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       # taz.de -- Streit um Sprache der Verwaltung: Hamburgs FDP laviert beim Gendern
       
       > Der Landesparteitag der Liberalen lehnt die Anti-Gender-Volksinitiative
       > ab, aber unterstützt deren Kernforderung nach amtlicher Rechtschreibung.
       
   IMG Bild: Sorge um die Schreibfähigkeit ihrer Kinder: Die neue FDP-Landeschefin Sonja Jacobsen
       
       Hamburg taz | Mit einer Art „Jein“ hat sich die Hamburger FDP am Wochenende
       zur [1][umstrittenen Volksinitiative] „Schluss mit Gendersprache in Bildung
       und Verwaltung“ positioniert. „Die FDP Hamburg unterstützt die
       Volksinitiative für ein Genderverbot nicht“, lautet der erste Satz des
       Antrags, der auf ihrem [2][Parteitag im Haus der Kassenärtzlichen
       Vereinigung] beschlossen wurde. Denn deren „homo-, bi- und transfeindliche
       Aussagen“ und ihr „konservativer Kulturkampf“ stünden der Idee des
       Liberalismus entgegen.
       
       Doch zugleich fordert die kleine Partei, die aktuell nur mit zwei
       Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten ist, eine „genderneutrale
       Sprache – ohne Sternchen, Strich und Doppelpunkt“. Der mehrseitige
       Beschluss arbeitet sich an eben jenen Empfehlungen für „gendersensible
       Sprache“des rot-grünen Senats von 2021 ab, die auch für die Volksinitiative
       Stein des Anstoßes sind.
       
       Der Senat wolle Sensibilität für Sprache erzeugen, sei aber in seinem
       Vorgehen „völlig unsensibel“, kritisieren die Freidemokraten. Sprache lasse
       sich nicht „von oben“ verordnen. Viele Menschen fremdelten mit derartigen
       Richtlinien. Erwachsenen mit geringerer Literalität – also nicht so guter
       Lese- und Schreibfähigkeit – würden Verständnisschwierigkeiten zugemutet.
       Deshalb fordert die Partei von allen öffentlich-rechtlichen Institutionen
       die „Anwendung der amtlichen deutschen Rechtschreibung“.
       
       ## Nicht beim Genden verkämpfen
       
       „Ich glaube, wir müssen erst an der Wirklichkeit arbeiten und nicht an
       deren Benennung“, erläutert die frisch gewählte Landesvorsitzende Sonja
       Jacobsen die Linie. Statt sich beim Gendern zu verkämpfen, sollten die
       Menschen sich auf das besinnen, wo sie einig sind. „Dazu gehört, dass wir
       Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die sich jenseits
       der binären Sexualität verorten, auch in Verantwortungshierarchien abbilden
       wollen“.
       
       Die 51-jährige Fernsehjournalistin wurde am Samstag zur Nachfolgerin von
       [3][Michael Kruse] gewählt, der nach Querelen mit den Jungliberalen nicht
       wieder antrat. „Privat sollte jeder reden, wie er möchte“, sagt Jacobsen.
       Das gelte aber nicht für Bildung und Verwaltung. Wenn, wie in Hamburg, eine
       „Empfehlung“ zum Sprachgebrauch „von oben“ komme, stelle sich die Frage der
       Freiwilligkeit. „Ich erlebe, dass selbst der studierte Referent nicht mehr
       weiß, wie er sprechen soll und das Wort ‚Fahrradfahrende‘ noch mal
       gendert.“ SPD und Grüne hätten mit ihren Empfehlungen einen Kompromiss
       gewählt, der eine „Mogelpackung“ sei. Auch als Mutter von zwei Schulkindern
       finde sie es schwierig zu sagen, „schreibt, wie ihr wollt“.
       
       Gefragt, ob dies nicht doch Rückenwind für jene Volksinitiative sei, sagt
       Sonja Jacobsen, diese lehne sie ab, trotz der Schnittmengen. Sie finde es
       sehr kritisch, dass die [4][Hamburger CDU diese unterstützt].
       
       ## Initiative sammelt übers „Soll“ hinaus
       
       Wie berichtet, war die Volksinitiative stark [5][in Kritik geraten],
       nachdem die Sprecherin Sabine Mertens im Hamburger Abendblatt mit dem Satz
       zitiert wurde: „Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch und trans werden
       sollen, dann ist die Evolution am Ende.“ Gegenüber der taz nennt Mertens
       diesen Satz eine „zynische Zuspitzung“, die als Einzelaussage ohne Kontext
       einfach „Quatsch“ sei. „Ich finde es sehr bedauerlich, dass diese Aussage
       so missverstanden wurde. Anstatt so was zu skandalisieren, könnte man
       nachfragen: ,Wie meinst du das?'“
       
       Der [6][Volksinitiative] gehe es um die Gemeinschaftssprache und um
       sprachliche Verständigung, nicht darum, Rechte von Minderheiten zu
       beschränken, versichert sie. Es gehe auch nicht darum, den privaten
       Gebrauch der Gendersprache zu verbieten, sondern darum, dass in Verwaltung
       und Bildung das Regelwerk des „Rats für deutsche Rechtschreibung“
       eingehalten wird.
       
       Die Initiative benötigt bis zum 7. August 10.000 Unterschriften. „Aktuell
       sammeln wir über das Soll hinaus, um uns der breiten Unterstützung für die
       nächste Phase zu versichern“, sagt Mertens. Voraussichtlich im Juni 2024
       müsste die Initiative 66.000 Unterschriften in drei Wochen sammeln, um ein
       rechtlich bindendes [7][Volksbegehren] in Gang zu setzen.
       
       In einer früheren Version hieß es, die FDP sei mit nur einer Abgeordneten
       in der Hamburger Bürgerschaft vertreten. Tatsächlich sind es es zwei, seit
       der Abgeordnete Sami Musa von der SPD zur FDP gewechselt ist.
       
       2 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Angst-vor-Sprachvorschriften/!5903815
   DIR [2] https://fdphamburg.de/118-landesparteitag
   DIR [3] /Hamburgs-FDP-in-schwerer-See/!5846699
   DIR [4] https://cduhamburg.de/unterschriftensammlung-fuer-volksinitiative-schluss-mit-gendersprache-in-verwaltung-und-bildung-startet-heute/
   DIR [5] /Hamburger-Anti-Gender-Volksinitiative/!5916175
   DIR [6] https://vds-ev.de/aktionen/aufrufe/hamburger-volksinitiative-schluss-mit-gendersprache-in-verwaltung-und-bildung/
   DIR [7] https://www.hamburgische-buergerschaft.de/volksgesetzgebung/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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