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       # taz.de -- Abregelung von Biogasanlagen: Wenn der Wind weht, fackelt Biogas
       
       > Der Ausbau des Stromnetzes in Deutschland hält nicht mit der Energiewende
       > Schritt. Besonders für Betreiber von Biogas-Anlagen hat das Folgen.
       
   IMG Bild: Eine Biogasanlage im niedersächsischen Eilringen
       
       Freiburg taz | Landwirt Jens Soeken zählt die Stunden. Zum Beispiel im
       Januar: Insgesamt 213 Stunden musste der Bauer aus Großefehn in
       Ostfriesland die Biogasanlage abschalten, mit der er Strom und Wärme
       liefert. Das ist fast ein Drittel des Monats. Es lag nicht daran, dass
       Soeken die nötige Biomasse – zum Beispiel Pflanzen, Biomüll oder Gülle –
       ausgegangen wäre, durch deren Vergärung das Gas entsteht. Stattdessen wurde
       er abgeregelt. So heißt es, wenn der Netzbetreiber den Betreiber eines
       Kraftwerks zum Abschalten zwingt, um eine Überlastung der Stromnetze zu
       verhindern.
       
       Deren [1][Ausbau hält mit der Energiewende nicht Schritt]. Gerade in
       Norddeutschland ist wegen des erfolgreichen Windradbaus oft zu viel Strom
       da, um ihn über das Netz dorthin zu leiten, wo er verbraucht werden könnte.
       So wie Soeken geht es deshalb vielen Landwirten. Ihre Biogasanlagen werden
       abgeregelt. In Niedersachsen seien besonders die Regionen Ostfriesland,
       Rotenburg/Wümme und quasi alle Landkreise auf der Achse
       Bremen-Hannover-Hildesheim-Braunschweig sowie alle Küstenregionen
       betroffen, heißt es beim Landesverband Erneuerbare Energien
       Niedersachsen/Bremen (LEE).
       
       „So schlimm wie seit Mitte Dezember war es noch nie“, sagt Soeken. Früher
       habe seine Anlage nur bei Sturm vom Netz gehen müssen, heute geschehe das
       oft schon bei nur mäßigem Wind.
       
       Praktisch heißt das: Soeken bekommt Einnahmeverluste zwar ersetzt, in
       seiner Anlage entsteht unterdessen aber weiter Gas. Irgendwann ist der
       Speicher voll. Dann muss der Bauer das Gas ungenutzt abfackeln. Besonders
       bitter: Soeken liefert mit seinem Biogas-Kraftwerk nicht nur Strom, er
       versorgt auch einige Nachbarn mit Wärme. Schaltet der Netzbetreiber Soekens
       Anlage wegen Netzengpässen ab, kann der auch keine Wärme mehr liefern.
       „Dann müssen meine Nachbarn ihre fossil befeuerten Heizungen einschalten,
       während ich das Biogas abfackle“, sagt der Landwirt.
       
       ## Zu viele Regelungen
       
       Grundsätzlich wäre es zwar möglich, das Biogas in Zeiten von
       Stromüberschuss [2][zur alleinigen Wärmeerzeugung] zu nutzen. Doch eine
       solche technische Aufrüstung der Anlage werfe so viele Genehmigungsfragen
       auf, dass jeder Landwirt davon die Finger lasse, sagt Soeken.
       
       Die Bundesnetzagentur gibt in ihrem [3][Monitoringbericht für 2021] eine
       abgeregelte Biogas-Strommenge von gut 72 Millionen Kilowattstunden an.
       Diese Menge entfällt praktisch vollständig auf Schleswig-Holstein und
       Niedersachsen. Fast drei Viertel des Ausfalls sind der Behörde zufolge
       durch Engpässe im Übertragungsnetz verursacht, das sind die großen
       überregionalen Stromleitungen. Der Rest kommt durch nicht ausreichende
       Verteilnetze, die direkt zum Endverbraucher führen.
       
       Das Problem verschärft sich: „In letzter Zeit häufen sich in Niedersachsen
       auch Abregelungen über 80 Stunden hinaus“, sagt Joost Kuhlenkamp, Referent
       für Bioenergie und Wärme beim LEE Niedersachsen/Bremen. Kein Landwirt könne
       für eine derart lange Abschaltung einen Speicher vorhalten. Üblicherweise
       werden die Speicher so dimensioniert, dass die Landwirte ihre
       Stromerzeugung im Tagesrhythmus auf jene Stunden verschieben können, in
       denen der Strom am meisten gebraucht wird. Das ist auch für die Betreiber
       wirtschaftlich attraktiv, weil sie in den Stunden der Knappheit am
       Strommarkt höhere Erlöse erzielen.
       
       Der Fachverband Biogas hat nun eine veränderte Abschaltreihenfolge
       vorgeschlagen. Die Lobbygruppe will Anlagen bevorzugen, die neben Strom
       auch Wärme liefern. Das hätte dann zur Folge, dass Windräder gegenüber
       manchen Biogasanlagen das Nachsehen hätten.
       
       4 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zu-langsamer-Ausbau-der-Stromnetze/!5902431
   DIR [2] /Stockende-Energiewende/!5918299
   DIR [3] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Mediathek/Monitoringberichte/Monitoringbericht_Energie2021.pdf?__blob=publicationFile&v=6
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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