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       # taz.de -- Skisprungtrainer zum Saisonfinale: „Kritik spornt mich an“
       
       > Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher zieht nach einer durchwachsenen
       > Saison Bilanz. Für ihn hat das Material zu viel Einfluss auf die Sprünge.
       
   IMG Bild: Karl Geiger fliegt in Planica aus der Saison
       
       taz: Herr Horngacher, wie fällt Ihre Bilanz für das deutsche Team nach
       einem sehr langen und sportlich teils enttäuschendem Winter aus? 
       
       Stefan Horngacher: Das war eine Saison mit Ups und Downs. Wir haben richtig
       starke Highlights wie bei der WM erlebt, aber auch sehr schwierige
       Situationen wie bei der Vierschanzentournee. Auch in Planica hat uns beim
       Finale zumeist das Selbstvertrauen gefehlt. Insgesamt waren wir nicht so
       stabil vorn dabei wie in den Jahren zuvor und hatten keinen Topmann, der
       konstant um die Siege mitgesprungen ist.
       
       Das war in den vergangenen Wintern immer Karl Geiger … 
       
       Karl war jetzt das vierte Jahr in Folge zumindest punktuell mit einzelnen
       Podestplätzen mit vorn dabei und gehört nach wie vor zu den besten
       Skispringern der Welt. Aber er konnte es diesmal nicht konstant durchhalten
       und es gilt zu analysieren, warum das so war. Auch Markus Eisenbichler war
       nicht so stabil, was aber nach den Verletzungen, die er sich im Sommer
       zugezogen hatte, erwartbar war. Wir haben aber auch positive Momente
       erlebt: Andreas Wellinger hat wieder Weltcups und Medaillen gewonnen – ich
       erinnere mich an kaum einen Springer, dem das nach einer
       Kreuzbandverletzung gelungen ist.
       
       Unter dem Strich bleibt in diesem Winter mit Platz fünf in der
       Weltcup-Nationenwertung die schlechteste Platzierung für Deutschland seit
       15 Jahren. 
       
       Die Ursachenforschung ist noch nicht abgeschlossen. Aber wir werden die
       Fehlerquellen finden. Damit werden wir uns unter anderem im Rahmen der
       Trainerklausuren beschäftigen. Das Material hat in diesem Winter eine
       wichtige, in meinen Augen zu wichtige Rolle gespielt. Durch die neuen
       Messmethoden und die Anzuggröße hat der aerodynamische Anteil beim
       Skispringen enorm zugenommen. Auch im Bereich der Sprungski hat es
       Weiterentwicklungen gegeben. Das alles hat dazu geführt, dass geringste
       Unterschiede beim Wind große Auswirkungen auf die Weiten haben. Die
       Wettkämpfe wurden dadurch sehr schwer steuerbar. Dem Internationalen
       Skiverband Fis ist das Problem aber bewusst und ich denke, dass es da
       Regeländerungen geben wird.
       
       Was wären aus Ihrer Sicht sinnvolle Ansätze? 
       
       Es war die Rede davon, dass es einen Körperscanner geben könnte, der die
       Springer maschinell vermisst. Das würde die Sache ganz sicher auf eine
       andere Basis stellen. Dazu sollte man die aerodynamische Komponente beim
       Skispringen wieder etwas reduzieren – sonst besteht die Gefahr, dass es
       wieder zu sehr in die Richtung geht, [1][dass leichte, kleine Springer
       weiter fliegen].
       
       Generell hat man das Gefühl, dass andere Nationen einen anderen Flugstil
       als die deutschen Skispringer entwickelt haben. Sie haben selbst gesagt,
       dass die Probleme ihrer Flieger größer werden, je größer die Schanze wird … 
       
       Das stimmt, wir haben nicht umsonst unsere größten Erfolge bei der WM auf
       der kleinen Normalschanze gefeiert. Auch das hat mit der gewachsenen
       Bedeutung der aerodynamischen Komponenten zu tun. Nicht mehr der Absprung
       ist entscheidend, sondern wie schnell man in eine aerodynamische
       Flugposition kommt und somit maximale Geschwindigkeit mitnimmt. Unser
       Sprung ist ganzheitlich angelegt, mit einem ordentlichen Impuls beim
       Absprung. Andere Nationen stellen das Fliegen in den Vordergrund und feiern
       Erfolge damit – Springer aus Norwegen oder Slowenien exerzieren das vor.
       Sicher müssen wir künftig unser System optimieren, aber das hängt alles
       auch von den möglichen neuen Regeln ab.
       
       Es gab speziell nach dem [2][Debakel bei der Vierschanzentournee] auch
       harte Kritik an Ihnen persönlich. Haben Sie zwischenzeitlich einmal dran
       gedacht, alles hinzuwerfen? 
       
       Nein! Ich mache weiter und die Kritik kam ja nicht zu Unrecht. Und als
       Trainer der Nationalmannschaft muss ich damit leben, das ist im Skispringen
       genauso wie im Fußball. Diese Challenge spornt mich eher an. Die derzeitige
       Situation spornt mich an, weil ich selbst etwas verändern kann. Und ich
       werde wirklich alles dafür tun, dass wir künftig wieder besser und
       erfolgreicher Skispringen.
       
       3 Apr 2023
       
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