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       # taz.de -- Sánchez bleibt Spaniens Regierungschef: Misstrauensvotum gescheitert
       
       > Die rechte VOX findet keine Verbündeten, für ihren Antrag gegen Sánchez
       > stimmen nur die eigenen Parlamentarier. Die Krise stärkt wohl die
       > Regierung.
       
   IMG Bild: Hat gut lachen: Sánchez bei dem gescheiterten Misstrauensvotum im spanischen Parlament
       
       Madrid taz | Keine Überraschung in Madrid: Für den Misstrauensantrag gegen
       Ministerpräsident Pedro Sánchez und damit für seine Ablösung als
       Regierungschef haben am Mittwoch lediglich die 52 Angeordneten der
       rechtsextremen Partei VOX gestimmt.
       
       Dem Sozialisten und Chef einer Linkskoalition, die in Minderheit regiert,
       sprachen 201 der 349 Abgeordneten des spanischen Parlaments ihr Vertrauen
       aus. 91 Abgeordnete, darunter alle der größten Oppositionskraft, der
       konservativen Partido Popular (PP), enthielten sich. Damit scheiterte die
       VOX bereits zum zweiten Mal mit einem Misstrauensantrag gegen Sánchez. Das
       erste Mal war im September 2020. Die VOX ist seit 2019 im spanischen
       Parlament vertreten und wurde damals auf Anhieb drittstärkste Kraft.
       
       „Theater“, „Verarsche“, „dem Parlament unwürdig“ – weder Presse noch
       Politik gingen zimperlich mit VOX um. Als Kandidaten gegen Sánchez hatte
       die VOX [1][den ehemaligen Kommunisten und Wirtschaftswissenschaftler Ramón
       Tamames] gewinnen können. Der 89-jährige Tamames, der nicht dem Parlament
       angehört, stellte – anders als in der Verfassung für Misstrauensanträge
       vorgesehen – kein alternatives Regierungsprogramm vor. Sein einziger
       Programmpunkt: Er werde Neuwahlen ausrufen, sollte der Misstrauensantrag
       Erfolg haben.
       
       Den Rest seiner Redezeit zum Misstrauensantrag nutzte der in die Jahre
       gekommene Professor, um aus der Geschichte erzählen: von der Unabhängigkeit
       Kubas und der Rolle starker Frauen ohne Frauenpolitik, wie etwa Königin
       Isabella der Katholischen im 15. und 16. Jahrhundert, und für Anekdoten aus
       seinem Leben, wie etwa über seine Bekanntschaften in der Haft unter der
       Franco-Diktatur und seine Erlebnisse in den Jahren des Übergangs Spaniens
       zur Demokratie. Und er verteilte immer wieder Ratschläge, etwa: Im
       Parlament solle die Stimme nicht erhoben werden. Das wäre des Hauses nicht
       würdig. Selbst auf den Rängen der VOX wurde der Beifall für Tamames im
       Laufe seiner Rede weniger und weniger.
       
       ## Antrag als Geschenk an die Regierung
       
       „Aus Respekt vor den Spaniern werden wir nicht für diesen Antrag stimmen,
       und aus Respekt vor Ihnen, Herr Tamames, werden wir nicht gegen den Antrag
       stimmen“, sagte Cuca Gamarra von der konservativen PP vor der Abstimmung.
       2020 hatte die PP gegen den Misstrauensantrag der VOX gestimmt.
       
       „Ein Geschenk an die Regierung“, sieht die PP im [2][Misstrauensantrag] und
       hat damit wohl recht. Laut einer Blitzumfrage im Auftrag der Tageszeitung
       El Mundo sehen 40 Prozent die Regierung stärker als vor der
       Parlamentsdebatte zum Misstrauensvotum, die am Dienstag begonnen hatte. Und
       56 Prozent glauben, dass die rechten Parteien schlechter dastehen als
       zuvor.
       
       Alberto Nuñez Feijóo,Chef der PP und voraussichtlicher Spitzenkandidat bei
       den kommenden Parlamentswahlen Ende dieses Jahres, blieb der Debatte fern.
       Er gehört nicht dem Parlament an, hätte aber auf den Besucherrängen Platz
       nehmen können.
       
       Feijóo weilte stattdessen in Brüssel. So musste er nicht mit ansehen, wie
       Sánchez und die Arbeitsministerin Yolanda Díaz, Angehörige der
       linksalternativen Unidas Podemos, die Debatte nutzen, um die konservative
       PP für ihre ideologische Nähe zur VOX anzugreifen. Es sei „bemerkenswert
       und aufschlussreich“, dass sich die traditionelle Rechte immer mehr den
       Ultrarechten annähere, sagte Sánchez.
       
       ## Sánchez betont Errungenschaften seiner Regierung
       
       Sánchez und Diaz nutzten außerdem die Möglichkeit für eine Bestandsaufnahme
       ihrer Regierungszeit und verwiesen auf die zahlreichen sozialen
       Errungenschaften ihrer Regierung – gegen die sowohl VOX als auch PP
       gestimmt hatten, [3][etwa die Anhebung des Mindestlohns und der Renten]
       sowie die Stärkung der Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten.
       
       Sánchez warf der PP weiter vor, die VOX als künftigen Koalitionspartner
       umwerben zu wollen. Denn nur so habe die PP überhaupt eine Chance, an die
       Regierung zu kommen. In einigen Regionen und Städten Spaniens stützt sich
       die PP bereits auf die VOX. Ende Mai werden in Spanien Regional- und
       Kommunalwahlen stattfinden, gegen Jahresende dann Parlamentswahlen.
       
       23 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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