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       # taz.de -- Filmfest Bremen vergibt Humor-Preis: Lachen erwünscht
       
       > Witzige Filme findet man auf Festivals selten. Das Filmfest Bremen widmet
       > Humor und Satire einen eigenen internationalen Wettbewerb.
       
   IMG Bild: Die Ente bleibt draußen! Szene aus einem der bekanntesten Loriot-Sketche
       
       Filmfestivals sind meist ernste Angelegenheiten: Da wird der hehren
       Filmkunst gehuldigt und Gelächter wird oft eher als unpassend empfunden.
       Komödien finden deshalb selten den Weg in die Programme und in Wettbewerben
       sind sie die großen Ausnahmen. Wie etwa [1][„Toni Erdmann“] von Maren Ade,
       der 2016 in Cannes lief und dort dann immerhin den „Trostpreis“ der
       internationalen Presse bekam.
       
       Umso bemerkenswerter ist es, dass es auf dem kleinen und jungen Filmfest
       Bremen, das in diesem Jahr zu achten Mal veranstaltet wird, einen
       „Internationalen Wettbewerb Humor/Satire“ gibt, bei dem eine Jury aus
       sieben Spielfilmen sowie 22 kurzen und mittellangen Filmen die Gewinner
       auswählt.
       
       Eine Inspiration dafür, dass dem Humor dort ein Programmschwerpunkt
       gewidmet wurde, liegt sicher darin, dass die Bremer*innen den
       Gesamtkünstler Vicco von Bülow alias Loriot als ihren Stadtheiligen
       ansehen. Der war zwar Preuße durch und durch, produzierte aber bei Radio
       Bremen zwischen 1976 und 1983 seine epochalen Sendungen, in denen er mit
       Zeichentrickfilmen begann und dann immer mehr zu Sketchen überging. Nun
       steht ein Bronzeabguss seines berühmten Sofas samt Mops vor dem Eingang des
       Bremer Funkhauses und ein goldener Mops ist seit einigen Jahren auch die
       Trophäe des Bremer Filmpreises, mit dem ab 2019 Filmemacher*innen für
       „humoristische, komödiantische oder satirische Werke geehrt wurden.“
       
       Nach Caroline Link, Hape Kerkeling und Aki Kaurismäki wurde die Liste der
       passenden Anwärter*innen schon sehr kurz. Und so hat man sich in diesem
       Jahr stillschweigend entschieden, mit [2][Maria Schrader] eine
       Filmemacherin zu ehren, die nicht unbedingt durch ihre Komödien bekannt
       wurde.
       
       Dafür bekommt nun Loriot posthum zu seinem 100. Geburtstag einen
       Ehrenpreis, mit dem sowohl das Filmfest als auch der Künstler geehrt wird.
       Immerhin kann dazu eine Premiere gefeiert werden: Mit „Loriots große
       Trickfilmrevue“ werden 31 seiner meist in Bremen produzierten Cartoons in
       die Kinos kommen. Die Herren Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner in der
       Badewanne kann man gar nicht oft genug sehen.
       
       In der Jury für den Wettbewerb „Humor/Satire“ sitzt der Filmmacher
       [3][André Erkau], der mit Komödien wie „Das Leben ist nichts für Feiglinge“
       zeigte, dass er ein Talent für das Komische hat. Für die Wettbewerbe gab es
       über 200 Einreichungen und das Programm ist tatsächlich erstaunlich
       international geraten.
       
       So gibt es mit „Captain Wits“ eine Tragikomödie aus Brasilien über einen
       alten Mann, der beschließt, mit Cape und Maske ein Superheld zu werden. „My
       Beautiful Apartment“ ist eine Satire aus Südkorea über eine luxuriöse
       Wohnanlage, in der die reichen Wohnungsbesitzer*innen die ärmeren
       Mieter*innen immer mehr ausgrenzen. Das ist nun überhaupt nicht witzig
       und auch in der spanischen Thriller-Komödie „Home Owners“, in der ein
       junges Paar glaubt, sein Traumhaus gewonnen zu haben, gibt es wenig zu
       lachen. Die Mischung aus „Faust“ und dem Spukhaus-Genre verärgert dagegen
       mit einem ideenlosen Finale. „Die Rumba-Therapie“ von Franck Dubosc ist
       eine von jenen zur Zeit so beliebten Komödien über mürrische Einzelgänger,
       die (hier durch das Tanzen) zu besseren Menschen werden. Der französische
       Spielfilm kommt im Juni in die deutschen Kinos.
       
       Aber die klassische Filmkomödie im Wettbewerb kommt ausgerechnet aus
       Belarus und wurde auf Russisch gedreht. In „Welcome to the Family“ verliebt
       sich der Sohn einer Polizistin in die Tochter eines Bandenchefs. Der
       aufwendig produzierte Unterhaltungsfilm beginnt mit einer
       Sergio-Leone-Western-Parodie und entwickelt sich dann zu einem
       Actionspektakel, bei dem die Kriminalkomödien von Guy Ritchie
       offensichtlich Pate gestanden haben. Dabei wird tief in die Trickkiste des
       komischen Films gegriffen und es gibt tatsächlich eine Tortenschlacht wie
       aus der Zeit des Slapstick-Kinos.
       
       Im Programm findet sich auch der Episodenfilm „Balconies“ von Anja Gurres,
       der nur auf Balkonen gedreht wurde. Die taz hatte ihn bereits zur Premiere
       auf dem Hamburger Filmfest im Oktober vergangenen Jahres [4][besprochen].
       Und auf der Bremer Filmfest Gala am Donnerstag dieser Woche um 19 Uhr wird
       im Theater am Goetheplatz „Frankie Five Star“ von Birgit Möller gezeigt, in
       dem die junge Titelheldin in einer Traumwelt lebt, die sie mit ihren
       multiplen Persönlichkeiten angefüllt hat. Gedreht wurde das surrealistische
       Drama in Bremen, unter anderem auf den Karussellen der Osterwiese.
       
       Eine Art von Refugium für den Humor sind auf Filmfestivals schließlich oft
       die Kurzfilmprogramme. Hier toben sich junge Filmemacher*innen mit
       wilden Parodien und Grotesken aus. Oft reicht ja eine witzige Grundidee
       nicht für einen Langfilm, sorgt aber ein paar Minuten lang für ein paar
       schöne Lacher. „Crazy Crabs from Outer Space“ aus Finnland etwa bietet
       genau das, was der Titel verspricht: Hinterm Steuer eines Volkswagens sitzt
       eine Krabbe aus Plastik. Und in der schwarzen Komödie „Norma“ der Britin
       Emily Munster rechnet die Titelheldin mit ihrem grantelnden Gatten ab. Das
       ist fast so boshaft komisch wie Loriots Frühstücks-Ehe-Szene mit dem
       unvergesslichen: „Bertha, das Ei ist hart“.
       
       12 Apr 2023
       
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