URI: 
       # taz.de -- Die drei Musketiere im Kino: Prügeln für die Gerechtigkeit
       
       > Die Neuadaption „Die drei Musketiere – D’Artagnan“: Regisseur Martin
       > Bourboulon setzt beim Mantel-und-Degen-Genre auf den Einsatz gezückter
       > Waffen.
       
   IMG Bild: König Ludwig XIII. (Louis Garrel) und Charles D’Artagnan (François Civil)
       
       Im Frankreich des Jahres 1627 scheint ein Menschenleben nicht viel wert.
       Schnell ist es aufs Spiel gesetzt, wenn es Ehre, Ritterlichkeit oder
       Unvernunft gebieten: Die ersten Minuten der neuen Kinoadaption von
       [1][Alexandre Dumas]’ bekanntestem Werk sind purer Nahkampf.
       
       Es wird gestochen, gehackt und gebajonettet, was das Zeug hält, und mitten
       durch das staubige, gewalttätige Frühbarock reitet der junge Gascogner
       D’Artagnan (François Civil) gen Paris, um königlicher Musketier zu werden.
       Beim chevaleresken Versuch, einer fremden „damsel in distress“ zu helfen,
       wird er überwältigt, für tot erklärt – und überlebt doch.
       
       Dass D’Artagnan sich die Freund- und Kameradschaft seiner designierten
       Kollegen Athos (Vincent Cassel), Porthos (Pio Marmaï) und Aramis (Romain
       Duris) allerdings auch danach noch erarbeiten muss, weiß man aus dem Roman
       oder seinen über 30 Film-, Fernseh-, Serien-, und Opern-Adaptionen. Denn
       Dumas beschrieb im Jahr 1844 eine tiefe Freundschaft – und erdachte damit
       eine der erfolgreichsten Buddy-Storys.
       
       Auch in Martin Bourboulons Neuinterpretation fordert das ungestüme und
       selbstbewusste Landei die Mitmusketiere zunächst zum Duell – um stattdessen
       später den „Einer für alle – alle für einen“-Schwur zu leisten, der den
       Bund über das Individuum stellt: Beim Versuch, die Treue zum König (Louis
       Garrel) zu beweisen, und Athos von einem (von Widersachern inszenierten)
       Mordverdacht reinzuwaschen, raufen die Musketiere (sich) zusammen.
       
       ## Größtenteils humorlos
       
       Und galoppieren degenschwingend von Frankreich nach England und wieder
       zurück, denn eine Diamantenkette, die die Königin (Vicky Krieps) ihrem
       britischen Liebhaber verehrte, muss schnell wieder um den royalen Hals.
       Doch der umstürzlerische Kardinal Richelieu (Eric Ruf) spinnt Intrigen, um
       die skandalöse Affäre auffliegen zu lassen …
       
       Aus den vielen Themen in Dumas’ Werk hat sich Bourboulon nicht das
       interessanteste herausgesucht: Sein Film ist größtenteils humorloses,
       zuweilen brutales Mantel-und-Degen-Genre. Die bewegliche Kamera schickt er
       tief in düstere Kampfszenen, realistische Geräusche von Verletzungen sollen
       die Wucht der schnellen Schnitte unterstreichen.
       
       Die Leichtigkeit der literarischen Vorlage, die Wort- und Schwertgefechte
       kunstvoll verknüpfte; den Übermut in George Sidneys charmanter 1948er
       Version; das Slapstickhafte und tänzerisch Choreografierte der
       Richard-Lester-Verfilmung 1973; oder das Spielerisch-Fantastische in der
       Adaption von 2011 sucht man vergeblich im neuen Film, der Auftakt einer
       Reihe sein soll.
       
       Auch der Schalk Dumas’, der seinen hitzigen Gascogner mit Don Quijote
       verglich, oder die politischen Dimensionen des gebeutelten Frankreichs im
       17. Jahrhundert schimmern selten durch. Stattdessen scheinen die
       Musketiere, die ihr Leben für König, Ehr’ und Vaterland wegschmeißen
       würden, recht zu bekommen: Prügeleien lohnen sich, denn nur durch sie
       erlangt man Gerechtigkeit.
       
       François Civil in der Titelrolle darf dabei kaum Reiz entwickeln, sondern
       rauft sich eher blass am Rande der ambivalenteren, dankbareren Figuren
       Athos (unter Mordverdacht), Porthos (glücklich schwul) und Aramis (bigotter
       Frauenheld) entlang. D’Artagnans Handlungsmotivation ist die Liebe zu einer
       schönen Frau (Lhyna Koudri als Hofdame Constance) – und auch dieser
       Nebenstrang zieht sich bis zum ersten Kuss. Allein Milady de Winter (Eva
       Green) ist eine bezaubernde Antiheldin, die von Green mit gewohnt
       somnambulem Abgrund gespielt wird.
       
       Es ist eben höchste Zeit, dass sich die [2][„Sherlock“- und
       „Dracula“-Adapteure Steven Moffat und Mark Gatiss] des Stoffs annehmen. Sie
       würden den Kampfhähnen schon den Staub und die toxische Männlichkeit aus
       den Rheingrafenhosen klopfen.
       
       12 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kochbuch-von-Autor-Alexandre-Dumas/!5703401
   DIR [2] /Britische-Serie-Sherlock/!5041299
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Barock
   DIR Historienfilm
   DIR Film
   DIR Historienfilm
   DIR Film
   DIR Kochbuch
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Knast-Film „Prison 77“ auf DVD: Die Neonreklame verspricht Freiheit
       
       Draußen stirbt Diktator Franco, im Modelo-Gefängnis formieren sich die
       Gefangenen. „Prison 77“ erzählt eine Desillusionierungsgeschichte als
       Thriller.
       
   DIR Film „Corsage“ in den Kinos: Monarchin wider Willen
       
       Die Regisseurin Marie Kreutzer erzählt das Leben der Kaiserin Elisabeth
       neu. Mit dem Kitsch der „Sissi“-Filme hat „Corsage“ nichts mehr gemein.
       
   DIR Katzenmaler Louis Wain im Film: Wains World
       
       „Die wundersame Welt des Louis Wain“ widmet sich dem Leben des als
       Katzenmaler bekannt gewordenen Künstlers. Gegenüber Kitsch zeigt er sich
       tolerant.
       
   DIR Kochbuch von Autor Alexandre Dumas: Foodie im 19. Jahrhundert
       
       Der Schriftsteller Alexandre Dumas war genusssüchtig und kochbegeistert.
       Sein „Wörterbuch der Kochkunst“ gibt Einblick in die Küche von 1870.