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       # taz.de -- Banalität des Rassismus: Dem sauberen Herrn Holt sein Clan
       
       > In Osnabrück wurden kürzlich mehrere Familienmitglieder wegen Betrugs
       > verurteilt. Eine Frage bleibt mir: Warum gilt das nicht als
       > „Clankriminalität“?
       
   IMG Bild: Hendrik Holt vor Gericht: Hochstapler? Oder Clan-Chef?
       
       Andere Provinzen haben ja auch schöne Städte. Osnabrück zum Beispiel ist
       offenbar immer für eine Telenovela gut. [1][Nicht nur, weil der Wulff da
       herkommt.] Ich habe es sehr bedauert, dass ich dem Auftritt von Ex-Minister
       Jens Spahn vor dem Landgericht nicht beiwohnen konnte. Der musste dort
       aussagen, weil der Millionenbetrüger Hendrik Holt behauptete, ihn fast
       geschmiert zu haben.
       
       Holt, das war der, der internationale Energiekonzerne mit erfundenen
       Windparkprojekten um Millionen betrogen hat. Eine grandiose
       Hochstapler-Geschichte, aber eine Frage geht mir dabei nicht aus dem Kopf:
       Warum, fragt eine Kollegin von der NOZ in dem wirklich großartigen Podcast
       „Windmacher“ vollkommen zu Recht, gilt das eigentlich nicht als
       „Clankriminalität“?
       
       Immerhin wurden neben Hendrik Holt auch seine Mutter, seine Schwester und
       sein Bruder verurteilt. An der Größe der Familie hängt das jedenfalls
       nicht, falls Sie das denken. [2][In die niedersächsische
       Clankriminalitätsstatistik] sind jedenfalls auch Fälle von „falschen
       Polizisten“ eingeflossen, bei denen es ausreichte, dass der Typ im
       Callcenter in der Türkei der Cousin jenes Vogels war, der hier in
       Deutschland den Abholer spielte.
       
       Auch die sogenannten „Tumultlagen“, bei denen ganze Rudel auf der Straße
       aufeinander oder auf Polizeibeamte losgehen, sind kein notwendiges
       Kriterium. In der Clanstatistik finden sich alle möglichen Arten von
       Vergehen vom banden- und gewerbsmäßigen Betrug über Drogenhandel bis zu
       Einbruchsserien, mit oder ohne Tumult.
       
       Als „ethnisch abgeschottete Subkultur“ könnte man so eine emsländische
       Unternehmerfamilie rein soziologisch betrachtet ja sehr wohl verstehen. Und
       wenn man die Hochzeitsbilder anschaut, die von Holt und seiner Liebsten
       noch während des Prozesses entstanden, sieht man: Jawohl, die bleiben beim
       Heiraten lieber unter sich.
       
       ## Hang zu Villen und Luxuskarossen
       
       „Patriacharlisch-hierarchisch organisiert“ und „übersteigerter Ehrbegriff“
       sind so Versatzstücke, [3][die in den gängigen
       Clankriminalitätsdefinitionen auch gern auftauchen.] Auch das trifft hier
       zu: Prozessbeobachter gehen davon aus, dass die Insolvenz des
       familieneigenen Bauunternehmens zumindest einer der Auslöser für Holts
       großangelegte Betrügereien war. Er wollte wohl irgendwie die Familienehre
       wieder herstellen, der narzisstischen Kränkung Herr werden.
       
       Sowohl seine Mutter als auch seine Schwester und sein jüngerer Bruder haben
       in ihren Aussagen angedeutet, dass Hendrik Holt der große Macher und
       Bestimmer war. Seinen kleinen Bruder soll er einmal sogar geschlagen haben.
       Die Mutter und die Schwester behaupteten, sie seien ja nur kleine
       Bürokräfte im Hintergrund gewesen, haben seine Anweisungen umgesetzt –
       gleichzeitig aber das ergaunerte Geld mit beiden Händen für
       Designerklamotten, Handtaschen, Schmuck und Luxustrips ausgegeben.
       Überhaupt dieser Hang zu Villen und Luxuskarossen, kommt einem das nicht
       bekannt vor?
       
       Von einer „eigenen Werteordnung“ und der „Ablehnung des deutschen Staates
       und seiner Rechtsordnung“ ist bei Clans auch oft die Rede. Aber wie ist
       denn das nun bei so notorischen Betrügern, die ohne mit der Wimper zu
       zucken mit gefälschten Doktortiteln und Diplomatenpässen hantieren, die
       Unterschriften deutscher Amtsträger fälschen, das ergaunerte Vermögen
       umgehend ins Ausland schaffen, behaupten, deutsche Minister und
       Parlamentarier in der Tasche zu haben? Sieht so Respekt vor der deutschen
       Rechtsordnung aus?
       
       Am Ende läuft es wohl doch eher auf ein zentrales Kriterium hinaus: Die
       Frage, ob die Fahnder bei der TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) einen
       Übersetzer brauchen oder eben nicht. Und wie lange sie brauchen, um den
       Namen zu buchstabieren. So banal kann Rassismus sein.
       
       8 Apr 2023
       
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