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       # taz.de -- Innere Sicherheit in Berlin: Schwarz-Rot verfolgt dich
       
       > Taser, Bodycams, Staatstrojaner: Der Koalitionsvertrag für die Berliner
       > Landesregierung sieht bei der inneren Sicherheit viele Verschärfungen
       > vor.
       
   IMG Bild: Film läuft mit: Polizeibeamter mit Bodycam
       
       Berlin taz | Berlin müsse eine „Stadt der Vielfalt“ sein, betont der
       designierte Regierende Bürgermeister [1][Kai Wegner] (CDU) gleich zu Beginn
       der Vorstellung des [2][135-seitigen Koalitionsvertrages] am Montag: eine
       „internationale, weltoffene, vielfältige Metropole, in der jeder nach
       seiner Façon glücklich werden kann“.
       
       Nun gibt es viele Wege und Maßnahmen, um diesem schon von Friedrich dem
       Großen formulierten Anspruch näher zu kommen – Wegner fiel nur eine ein:
       Die „Wertschätzung der Polizei“ müsse gesteigert werden. Mit besserer
       Ausstattung und mehr Personal könne sie die „Metropole sicherer“ machen.
       Und sauberer.
       
       Dass hier nicht nur der Politiker Wegner sprach, dem es nach der
       Silvesternacht wichtig war, die Vornamen von Verdächtigen zu erfragen,
       zeigt ein Blick in die Präambel des Koalitionsvertrages. Demnach werde
       Berlin „nur dann auch künftig Stadt der Vielfalt sein, wenn es gemeinsame
       Regeln gibt, die respektiert und durch einen starken Staat durchgesetzt
       werden“.
       
       Die schwarz-rote Vorstellung dieses starken Staates liest sich wie das
       Wunschpapier der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die frohlockte am Montag,
       dass „sich zahlreiche GdP-Forderungen im Papier wiederfinden“.
       
       ## RAV beklagt Abbau von Rechtsstaat und Demokratie
       
       Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) sprach hingegen
       von einem „Abbau von Rechtsstaat und Demokratie“. Die vom RAV beklagten
       „Zumutungen“, die unter dem Motto „Prävention – Intervention – Repression“
       auf die Berliner*innen zukommen, sind weitreichend und im Gegensatz zu
       den sozial-, umwelt- und wohnungspolitischen Vorhaben sehr konkret.
       
       So sollen bei Polizei und Feuerwehr sowie im Landesamt für Einwanderung und
       im Landeseinbürgerungszentrum 1.000 neue Stellen geschaffen werden. Ziel
       dabei ist vor allem eine „spürbar präsentere Polizei auf den Straßen
       Berlins“. Zusätzlich soll die Videoüberwachung an sogenannten
       „[3][kriminalitätsbelasteten Orten]“ ausgebaut werden, zu denen etwa der
       Kotti oder die Rigaer Straße zählen. Dort sollen dann auch
       Messerverbotszonen eingerichtet werden.
       
       Doch damit nicht genug: Auch das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz
       (Asog) wird verschärft. Der Präventivgewahrsam, der erst 2021 von
       Rot-Grün-Rot von vier Tagen auf maximal 48 Stunden verkürzt worden war,
       soll auf fünf Tage ausgeweitet werden. Insbesondere die bisherige und
       vermutlich auch künftige Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte sich
       zuvor dafür ausgesprochen, Klimademonstrant*innen zur Verhinderung
       möglicher zukünftiger rechtswidriger Protestaktionen [4][länger in
       Gewahrsam nehmen zu können].
       
       ## Flächendeckende Ausstattung mit umstrittenen Tasern
       
       Nachträglich abgesichert wird auch [5][Sprangers Vorpreschen in Sachen
       Taser.] Im November hatte sie im Alleingang und gegen die Koalitionspartner
       Grüne und Linke die Anschaffung von bis zu 300 neuen Elektroimpulsgeräten
       beschlossen, statt die Ergebnisse des noch laufenden Modellprojekts mit nur
       34 Tasern abzuwarten. Erst Anfang Februar stimmte der Gesamtpersonalrat der
       Polizei der Beschaffung von 250 neuen Tasern für 1,4 Millionen Euro zu.
       
       Laut Koalitionsvertrag soll die Evaluierung des Testlaufs zwar fortgesetzt
       werden – nur die Ergebnisse interessieren nicht. Stattdessen will man die
       „Einsatzverfügbarkeit“ ausweiten und „hierfür die erforderlichen
       Rechtsgrundlagen schaffen“. Schon bald also dürften flächendeckend alle
       Polizeiabschnitte mit den neuen, hoch umstrittenen Waffen ausgestattet
       werden, die immer wieder Todesfälle zur Folge haben. Befürworter*innen
       sehen in den Geräten ein milderes Mittel zur Schusswaffe,
       Kritiker*innen befürchten eine Anwendung auf Situationen, in denen
       Schusswaffen nie zum Einsatz kämen.
       
       Apropos Schusswaffen: Auch der als „finaler Rettungsschuss“ bezeichnete,
       gezielte Todesschuss soll rechtssicher geregelt werden. Dass
       Polizist*innen zudem „unverzüglich, dauerhaft und flächendeckend“ mit
       Bodycams ausgestattet werden sollen, wirkt da fast wie eine gute Nachricht.
       Weniger allerdings, dass sie auch in Privatwohnungen filmen dürfen und auch
       Ordnungsamt und Feuerwehr mit Bodycams ausgestattet werden.
       
       ## Versammlungsrecht wird eingeschränkt
       
       Auf Kritik bei Bürgerrechtler:innen stößt die Einführung von
       Staatstrojanern und die geplanten Einschränkungen im Versammlungsrecht. Das
       soll bis 2024 evaluiert und der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ wieder
       aufgenommen werden. Dieser in der rechtswissenschaftlichen Literatur viel
       kritisierte Begriff war von [6][Rot-Rot-Grün gestrichen worden]: Er
       ermöglicht es, Versammlungen mit Verweis auf die öffentliche Ordnung zu
       verbieten oder aufzulösen.
       
       Für all das gibt es auch mehr Geld. Analog zum Sondervermögen Klimaschutz
       will die Koalition ein „Sonderinvestitions- und Sanierungsprogramm für die
       Instandsetzung, Modernisierung und den Ausbau von Polizei- und Feuerwachen“
       auflegen. Teuer dürfte auch die geplante Anschaffung eines eigenen
       Polizeihubschraubers sowie neuer Stahlboote werden.
       
       Kritik an den Law-and-Order-Plänen von CDU und SPD kommt nicht nur vom RAV.
       Auch die Fussball-Fanszene befürchtet verstärkten Repressionsdruck. „Der
       heute vorgestellte Koalitionsvertrag ist ein Frontalangriff auf die Fan-
       und Freiheitsrechte in unserer Stadt“, so der Sprecher der Fanhilfe Hertha
       BSC, Fritz Müller. Er kritisiert insbesondere den geplanten Einsatz von
       Quellen-Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchungen. „Wer meint
       im 21. Jahrhundert eine Sicherheitspolitik von gestern gegen jedes gute
       Argument durchdrücken zu müssen, befindet sich auf dem politischen
       Holzweg.“
       
       3 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kai-Wegner-in-rechter-Facebook-Gruppe/!5916396
   DIR [2] http://spd.berlin/media/2023/04/Koalitionsvertrag_Web.pdf
   DIR [3] /Rassismus-bei-der-Berliner-Polizei/!5818905
   DIR [4] /Praeventivgewahrsam-fuer-Klimaaktivisten/!5892173
   DIR [5] /Alleingang-der-Innensenatorin/!5893557
   DIR [6] /Neues-Versammlungsgesetz-in-Berlin/!5686407
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
   DIR Marie Frank
       
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