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       # taz.de -- Neuordnung im Dortmund- „Tatort“: Erzählstränge für alle
       
       > Nach seiner Auszeit wirkt Kommissar Faber noch grauer. Dann gibt es erst
       > einen, dann noch einen Toten und schließlich einen Zeugen im Wachkoma.
       
   IMG Bild: Faber ist wieder da, wie üblich trägt er seine Parka-Uniform
       
       Faber ist wieder da. Also fast. Ein bisschen. Wie üblich trägt er seine
       Parka-Uniform, der Wallebart und die Zauselfrisur der vorigen Dortmunder
       „Tatort“-Folge sind aber ab. Er wirkt ruhiger, vielleicht nur egaler als
       früher, vor seiner Auszeit, [1][und grauer]; obwohl das bei den gewohnt
       düsteren Filmfarben jener Filiale auch nur so scheinen mag.
       
       Er ist also wieder da. „Tut mir leid, dass ich Ihren Feierabend störe“,
       sagt Hauptkommissar-Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger), als sie
       sich nachts an einem Tatort treffen – „Sehe ich so aus als könnte ich nicht
       mehr arbeiten?“, Faber (Jörg Hartmann) winkt ab.
       
       Der Film beginnt in einer Straßenbahn, nachts, Endstation, einer ist sitzen
       geblieben, der Fahrer will Feierabend machen, also schaut er nach – da
       steht der Mann auf: Fünf Messerstiche, und Hamza Arkadaş ist tot. Der Täter
       dreht sich um, schaut in die Überwachungskamera der Bahn, zeigt auf sein
       Auge, darunter eine Tätowierung, eine Träne.
       
       Kurz darauf noch ein Toter, ein Barbesitzer, Lars Ramme. Wieder hält der
       Täter sein Gesicht in die Überwachungskamera, wieder zeigt er auf sein
       Auge. Es ist derselbe Mann.
       
       ## Ein Sportunfall, heißt es
       
       Die beiden Opfer sind im gleichen Viertel aufgewachsen, wer der Typ mit der
       Träne ist, tja, Herzog, Faber, Pawlak (Rick Okon) haben keine Ahnung, trotz
       Hilfe von der Kollegin mit Super-duper-Gesichtserkennungsbegabung (Sar*
       Adina Scheer), die sämtliche Überwachungsvideos der Stadt scannt.
       
       Sie finden aber noch einen Mann aus dem Umfeld der Toten: Tom, er liegt im
       Pflegeheim, Wachkoma. Ein Sportunfall, heißt es; nach 45 Minuten fällt der
       Begriff „autoerotischer Unfall“, so steht’s in den alten Akten, aber so
       richtig ermittelt hat damals offenbar keiner. Das Team recherchiert dem
       alten Fall hinterher, mit Tatortbegehung, dem damaligen Ermittler und allem
       Pipapo. Ums abzukürzen: Der Unfall, die beiden Morde, es war alles anders,
       logo, Auflösung erst im Grande Finale, „Love is Pain“, so der Folgentitel,
       der in seiner Einfallslosigkeit auf 80 Prozent aller Sonntagskrimis passt,
       ach na ja.
       
       Viel interessanter ist, dass dieser Film (Regie: Sabine Bernardi, Buch: Bob
       Konrad und Hanno Hackfort) etwas Übergeordnetes erzählt: Denn die
       Dortmunder Figurenkonstellation ist in Bewegung. Diese Folge wirft alle
       Bälle in die Luft, auf dass sie irgendwann irgendwo irgendwie landen – und
       neue Muster bilden. Lauter alte Storys tauchen auf, alle aus dem Team haben
       ihren Erzählstrang, ihre Momente im Licht.
       
       Da ist Rosa und ihre RAF-Mutter, Jan Pawlak kämpft gegen seine
       Schwiegermutter um das Sorgerecht für seine Tochter, inklusive
       Gerichtsverhandlung und Anzeige wegen Kindeswohlgefährdung, Faber sucht
       einen Pflegeplatz für seinen Vater, den hat er erst in der vorigen Folge
       nach Jahren wiedergetroffen, und ach, professionelle Krankenhausbetten für
       zu Hause sind ganz schön teuer.
       
       Sie alle bekommen also ihre Sendezeit im knappen 90-Minüter, weil es
       dahinter um etwas anderes geht: um eine klaffende Lücke und den Versuch,
       sie zu füllen. Und damit um eine Neuordnung der Dinge. Es geht um die
       Leitung der Dienststelle. Faber ist nach dem Tod seiner Stellvertreterin
       Martina Bönisch ja erst jetzt zurück; als er weg war, war Herzog
       kommissarisch eingesprungen. Es geht um nichts weniger als die Frage, wer
       wem was zu sagen hat in diesem kantigen Team. Genauer: Wer macht, was
       andere sagen. Faber, er ist wieder da. Und jetzt?
       
       23 Apr 2023
       
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