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       # taz.de -- Brandkatastrophe in Mexiko: Die Zellen blieben verschlossen
       
       > Beim Brand in einem Internierungslager nahe der US-Grenze sterben 38
       > Migranten. Jetzt wird die Schuldfrage ermittelt.
       
   IMG Bild: Fatima Pavon, 12, aus Venezuela stellt eine Kerze vor dem Gitter der abgebrannten Unterkunft auf
       
       Oaxaca taz | Am Tag nach dem tödlichen Feuer in einem Internierungslager
       der nordmexikanischen Stadt [1][Ciudad Juárez] müssen sich Beamte der
       Nationalen Migrationsbehörde (INM) schwerwiegenden Vorwürfen stellen.
       Aufnahmen von Überwachungskameras zeigen, dass Wächter die Flucht
       ergriffen, anstatt die gefangenen Männer aus ihren Zellen zu lassen,
       während sich die Räume in Sekundenschnelle mit Rauch füllten. Bei dem Brand
       sind in der Unterkunft in der Grenzmetropole in der Nacht zum Dienstag 38
       Migranten ums Leben gekommen.
       
       „Ich habe den Eindruck, sie fanden es wichtiger, dass die Menschen
       eingesperrt bleiben, als die Türen zu öffnen“, sagte Tonatiuh Guillén López
       mit Blick auf die Beamten. Guillén López war vor fünf Jahren, zu Beginn der
       Amtszeit des Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, selbst Leiter der INM
       und hatte sich für ein Konzept der „offenen Grenzen“ eingesetzt. Doch der
       tödliche Brand in der Einrichtung der Migrationsbehörde, bei dem zudem 29
       Menschen verletzt wurden, ist eher das Ergebnis einer zunehmend
       restriktiveren Einwanderungspolitik der USA und Mexikos.
       
       Ein Teil der verstorbenen Migranten war am Montag festgenommen worden, als
       sie in der Stadt Autofenster geputzt, Süßigkeiten verkauft oder um Geld
       gebettelt hatten. Andere waren von US-Behörden nach Mexiko gebracht worden,
       nachdem sie zuvor versucht hatten, die Grenze zu überwinden. Aus Protest
       gegen die geplante Abschiebung in ihre Herkunftsländer hatten die Migranten
       ein Feuer gelegt, das außer Kontrolle geriet.
       
       „Sie haben an die Tür der Herberge Matratzen gelegt und angezündet“, sagte
       López Obrador am Dienstagmorgen. „Sie haben nicht damit gerechnet, dass das
       ein so furchtbares Unglück hervorrufen würde.“
       
       ## Flucht vor Armut und Verfolgung
       
       Doch wie Guillén López betonen auch Angehörige der Opfer, dass die
       Internierten nicht rechtzeitig aus ihren Zellen gelassen worden seien. Als
       in der Unterkunft immer mehr Rauch zu sehen gewesen sei, habe man die
       Frauen im Nachbartrakt herausgelassen, die Männer jedoch nicht, zitiert das
       Onlineportal „[2][La Verdad Juárez]“ die venezolanische Migrantin Vianey
       Infante, die ebenfalls in dem Lager war und auf die Freilassung ihres
       Mannes gewartet hatte, als das Feuer ausbrach.
       
       Nun soll die Generalstaatsanwaltschaft ermitteln, wer für den Tod der
       Männer verantwortlich ist. Auch die Nationale Menschenrechtskommission
       wurde eingeschaltet.
       
       Die Menschen, die sich auf der Flucht vor Armut und Verfolgung befanden,
       stammten aus Süd- und Mittelamerika. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft
       kamen die insgesamt 68 inhaftierten Migranten aus Guatemala, Honduras, El
       Salvador und Venezuela.
       
       Erika Guevara, die Sprecherin von Amnesty International Amerika, erklärte,
       das Feuer und seine Folgen seien das Resultat der US-Migrationspolitik „in
       Komplizenschaft“ mit den mexikanischen Behörden. Sie verwies auf den so
       genannten [3][Titel 42], nach dem US-Behörden illegal einreisende Ausländer
       ausweisen können. Auch Asylsuchende sind davon betroffen.
       
       ## 2022 über 2,5 Millionen Festnahmen bei der Einreise
       
       Die Regelung stammt aus der Regierungszeit des Ex-Präsidenten Donald Trump
       und wurde mit gesundheitspolitischen Gründen während der Pandemie
       gerechtfertigt. Trotz gegenteiliger Ankündigungen von Trumps Nachfolger Joe
       Biden ist die Regelung immer noch in Kraft. Sie ermöglicht eine sofortige
       Abschiebung auf die mexikanische Seite des Grenzflusses Rio Bravo. Auch
       einige der am Montag Verstorbenen landeten direkt nach ihrer Ausweisung aus
       den USA wegen des Titels 42 in dem Internierungslager der
       Migrationsbehörde.
       
       Neben der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage in den
       Herkunftsländern ist der Titel 42 ein wichtiger Grund dafür, dass sich
       immer mehr Migrant*innen und Flüchtlinge [4][in den mexikanischen
       Grenzregionen ansammeln]. US-Grenzschutzbehörden zufolge wurden im 2022
       über 2,5 Millionen Menschen bei den Versuch festgenommen, illegal in die
       Vereinigten Staaten einzureisen. Eine Rekordzahl. Nach ihrer Rückführung
       nach Mexiko müssen sie unter gefährlichen und prekären Bedingungen ums
       Überleben kämpfen oder werden in ihr Herkunftsland abgeschoben.
       
       Die bischöfliche Einrichtung „Pastoral de Mobilidad Humana“, die unter
       anderem Herbergen für Migrant*innen betreibt, hat vergangene Woche das
       Vorgehen von Sicherheitskräften in Ciudad Juárez gegen die Menschen auf der
       Flucht scharf kritisiert und Schutzmaßnahmen gefordert. Zuvor waren
       Polizisten in die Kathedrale der Stadt eingedrungen, um Migrant*innen
       festzunehmen.
       
       Dem Bürgermeister der Grenzstadt, Cruz Pérez Cuéllar, wirft die Pastorale
       vor, die Schutzsuchenden sowie Aktivist*innen zu diskriminieren, zu
       stigmatisieren und zu kriminalisieren. Als am 13. März Migrant*innen
       eine Brücke blockierten, um ihrer Forderung nach einer Einreise in die USA
       Nachdruck zu verleihen, hatte Pérez Cuellar deutlich gedroht: „Unsere
       Geduld ist am Ende.“
       
       29 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /An-der-Grenze-Mexikos-zu-den-USA/!5654000
   DIR [2] https://laverdadjuarez.com/
   DIR [3] /US-Grenzkontrolle-bei-El-Paso/!5904230
   DIR [4] /Migrationspolitik-der-USA/!5759761
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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