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       # taz.de -- Posse um Göttinger Uni-Vizepräsidenten: Ein Rücktritt, der keiner ist
       
       > Die Uni-Leitung behauptet, Vizepräsident Norbert Lossau sei
       > zurückgetreten. Der aber widerspricht. Die Hintergründe sind unklar.
       
   IMG Bild: Ein weiteres Mal gibt es Querelen in der Führungsetage der Uni Göttingen
       
       Göttingen taz | Eine Posse um den langjährigen Vizepräsidenten der
       Universität Göttingen, Norbert Lossau, beschäftigt seit gut einer Woche
       lokale Medien und die Öffentlichkeit. Während die Uni-Leitung behauptet,
       Lossau sei von seinem Amt zurückgetreten, widerspricht dieser. Die
       Hintergründe des Vorgangs liegen im Dunkeln.
       
       Am Vormittag des 11. April teilte [1][Hochschulpräsident Metin Tolan] den
       Mitgliedern des Senats per Mail mit, dass Lossau zurückgetreten sei. Er
       danke Lossau für seine langjährige Tätigkeit und beendete die Nachricht mit
       der Aufforderung: „Bitte wenden Sie sich mit allen Fragen, die sich aus
       dieser Veränderung in der Universitätsleitung für Sie ergeben, gern an
       mich.“
       
       Wenige Stunden später meldete sich der angeblich Zurückgetretene mit einer
       eigenen Mail an diverse Hochschulgremien. Zur Nachricht des Präsidenten sei
       „aus meiner Sicht festzuhalten, dass ich zu keinem Zeitpunkt von meinem Amt
       als Hauptamtlicher Vizepräsident zurückgetreten bin“. Gleichwohl, erklärte
       Lossau, wolle er sein Amt ruhen lassen, da dies der ausdrückliche Wunsch
       des Präsidenten sei „und ich auf mein Angebot … zur einstweiligen
       Weiterführung der Präsidiumsaufgaben keine Antwort des Präsidenten erhalten
       habe“.
       
       Die Pressestelle der Hochschule wiederum bestätigte am folgenden Tag auf
       Anfrage den Rücktritt Lossaus. Gründe dafür nannte sie nicht. Die
       Universität kommentiere Personalangelegenheiten grundsätzlich nicht, hieß
       es. Lossau, Jahrgang 1962, war – oder ist, je nach Sichtweise – seit 2013
       hauptamtlicher Vizepräsident der Uni, er war für Digitalisierung und
       Infrastrukturen zuständig. Seine Amtszeit würde regulär bis 2027 gehen.
       
       ## Digital ist der Vizepräsident schon getilgt
       
       Von der Homepage der Universität ist [2][Lossau inzwischen entfernt
       worden]. Seine bisherige Position „Vizepräsident*in für Digitalisierung und
       Infrastrukturen“ ist mit N.N. angegeben. Dem Vernehmen nach soll Valérie
       Schüller, eine der verbliebenen vier Vizepräsident:innen, das Amt
       kommissarisch übernehmen. Auch Lossaus E-Mail-Adresse an der Uni ist nicht
       mehr erreichbar.
       
       Der Göttinger Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) will sich nach
       eigenem Bekunden nicht an Spekulationen über die Hintergründe von Lossaus
       Rücktritt oder Nicht-Rücktritt beteiligen. Gleichzeitig mahnt die
       Studierendenvertretung, die Universität dürfe infolge des
       Personal-Wirrwarrs keine wichtigen Ziele [3][wie etwa den Klimaschutz] aus
       den Augen verlieren.
       
       „Uns beschäftigt derzeit vor allem die Frage, welche Auswirkungen die
       aktuellen Vorkommnisse auf die Ziele der klimaneutralen Universität bis
       2030 haben“, sagt die Asta-Vorsitzende Ann-Julie Blume von der Grünen
       Hochschulgruppe (GHG). Der Themenbereich Klimaneutralität und insbesondere
       Fragen der Bau- und Sanierungsvorhaben sowie der Energieversorgung durch
       erneuerbare Energien hätten schließlich im Verantwortungsbereich Lossaus
       als Vizepräsident für Digitalisierung und Infrastrukturen gelegen. Der Asta
       befürchte nun, dass diese Themenfelder ohne verantwortlichen
       Vizepräsidenten nur vertretungsweise bearbeitet würden. Uni-Präsident Tolan
       sei jetzt gefordert, schnellstmöglich eine Lösung zu finden.
       
       ## Nicht zum ersten Mal Ärger um die Leitung
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass die Göttinger Universität mit Querelen
       rund um die Führungsebene Schlagzeilen macht. 2018 war die Hochschule im
       Exzellenz-Wettbewerb zum zweiten Mal in Folge gescheitert. Die damals
       amtierende Präsidentin Ulrike Beisiegel kündigte daraufhin ihren
       vorzeitigen Rückzug für Anfang 2020 an. Eine Findungskommission machte sich
       auf die Suche nach einem Nachfolger, beraten wurde sie von dem Lüneburger
       Universitätspräsidenten Sascha Spoun. Doch dann blieb der Berater
       überraschend der einzige Kandidat – und wurde einstimmig gewählt.
       
       [4][Fast 100 Göttinger Professorinnen und Professoren protestierten] gegen
       das ihrer Ansicht nach intransparente Verfahren und forderten – vergeblich
       – eine universitätsöffentliche Anhörung. Spoun habe sich als Berater durch
       interne Einsichten einen Vorteil bei seiner Kandidatur verschafft. Er sei
       zudem nicht, wie in der Ausschreibung verlangt, „ein international
       ausgewiesener Wissenschaftler“, sondern „forschungsfern“. Er habe lediglich
       eine Gastprofessur inne und sei auch als Hochschulmanager „höchst
       umstritten“. Spoun selbst zog daraufhin seine Bewerbung wieder zurück und
       blieb in Lüneburg. Im neu aufgerollten Verfahren wurde schließlich der
       Physik-Professor Tolan Präsident.
       
       Tolan galt bei seiner Wahl als begnadeter Kommunikator. Er schrieb neben
       seiner Forschung populärwissenschaftliche Sachbücher und hielt
       humoristische Vorträge unter anderem zur Physik des Fußballs oder der
       Physik bei James Bond. Nun steht er selbst im Mittelpunkt einer
       Kommunikationskrise.
       
       20 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neuer-Praesident-der-Uni-Goettingen/!5743543
   DIR [2] https://www.uni-goettingen.de/de/894.html
   DIR [3] /Studis-besetzen-Hoersaal-in-Goettingen/!5887104
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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