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       # taz.de -- Leipzig vor dem DFB-Pokal-Viertelfinale: Sand in der Dose
       
       > Nach drei Niederlagen hintereinander geht bei RB Leipzig die Angst um,
       > kein Spitzenteam mehr zu sein. Nun kommt Dortmund zum Pokalspiel.
       
   IMG Bild: Kein Tor nirgends: Leipzigs Timo Werner ist traurig
       
       Zum Ende der Pressekonferenz wurde Marco Rose noch mal emotional. „Zwei
       Siege, drei Siege hintereinander, und ich weiß genau, wie wir hier drin
       sitzen und über was wir reden“, sagte er, nachdem er eine halbe Stunde lang
       geduldig die Fragen danach beantwortet hat, warum es für RB Leipzig zuletzt
       eben keine drei Siege, sondern drei Niederlagen gab.
       
       Was der erfahrene Trainer damit sagen will: So schnelllebig ist das
       Geschäft. Monatelang ging es für RB in dieser Saison nur nach oben. Seit
       Rose im September nach schwachem Saisonstart eine verunsicherte Mannschaft
       übernahm, gelangen 18 Spiele in Serie ohne Niederlage. Alles schien
       möglich. Jetzt ist Sand im Getriebe, die Mannschaft droht in einen
       Abwärtsstrudel zu geraten und die Stimmung zu kippen.
       
       In Leipzig stellt sich derzeit die Frage: Ist die Brausedose gerade halb
       voll oder halb leer? Aufschluss über diese Frage könnte das anstehende
       Pokal-Viertelfinale [1][gegen Borussia Dortmund] geben. „Man fängt dann
       schon vor zwei Spieltagen an darüber zu reden, was man alles nicht
       erreichen kann“, meinte Rose am Dienstag. „Ich rede lieber darüber, was man
       noch erreichen kann.“
       
       Der Möglichkeitenraum des Erreichbaren könnte sich durch eine Niederlage im
       Pokal aber deutlich einschränken. Dann bliebe als einziges Saisonziel noch
       das Erreichen der Champions League, was nach Niederlagen gegen Mainz
       (hochverdient, 0:3) und Bochum (unnötig, 0:1) akut gefährdet ist.
       Tabellenplatz fünf ist für RB mittlerweile schon eine Minikrise. In der
       Champions League bekam der Club nach einem guten Hinspiel bei Manchester
       City die Grenzen aufgezeigt (ernüchternd, 0:7).
       
       ## „Wir waren nicht da“
       
       Zählt man das alles zusammen, hat RB die letzten drei Pflichtspiele alle
       ohne eigenen Torerfolg verloren. Das gab es in der jungen Vereinsgeschichte
       bisher noch nicht. „Wir waren nicht da“, fasste Emil Forsberg die
       Mainz-Pleite treffend zusammen. „Das bedeutet, dass wir jetzt in einer
       Phase sind, in der möglicherweise auch der Kopf dazukommt“, analysierte
       Trainer Rose schon am Samstag.
       
       Drei Tage später dann leichte Entwarnung: „Es ist kein aufgeschreckter
       Haufen, der nicht weiß, was vorne und hinten ist. Wir sind nicht in
       Depressionen verfallen.“ Roses Idee: über Basics, einfache
       Erfolgserlebnisse im Spiel, Willen und Leidenschaft zurück in die
       Erfolgsspur finden. Denn ein wenig schielen wohl vor allem die Fans auf die
       Titelverteidigung nach dem Pokalsieg im vergangenen Mai.
       
       Die siegestrunkene Nacht von Berlin ist für den Club Fluch und Segen
       zugleich. Der erste gewonnene Titel war das Durchbrechen einer Schallmauer;
       der Brauseclub gehört damit endgültig zum Reigen der großen Vereine.
       Gleichzeitig wurden mit den durch viele Millionen Euro in kurzer Zeit
       erkauften Erfolgen auch die Ansprüche ordentlich nach oben geschraubt.
       „Champions League ist ein Muss“, formulierte der neue Sportdirektor Max
       Eberl das Ziel relativ eindeutig.
       
       Das gilt aus zwei Gründen: Das enorm angewachsene Budget, die 300
       Mitarbeiter im Verein sowie das immer teurer werdende kickende Personal
       müssen irgendwie bezahlt werden. Da sind die Uefa-Millionen natürlich
       praktisch. Kurze Erinnerung: Für die Teilnahme an der Gruppenphase gibt es
       15,6 Millionen, pro Sieg in der Gruppenphase 2,8 Millionen, für den Einzug
       ins Achtelfinale 9,6 Millionen Euro. Neben Geld winkt Prestige, was für das
       Überzeugen neuer Hochleistungsfußballer sowie das Halten vorhandener
       Superstars extrem wichtig ist.
       
       ## Faustpfand Champions League
       
       Vor allem im Fall von Dani Olmo könnte die Champions League eine Bedingung
       dafür sein, ob er seinen 2024 auslaufenden Vertrag verlängert. Dass der
       Spanier extrem gut Fußball spielen kann, ist laut Medienberichten auch in
       seiner Heimat nicht unentdeckt geblieben; der FC Barcelona soll
       interessiert sein. Die Abgänge von Konrad Laimer und Christopher Nkunku
       stehen schon fest. Droht die Mannschaft also im Sommer
       auseinanderzubrechen? [2][Kann Eberl ohne das Faustpfand Champions League
       für adäquaten Ersatz sorgen?]
       
       Das alles führt zu einer Wahrheit, die die Brausedose doch wieder halbvoll
       erscheinen lässt: Vielleicht fehlt dem Kader ohnehin in der Breite die
       Qualität für drei Wettbewerbe, was jetzt durch einige Verletzungen zum
       Problem wird. Somit wäre die Mannschaft zuletzt leistungsmäßig schlicht auf
       Normalmaß zusammengeschrumpft. „Wir spielen seit Wochen und Monaten ohne
       zwei Schlüsselspieler“, betonte auch Rose, meinte das aber als „Erklärung“
       und bewusst nicht als „Entschuldigung“. Erst fehlten Nkunku und Olmo, jetzt
       Nkunku und Mentalitätsmonster Xaver Schlager. Auch der einzige große
       Zielspieler im Kader, Yussuf Poulsen, ist verletzt.
       
       Es wird derzeit also viel gesprochen über Ausmaß, Ursache und Wirkung der
       Drei-Niederlagen-Mini-Negativserie. Ein Siege heute Abend gegen Dortmund,
       und der diskursive Wind dürfte sich erneut schnell drehen. Auch bei den
       Fans, die zuletzt unruhiger wurden. Für das Verlassen des Negativstrudels
       haben viele Menschen viele Ideen. Am Ende bleibt Fußball aber ein herrlich
       einfacher Sport, wie Rose es auf den Punkt bringt: „Es geht darum, dass wir
       es machen.“
       
       5 Apr 2023
       
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       ## AUTOREN
       
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