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       # taz.de -- Flucht aus Afghanistan: Aufnahmeprogramm vorerst gestoppt
       
       > Bedrohte Afghan*innen bekommen erst einmal keine Visa mehr für
       > Deutschland. Nach Missbrauchsversuchen sollen Prüfverfahren ausgebaut
       > werden.
       
   IMG Bild: Bundesinnenministerin Faeser (li.) und Außenministerin Baerbock: Gemeinsames Ziel der Ressorts sei, die neuen Maßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen
       
       Berlin taz | Erst hatte sich der Start des Bundesaufnahmeprogramms [1][für
       Afghanistan verzögert], dann lief es offiziell an – aber bisher ist noch
       keine einzige Person darüber nach Deutschland gekommen. Nun setzt die
       Bundesregierung die Visavergabe an afghanische Staatsbürger*innen erst
       einmal komplett aus. Dies bestätigte das Auswärtige Amt auf Nachfrage der
       taz.
       
       „Dass das Aufnahmeprogramm gestoppt wurde, bevor es überhaupt richtig
       losging, steht symbolisch für das Versagen der Bundesregierung in Sachen
       Afghanistan“, kritisierte Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der
       Linken-Bundestagsfraktion, gegenüber der taz. Dabei zähle „jeder Tag“, so
       Bünger. Es seien bereits 35 Menschen gestorben, „die heute schon in
       Sicherheit in Deutschland sein könnten“.
       
       Formal ist nicht [2][das Bundesaufnahmeprogramm] gestoppt, sondern die
       Visavergabe für afghanische Staatsbüger*innen sowie die unterstützte
       Ausreise. Die sollen wieder aufgenommen werden, wenn „optimierte
       Sicherheitsverfahren“ in Form von Sicherheitsinterviews eingeführt seien,
       sagte vergangene Woche Christofer Burger, Sprecher des Auswärtigen Amts.
       Hintergrund sind Medienberichte des Cicero, wonach sich auf den
       Aufnahmelisten „zahlreiche Islamisten und Scharia-Gelehrte“ befänden.
       
       ## Schnelle Lösungen müsse gefunden werden
       
       Eine Darstellung, der Burger vehement widersprach: Zwar habe es Hinweise
       auf Missbrauchsversuche gegeben. Dabei sei es aber vor allem um Menschen
       gegangen, die in der Zwischenzeit in einen Nachbarstaat geflohen seien –
       für das Programm ist ein Aufenthalt in Afghanistan Voraussetzung. Lediglich
       in einem einzelnen Fall sei es wohl um einen Gefährder gegangen. „Hier
       haben unsere bereits etablierten Prüfmechanismen funktioniert“, betonte
       Burger. Das Verfahren sei gestoppt worden. Dennoch soll die
       Sicherheitsüberprüfung nun verbessert werden.
       
       Es sei das gemeinsame Ziel von Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium,
       die neuen Sicherheitsmaßnahmen „so schnell wie möglich“ zu implementieren,
       so Burger. Man wisse, dass für die Menschen vor Ort „jeder Tag zählt“.
       Einen genauen Zeitplan nannte er nicht. Die Warnungen waren laut Cicero aus
       der deutschen Botschaft im pakistanischen Islamabad gekommen. Dorthin oder
       in den Iran müssen sich Afghan*innen mit Aufnahmezusage für ihr Visum
       wenden, weil es im Land selbst keine Botschaft mehr gibt.
       
       „Natürlich kann man Gefährdungen der Sicherheit in Deutschland nicht
       hinnehmen“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh der taz. Das
       dürfe jedoch nicht dazu führen, „dass Menschen, deren Sicherheit höchst
       gefährdet ist, nicht nach Deutschland kommen können“. Es müsse „innerhalb
       weniger Monate, im Idealfall weniger Wochen“ eine Lösung gefunden werden.
       „Es kann nicht sein, dass wir jetzt sechs Monate verlieren.“
       
       ## Kritik von Pro Asyl
       
       In der Union sieht man das anders. Das Bundesaufnahmeprogramm habe einen
       „redlichen Zweck“, sei aber „überdimensioniert und intransparent“, erklärte
       Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. „Es war so leider
       nur eine Frage der Zeit, bis sich die zahlreichen Gerüchte um Korruption
       und Vetternwirtschaft im von den bewährten Visumsstrukturen abgekoppelten
       Bundesaufnahmeprogramm bestätigen.“ Das Auswärtige Amt müsse die Vorwürfe
       lückenlos aufklären und das Programm bis dahin ausgesetzt lassen, forderte
       Hardt.
       
       Pro Asyl kritisierte die Entscheidung, das Visaverfahren aufgrund bisher
       unbelegter Vorwürfe ganz auszusetzen. „Wir sind dafür, dass
       Sicherheitsoptimierungen vorgenommen werden, wenn diese nötig sind“, sagte
       der taz Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher der NGO. „Aber das
       darf nicht zu einem Nachteil für diejenigen führen, die von den Taliban
       bedroht werden.“
       
       Durch die Entscheidung seien derzeit alle Wege zur Ausreise aus Afghanistan
       blockiert, auch über das Ortskräfteverfahren oder anderer humanitärer
       Gründe. „Wir wissen von über 1.000 Personen, die mit einer Aufnahmezusage
       ausgereist sind, um ihr Visum zu erhalten, und die jetzt nicht wissen, wie
       es weitergeht“, so Alaows. Zurück könnten sie aber auch nicht. „Die Taliban
       beobachten genau, wer ausreist. Bei einer Rückkehr wären diese Menschen in
       noch größerer Gefahr als vorher.“
       
       11 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dinah Riese
       
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