötigten
       Stroms selbst, davon rund ein Fünftel aus erneuerbaren Energieträgern,
       hauptsächlich Windkraft und Biomasse. Gerade einmal ein Prozent des
       gesamten in Hamburg erzeugten Stroms kam 2021 aus Photovoltaikanlagen.
       
       ## Zehn Prozent der Landesfläche sind überdacht
       
       Dass flächenmäßig kleine Bundesländer wie Hamburg stärker von
       Energieimporten abhängig sind, ist nicht verwunderlich, denn während
       fossile Kraftwerke überwiegend aufgrund ihres [4][Schadstoffausstoßes]
       nicht in unmittelbarer Nähe zu dicht besiedelten Gebieten stehen sollten,
       wird im Zuge der Energiewende die Fläche zur grundlegenden Ressource. In
       Hamburg ist schlichtweg weniger Platz für Solar- und Windparks als im
       benachbarten Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Doch gerade der
       begrenzte Platz in Hamburg könnte noch deutlich besser genutzt werden,
       zeigen die Ergebnisse der Solarstudie für Hamburg.
       
       Wo die Freiflächen für weitläufige Solarparks fehlen, kann Hamburg nämlich
       mit Dächern punkten. Etwa 10 Prozent der Landesfläche ist überdacht, der
       größte Teil der Dächer gehört zu Ein- und Mehrfamilienhäusern. Auch
       Industrie- und Bürogebäude haben für Photovoltaikanlagen geeignete Dächer,
       sodass insgesamt über 43 Millionen Quadratmeter Dachfläche für die
       Stromgewinnung durch Solarenergie in Frage kommen, Neubauten nicht
       eingerechnet.
       
       Solaranlagen beim Neubau gleich mitzuerrichten, ist vergleichsweise
       einfach, eine Untersuchung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) im Auftrag
       des Ökostromanbieters Lichtblick aus 2021 zeigt jedoch, dass Hamburg im
       Vergleich zu anderen deutschen Metropolregionen am wenigsten
       Photovoltaikanlagen auf Neubauten installiert. Mit zehn Prozent
       PV-Dachfläche bei neuen Gebäuden liegt Hamburg weit abgeschlagen hinter
       Berlin (27 Prozent), Dresden (51,7 Prozent) oder Nürnberg (69,2 Prozent).
       Von 9,4 Gigawatt Spitzenleistung, die in der Solarpotenzialstudie des EEHH
       als realistisch eingestuft werden, sind im gesamten Landesgebiet Hamburg
       aktuell etwa 0,07 Gigawatt Peak installiert.
       
       Seit Jahresbeginn 2023 müssen nun die meisten Neubauten in Hamburg mit
       einer Photovoltaikanlage ausgestattet werden. Wie hoch die installierte
       Leistung ausfällt, liegt jedoch im Ermessen der Eigentümer:innen,
       Dachflächen unter 50 Quadratmeter sind grundsätzlich von der Pflicht
       befreit, genauso wie Situationen, in denen sich eine Anlange nicht nach 20
       Jahren amortisiert. Doch um das Solarpotenzial in Hamburg auszuschöpfen,
       reicht die Pflicht für Neubauten allein nicht.
       
       ## Solarmodule auf Parkplätzen und Obstplantagen
       
       „Mit unserer bisherigen Bilanz können wir noch nicht zufrieden sein“,
       findet auch Jens Kerstan, Hamburgs grüner Senator für Umwelt, Klima,
       Energie und Agrarwirtschaft. Daher wolle man die für 2025 geplante Pflicht
       zur Nachrüstung für bestehende Häuser ein Jahr vorziehen. Ab Jahresbeginn
       2024 müssen dann auch auf bestehenden Gebäuden Solarmodule installiert
       werden, – sobald das Dach saniert wird.
       
       Bei klassischen Ziegeldächern ist das etwa alle 80 Jahre notwendig.
       Flachdächer müssen häufiger saniert werden, je nach Material in Zeitspannen
       zwischen 25 und 75 Jahren. Mit 55 Prozent Anteil an der gesamten Dachfläche
       in Hamburg bieten Flachdächer also das größte Potenzial, sobald die
       Nachrüstpflicht greift.
       
       Doch nicht nur Dächer werden in der Energiewende zu einem wichtigen Gut,
       auch Flächen der Landwirtschaft und Parkplätze könnten für
       Photovoltaikstrom effektiv genutzt werden. Die Installation von
       Solarmodulen über Feldern oder vertikal zwischen Pflanzreihen kann je nach
       Gewächs sogar vorteilhaft für die Landwirtschaft sein. Apfelplantagen wie
       im Alten Land würden mit PV-Überdachung besser vor Frost, Hagel und
       Sonnenbrand geschützt, benötigten weniger Pestizide und die Qualität der
       geernteten Äpfel steige bei einer Überdachung, während der Reifeprozess nur
       um eine Woche verlängert würde.
       
       „Im Rahmen der Solaroffensive von Bundesminister Robert Habeck prüfen wir
       zudem weitere Maßnahmen und Initiativen“, so Senator Kerstan. Meint
       „Solaroffensive“, das volle Potenzial auszuschöpfen und bis 2045 alle
       realisierbaren Dächer und Felder mit Solarpaneelen auszustatten, so müssen
       in Absprache mit Hausbesitzer:innen, Gebäudeverwaltungen und der Hamburger
       Industrie Photovoltaikanlagen auf einer Fläche von circa zwei Millionen
       Quadratmeter jährlich installiert werden – inklusive lokaler
       Batteriesysteme für eine kurzfristige Speicherung des Stromes.
       
       Diese Dimensionen machen eindrucksvoll deutlich, wie spät wir dran sind,
       mit der Energiewende, und wie viel Tempo es braucht, wenn wir Klimaschutz
       ernst nehmen.
       
       9 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Niklas Berger
       
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