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       # taz.de -- Abtreibung in den USA: Kreuzzug ohne Kompetenz
       
       > Die US-Republikaner wollen jede Abtreibung unter jedem Umstand und an
       > jedem Ort verbieten. Vielleicht scheitern sie an der Wirtschaft.
       
   IMG Bild: Eine Packung Mifepristone
       
       [1][Ein Richter in der texanischen Kleinstadt Amarillo hat entschieden, das
       Medikament Mifepristone überall in den USA zu verbieten]. Matthew Kacsmaryk
       ist ein Mann ohne Kompetenzen in medizinischen, pharmazeutischen und
       wissenschaftlichen Fragen. Zugleich ist er einer jener Juristen, die von
       [2][Donald Trump] ins Amt gehievt worden sind und die jetzt die erwartete
       Gegenleistung erbringen. Kacsmaryk stemmt sich gegen eine Entscheidung der
       weltweit anerkannten US-Behörde FDA, die zuständig für die Prüfung und
       Zulassung von Medikamenten und Nahrungsmitteln ist.
       
       Nach sorgfältigen Untersuchungen hatten die Experten der FDA Mifepristone
       vor 23 Jahren als effizient und sicher anerkannt. Seither haben es
       Millionen von Frauen für Schwangerschaftsabbrüche benutzt. In den letzten
       Jahren ist es die wichtigste Methode bei Abtreibungen in den USA geworden.
       
       Amarillo hat den Spitznamen „Bomb-City“. In ihrer „Pantex“-Anlage werden
       die Atomwaffen der USA montiert und demontiert. Es ist eine wachsende
       Stadt. Dennoch könnte die Entscheidung des Richters eine Provinzposse
       bleiben – eine Lachnummer, die sich gegen Wissenschaft und Mehrheitswillen
       stemmt. Wäre sie nicht Teil des großen, nationalen Kreuzzugs der
       Republikaner.
       
       ## Sie versuchen zu kriminalisieren
       
       In den zurückliegenden Monaten haben die Republikaner dabei massive Siege
       errungen. Im vergangenen Juni hat das Oberste Gericht das hart erkämpfte
       und 50 Jahre alte bundesweite Recht für jede Frau, selbst über ihre
       Schwangerschaft zu entscheiden, abgeschafft. Stattdessen darf nun jeder
       Bundesstaat in Gesetze fassen, wie Frauen mit ihr umgehen müssen. Seit dem
       Entscheid des Obersten Gerichts haben die Republikaner in den von ihnen
       regierten Bundesstaaten Hunderte von neuen Versuchen gestartet, um Ärzte,
       Abtreibungskliniken, Frauenzentren und unfreiwillig schwangere Frauen zu
       kriminalisieren. Doch das ist ihnen nicht genug.
       
       Die Mehrheit der Republikaner hat das Ziel, jede Abtreibung unter jedem
       Umstand und an jedem Ort zu verbieten. Selbst dann, wenn eine
       Schwangerschaft durch Inzest und Vergewaltigung oder andere gewalttätige
       Umstände zustande gekommen ist, und selbst dann, wenn Gefahr für Leib und
       Leben besteht, sollen Frauen gezwungen sein, zu gebären. Sie wollen
       Abtreibungen auch dort verbieten, wo Wählermehrheiten entschieden haben,
       das Recht darauf zu verbriefen.
       
       Die Republikanische Partei des Jahres 2023 akzeptiert weder
       medizinisch-pharmazeutischen Sachverstand noch das Recht auf individuelle
       Entscheidungsfreiheit noch den demokratisch ausgedrückten Willen der
       Wähler. Mit diesem Impetus treiben sie sowohl die Demokratische Partei als
       auch anders gesonnene Gerichte in anderen Landesteilen vor sich her.
       
       Als Antwort auf die Provinzentscheidung in Amarillo hat ein Richter im
       Bundesstaat Washington eine entgegengesetzte Entscheidung bekannt gemacht,
       die das Recht auf medikamentöse Abtreibung zumindest in demokratisch
       regierten Bundesstaaten schützen soll. Zugleich ist das Justizministerium
       in Washington in Berufung gegangen, um das Urteil von Texas anzufechten,
       die Demokraten im Abgeordnetenhaus haben ein neues Gesetz vorgelegt und an
       zahlreichen Orten der USA haben über Ostern Demonstrationen stattgefunden.
       
       ## Die Freiheit der Pharmabranche
       
       Über kurz oder lang wird auch diese Entscheidung vor dem Obersten Gericht
       landen. So wie die Mehrheit dort seit Trump steht, ist keine Unterstützung
       für das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung zu erwarten. Allerdings
       könnte eine andere Grundüberzeugung der mehrheitlich konservativen Richter
       in diesem Fall positive Konsequenzen haben. Die konservativen Richter sind
       radikale Marktliberale. Sie wollen weniger, nicht mehr Regeln für die
       Wirtschaft. Schon gar nicht für eine so einflussreiche Branche wie die
       Pharmaindustrie. Es ist gut möglich, dass das abtreibungsfeindliche Oberste
       Gericht letztlich die Entscheidung von Amarillo kippt, weil es die Freiheit
       der Pharmabranche beeinträchtigen könnte.
       
       Für Frauen, die ungewollt schwanger werden, und für ihre Ärzte ist die
       Entscheidung von Amarillo in jedem Fall eine Katastrophe. Insbesondere für
       jene, die kein Geld für Reisen in Nachbarbundesstaaten oder in das Ausland
       haben. Für einkommensschwache Frauen in republikanischen Bundesstaaten gibt
       es schon jetzt keine Wahl mehr.
       
       10 Apr 2023
       
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