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       # taz.de -- Unterdrückung in Iran: Überwachung freier Frauenköpfe
       
       > Das iranische Regime will härter gegen Frauen vorgehen, die öffentlich
       > kein Kopftuch tragen. Sie setzen auf Überwachungstechnik und Strafen.
       
   IMG Bild: Kopftuch oder nicht? Straßenszene in Teheran im Februar 2023
       
       Berlin taz | Schon als Polizeichef der iranischen Hauptstadt Teheran hatte
       Ahmad Reza Radan klare Vorstellungen von Moral und Sitte. Frauen, die kein
       Hidschab tragen, litten unter „Persönlichkeitsstörung und abnormaler
       Moral“, so Radan im Jahr seiner Amtseinführung, 2007. „Ein unangemessener
       Hidschab schadet der moralischen Sicherheit und gefährdet die innere
       Sicherheit.“ Bis 2014 war Ahmad Reza Radan in diesem Posten als oberster
       Durchsetzer des Verschleierungszwangs zuständig – und erwies sich als
       Überzeugungstäter.
       
       Ihn hat das Regime nun dazu auserkoren, Frauen im ganzen Land wieder unter
       das Kopftuch zu zwingen. Revolutionsführer Ali Khamenei ernannte am 7.
       Januar Ahmad Reza Radan zum Chef der gesamten iranischen Polizei – und
       machte damit klar, worum es ihm geht: Khamenei duldet keine Frauen, die
       sich in der [1][Öffentlichkeit ohne den verpflichtenden Hidschab zeigen].
       
       Seit dem Mord an der jungen kurdischen Iranerin Mahsa „Jina“ Amini im
       September 2022 und den darauffolgenden monatelangen landesweiten Protesten
       tragen viele Frauen als [2][Zeichen des zivilen Widerstands] kein Kopftuch,
       wenn sie das Haus verlassen. Unverschleierte Frauen gehören inzwischen zum
       Stadtbild – nicht nur in Teheran und anderen größeren Städten.
       
       Das ist den machthabenden Klerikern zunehmend ein Dorn in Auge. Das
       Nichttragen des Hidschabs sei nicht nur religiös, sondern auch politisch
       „haram“, verkündete Khamenei Anfang April. Ein Verstoß gegen den
       Verschleierungszwang sei ein „Plan der Feinde“ – gemeint sind die USA und
       Israel – und die Islamische Republik müsse nun „mit einem Plan dagegen
       vorgehen“.
       
       ## Wer Frauen ohne Hijab bedient, muss schließen
       
       Wie dieser Plan aussieht, lässt sich bereits beobachten. In den vergangenen
       Wochen wurden im ganzen Land Geschäfte, Cafés und Restaurants geschlossen,
       weil dort Frauen ohne Hidschab bedient worden seien.
       
       In einer einzigen Provinz im Norden des Landes, [3][berichtet das
       Exil-Medium Iran Journal], seien nach Angaben der örtlichen
       Staatsanwaltschaft 250 Läden verriegelt worden, in Kashan, einer Stadt in
       Zentraliran, waren innerhalb eines Monats allein 40 Läden betroffen.
       
       Die Polizei kündigte am vergangenen Wochenende an, dass sie von nun an
       „individuelles oder kollektives Verhalten und jede Handlung, die gegen das
       Gesetz verstößt“, nicht mehr tolerieren werde.
       
       Die Frauen in Iran müssen – wie eh und je – die Härte des Staates fürchten.
       Ebenfalls am Wochenende erklärte Radan in einem Interview im iranischen
       Staatsfernsehen, dass ab dem 15. April auch Hightech zum Einsatz kommen
       werde, um Frauen zu identifizieren, die unverschleiert in der
       Öffentlichkeit unterwegs sind. Die Polizei werde Technik und „smarte“
       Kameras benutzen, die an öffentlichen Plätzen eingesetzt werden, so Radan.
       Frauen, die von der Überwachungstechnik bei „Normverstößen“ eingefangen
       werden, würden bestraft.
       
       ## Wer gegen den Hijabzwang verstößt, soll vor Gericht
       
       Seine Einheiten, erklärte Ahmad Reza Radan außerdem, würden ab dem 15.
       April die Straßen patrouillieren und Autos und Geschäfte kontrollieren.
       Jede Person, die in diesen Bereichen gegen die [4][Hidschab-Regeln]
       verstoße, werde vor Gericht gebracht. Auch Autobesitzer*innen, die Frauen
       ohne Kopftuch mitnehmen, würden zuerst einmalig verwarnt. Bei neuerlichem
       Verstoß werde ihnen das Auto entzogen.
       
       Iran, das zeigen die jüngsten Entwicklungen einmal mehr, ist ein
       [5][dystopischer Überwachungsstaat]. Wer sich nicht fügt, wird
       kriminalisiert und bestraft – insbesondere Frauen werden von den nun
       angekündigten Konsequenzen betroffen sein. Denn eines scheinen die Kleriker
       zu wissen: Ihre Macht steht und fällt mit dem Kopftuch.
       
       11 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Proteste-in-Iran/!t5884344
   DIR [2] /Islamwissenschaftlerin-ueber-Proteste-in-Iran/!5920624
   DIR [3] https://iranjournal.org
   DIR [4] /Nach-dem-Tod-von-Mahsa-Zhina-Amini/!5881370
   DIR [5] https://theintercept.com/2022/10/28/iran-protests-phone-surveillance/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gilda Sahebi
       
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