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       # taz.de -- Rede vor Österreichs Parlament: Selenski im Ersten Bezirk
       
       > Friedensaktivist:innen und FPÖ-Abgeordnete pochen auf Neutralität –
       > demonstrieren in Wien aber gegen den ukrainischen Staatsbesuch.
       
   IMG Bild: Abgeordnete der FPÖ verlassen vor einer Video-Ansprache Selenskis demonstrativ den Saal
       
       „Wir verlieren Menschenleben und die Gesundheit unserer Menschen durch
       Explosionen, von Minen und Geschossen, die von den russischen Terroristen
       zurückgelassen wurden. Wir verlieren diese Menschenleben auch dadurch, weil
       wir in diesen Gebieten keine rechtzeitige Krankenversorgung leisten
       können.“ Wolodimir Selenski legte seine Rede vor dem österreichischen
       Parlament nicht martialisch an, sondern mit humanitärem Schwerpunkt.
       
       In schwarzem Overall erschien der ukrainische Präsident Donnerstagvormittag
       auf einer Videoleinwand im Plenarsaal des Nationalrates in Wien. Auch
       inhaltlich war die kaum zwölfminütige Ansprache auf Österreich
       zugeschnitten. Ein Land, das großen Wert auf seine Neutralität legt,
       politisch aber klar auf der Seite des Opfers der russischen Aggression
       steht.
       
       Mehrheitlich zumindest. Denn die gesamte Fraktion der FPÖ, angeführt von
       Parteichef Herbert Kickl, verließ vor der Rede das Plenum. Auf ihren Pulten
       hinterließen die Abgeordneten Täfelchen mit der Aufschrift „Platz für
       Neutralität“ und „Platz für Frieden“. Die Rechtspartei hatte ein Jahr lang
       den Auftritt Selenskis verhindert. Sie tritt auch bei jeder Gelegenheit
       gegen EU-Sanktionen gegen Russland auf und fordert einen
       Verhandlungsfrieden. Ein Freundschafts- und Kooperationsvertrag verbindet
       sie mit der Putin-Partei Einiges Russland.
       
       „Wenn man in einem Jahr 30 prorussische Anträge hier einbringt,“ so
       kritisierte SPÖ-Fraktionsführer Jörg Leichtfried, „ist das weder ein Signal
       für Frieden noch ein Signal für Neutralität.“
       
       ## Mit Minen und Geschossen verseucht
       
       Für sofortige Verhandlungen trat auch das von der antiimperialistischen
       Koordination angeführte Soziale Bündnis für Frieden und Neutralität auf,
       das um die hundert Personen vor dem Parlament versammelte. „Krieg stoppen.
       Für eine neutrale Ukraine. Frieden mit Russland“, stand auf dem größten
       Transparent. #
       
       Neben österreichischen und einer ukrainischen Flagge mit der anklagenden
       Aufschrift „Nie wieder Faschismus“ war auch die Fahne der Russischen
       Föderation zu sehen. Der Protest richtete sich gegen Österreichs einseitige
       Parteinahme für eine Kriegspartei, wie einer der Veranstalter erklärte.
       
       Selenski bedankte sich bei Österreich für die humanitäre Unterstützung,
       speziell bei den Städten Wien, Graz und Linz, in deren Krankenhäusern das
       Leben von Ukrainern mit schweren Verbrennungen gerettet worden sei. 174.000
       Quadratkilometer – mehr als die doppelte Fläche Österreichs – seien in der
       Ukraine durch Minen und nicht detonierte Geschosse kontaminiert, schilderte
       der Präsident.
       
       „Es gibt auch Stolperdraht, Sprengfallen, die eigens zurückgelassen wurden
       in Häusern normaler Menschen. Eine Handgranate wurde mit einem
       Plastikbecher getarnt.“ In den zurückeroberten Gebieten hätten russische
       Soldaten auch in Waschmaschinen, Küchenschränken und Klavieren Granaten
       versteckt.
       
       ## Auch Selenski will Frieden
       
       Frieden wünscht sich auch Selenski, der auf seinen Zehnpunkteplan vom
       vergangenen Herbst verwies. Die Ukraine habe sich nie für fremde Gebiete
       interessiert. „Wir möchten Freiheit und Glück für unsere Kinder.“ In
       Einklang mit der UNO-Charta heiße es „diese wahnsinnige Aggression zu
       stoppen und die Ukraine von dem russischen Bösen zu befreien.“
       
       Außer in Ungarn, wo der Putin-Freund Viktor Orbán regiert, und Bulgarien,
       wo prorussische Kräfte eine Einladung verhindern, hat Selenski jetzt in
       allen Parlamenten der EU eine Rede gehalten.
       
       30 Mar 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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