URI: 
       # taz.de -- Debatte um E-Scooter: Straße frei!
       
       > In Paris sind bald keine E-Scooter mehr erlaubt. Aber verdammt nicht das
       > Gerät, sondern die Verkehrspolitik. Eine Lob des verfemten
       > Elektrogefährts.
       
   IMG Bild: Paris gibt auf. E-Roller sind leider nicht barrikadentauglich
       
       Als ich vergangenen Juni [1][in Paris] aus dem TGV stieg, hatte ich das
       Gefühl gegen eine Feuerwand zu laufen. Mein Atem stockte für einen Moment,
       sofort bildeten sich Schweißperlen auf meiner Stirn. Ich wollte nur noch
       zurück in den klimatisierten Zug, stattdessen ging es [2][mit dem Bus] zum
       Hostel.
       
       Ohne Klimaanlage, aber dafür Seite an Seite mit Dutzenden anderen
       schwitzenden Fahrgästen. Eine Tortour! Wie also die nächsten 48 Stunden
       überleben, wenn man etwas von der Stadt sehen möchte, doch bei 38 Grad im
       Schatten jeder Schritt einer zu viel erscheint?
       
       Die Antwort für einen erfolgreichen Städtetrip war am Ende: [3][ein
       E-Scooter.] Ohne Anstrengung, aber dafür mit ordentlich Fahrtwind fuhr ich
       an der Seine entlang, erklomm Berge zum Parc des Buttes-Chaumont oder
       beobachtete am Ufer des Canal Saint-Martin wie Teenager von Brücken in die
       braune Plörre sprangen. Wenn Sie nun meine Erfahrung kopieren wollen,
       müssen Sie sich beeilen, denn ab dem 1. September wird es in Paris keine
       Leih-Scooter mehr geben.
       
       Das verkündete die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo am Sonntagabend
       nachdem sich bei einer Bürgerbefragung 89 Prozent der Wählenden für ein
       Verbot ausgesprochen hatten. Nun könnte man sagen: Mit Recht – die Stadt
       denen, die drin wohnen und Tourist*innen haben Pech gehabt. Doch so
       einfach ist es nicht.
       
       Denn wenn viele Medien am Montagmorgen vermelden „Paris: Mehrheit stimmt
       gegen E-Scooter“, ist das nur die halbe Wahrheit. Nur ein Bruchteil der
       Wahlberechtigten, nicht einmal 8 Prozent, haben abgestimmt. Und die heavy
       user, also Teenager, waren nicht wahlberechtigt.
       
       ## Futter für billige Politik
       
       Einige wenige haben also entschieden, dass in Paris für alle Autolosen
       künftig ein Verkehrsmittel weniger zur Verfügung steht. Damit reihen sie
       sich ein in Städte in den Niederlanden, Barcelona oder Montreal – in denen
       die spaßigen Gefährten schon verboten sind.
       
       Verkehrsmittel eignen sich gut, um billige Politik zu machen: Ob Auto,
       Fahrrad oder E-Scooter – es gibt immer zwei Fronten, die sich
       gegeneinander aufstacheln lassen. Auch in Deutschland gibt es immer wieder
       die Forderung, die Roller zu verbieten, dabei sollte man einfach mehr Platz
       für sie schaffen.
       
       Denn womit die Kritiker*innen recht haben: So wie es jetzt ist, kann es
       nicht weitergehen. Auch in deutschen Großstädten liegen unzählige kaputte
       E-Roller auf Gehwegen oder verrotten in Flüssen. Statt auf dem Fahrradweg
       rasen viele, am liebsten gleich zu zweit mit Hund, auf dem Gehweg an
       verschreckten Fußgänger*innen vorbei. Immer wieder kommt es zu Unfällen
       mit E-Scootern. 2022 waren es 442 in Deutschland, die Hauptursache waren
       meist alkoholisierte Fahrer*innen.
       
       Doch daraus zu schließen, dass E-Scooter aus den Großstädten verschwinden
       sollen, ist billiger Populismus gegen junge Menschen. Denn auch Räder und
       Autos vermüllen Innenstädte, stehen im Weg und verursachen Unfälle. Doch
       hier fordert kaum eine*r ein Verbot. Die Roller sind das letzte
       Verkehrsmittel, das im Straßenverkehr dazugekommen ist, statt sie
       auszuschließen, braucht es neue Regeln und Umgangsformen im Miteinander.
       
       ## Warum haben Autos immer Vorfahrt?
       
       Helmpflicht, eine 0-Promille-Vorgabe oder feste Abstellorte für E-Roller
       wären einfach und schnell einzuführen. Schwieriger wird es den ohnehin
       schon wenigen Platz in den Großstädten fair zu verteilen.
       
       Der Grund, warum so viele E-Roller auf den Gehwegen unterwegs sind, ist der
       wirklich bescheidene Zustand vieler Radwege. Und auf die Straße
       auszuweichen, ist bei dem Aggressionspotential vieler Autofahrer*innen,
       aktuell keine Alternative. Doch anstatt, dass sich Rad- und
       Rollerfahrer*innen mit Fußgänger*innen um die engen Bürgersteige
       kloppen, sollten Fahrer*innen aller Gefährte auf die Straße ausweichen.
       
       Denn wieso sollte es 2023 noch immer eine Selbstverständlichkeit sein, dass
       Autos stets Vorfahrt haben? Das Ende für alle Streitigkeiten liegt also
       nicht in der Forderung „Roller raus“, sondern in „Straße frei für
       E-Scooter“.
       
       3 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abstimmung-ueber-E-Roller-in-Paris/!5925639
   DIR [2] /Privilegien-fuer-Autos/!5892471
   DIR [3] /E-Roller-in-der-Stadt/!5899251
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
   DIR E-Scooter
   DIR Auto
   DIR Klimaneutralität
   DIR Verkehrssicherheit
   DIR Anne Hidalgo
   DIR E-Scooter
   DIR E-Roller
   DIR Verkehrswende
   DIR Verkehrswende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Pariser Oberbürgermeisterin: Kein Taxifahrer liebt Anne Hidalgo
       
       Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo ist mit ihrer grünen
       Verkehrspolitik weltweit beispielhaft. Nach zwei Amtszeiten will sie sich
       zurückziehen.
       
   DIR Auch tödlich Verunglückte: Mehr Verletzte durch E-Scooter
       
       Elektro-Roller können schnell gefährlich werden. Das zeigt die nun
       veröffentlichte Unfallstatistik 2022.
       
   DIR Abstimmung über E-Roller in Paris: Das war's mit den Trottinettes​
       
       In Paris haben 90 Prozent der Abstimmungsteilnehmenden für ein Verbot von
       Mietrollern gestimmt. Eine Kampagne der Anbieterfirmen verfing nicht.
       
   DIR Privilegien für Autos: Verkehrswende im Stau
       
       Deutschland verfehlt seine Klimaziele beim Verkehr. Und was tut die
       Ampelregierung? Hält an den kostspieligen Autoprivilegien fest.
       
   DIR Aktionen für die Verkehrswende: Gegen die Vormacht des Autos
       
       In mehr als 30 Städten fordern Bürger:innen einen Straßenausbau-Stopp.
       Sie wollen mehr ÖPNV und bessere Rad- und Fußwege.