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       # taz.de -- Hamburger Antrag zum Containern gescheitert: Keine Einigung auf Straflosigkeit
       
       > Anna Gallina, Hamburgs Justizsenatorin, wollte Containern teilweise
       > entkriminalisieren. Nun ist sie bei den anderen Ländern abgeblitzt.
       
   IMG Bild: Bislang ist Containern als Diebstahl strafbar
       
       FREIBURG taz | Die Bundesländer konnten sich nicht darauf einigen,
       Strafverfahren bei leichten Fällen des Containerns regelmäßig einzustellen.
       Im zuständigen Länderausschuss kam keine Einstimmigkeit zustande. Damit ist
       auch ein Vorstoß von Justizminister Marco Buschmann (FDP) und
       [1][Agrarminister Cem Özdemir (Grüne)] gescheitert, die eine derartige
       Länder-Lösung empfohlen hatten.
       
       Als Containern bezeichnet man die Entnahme von Lebensmitteln aus den
       Abfallcontainern der Supermärkte. Manche Aktivisten sprechen auch von
       „Lebensmittelrettung“. Bisher ist Containern als Diebstahl strafbar.
       
       Hamburgs grüne Justizsenatorin Anna Gallina hatte schon vor zwei Jahren
       vorgeschlagen, dass Staatsanwaltschaften derartige Strafverfahren jeweils
       wegen Geringfügigkeit einstellen sollen – wenn bei der Wegnahme einerseits
       keine Sachbeschädigung und kein größerer Hausfriedensbruch stattfand und
       andererseits der Verzehr der Lebensmittel „keine Gesundheitsgefahren“
       auslöste.
       
       Dies sollte bundeseinheitlich in den „Richtlinien für das Strafverfahren
       und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV) verankert werden, so der Hamburger
       Antrag. Die RiStBV ist eine gemeinsame Verwaltungsvorschrift der Länder,
       die für die Staatsanwaltschaften verbindlich ist.
       
       ## Abstimmungsergebnis nicht öffentlich
       
       Die Minister Buschmann und Özdemir [2][haben den Hamburger Vorstoß im
       Januar ausdrücklich unterstützt]: „Der Antrag bietet aus unserer Sicht eine
       erwägenswerte Lösung auf Ebene des Verfahrensrechts“. Die Unterstützung
       hatte für sie den Vorteil, dass sie nicht selbst aktiv werden mussten.
       
       Die RiStBV-Richtlinien werden von einem Ländergremium beschlossen, dem
       sogenannten RiStBV-Ausschuss. Dieser diskutierte den Hamburger Antrag Mitte
       Februar und setzte den Ländern dann eine Frist für schriftliche
       Stellungnahmen bis Mitte März. Das federführende Land Hessen gab nun
       bekannt, dass die erforderliche Einstimmigkeit für die Änderung der RiStBV
       nicht zustandekam. Wieviele Länder gegen den Hamburger Antrag stimmten,
       könne nicht mitgeteilt werden, der Ausschuss mache seine
       Abstimmungs-Ergebnisse nie öffentlich.
       
       Hessen Justizminister Roman Poseck (CDU) sagte: „Der Ball liegt nun wieder
       beim Bund. Dieser sollte seiner Verantwortung gerecht werden und als
       zuständiger Gesetzgeber eine einheitliche Handhabung des Strafrechts
       sicherstellen.“ Tatsächlich kann nur der Bundestag das Strafgesetzbuch
       ändern. Poseck würde eine teilweise Entkriminalisierung begrüßen: „Die
       Frage, ob Fälle des einfachen ‚Containerns‘ strafwürdig sind, ist
       berechtigt.“
       
       Der zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ließ ausrichten,
       er habe das Scheitern des Hamburger Antrags „zur Kenntnis genommen“. Eine
       Initiative für eine Beschränkung des Diebstahls-Paragrafen im
       Strafgesetzbuch ist derzeit nicht geplant. Das Ministerium verweist nur
       vage auf die geplante Modernisierung des Strafrechts, bei der etwa die
       Strafbarkeit des Schwarzfahrens geprüft werden soll.
       
       Das Scheitern des Hamburger Vorschlags ist vermutlich kein großer
       [3][Rückschlag für die Bewegung der Lebensmittelretter]. Fälle ohne
       Überwindung von Mauern und Zäunen und ohne Aufbrechen von Schlössern sind
       wohl eher die Ausnahme. Außerdem werden solche Fälle des einfachen
       Containerns heute schon in den meisten Bundesländern eingestellt.
       
       1 Apr 2023
       
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