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       # taz.de -- Döpfners Einfluss auf die Pressefreiheit: Please Stärke die Unabhängigkeit
       
       > Die politische Unabhängigkeit der Medien wird diskutiert. Wer glaubt, es
       > gäbe keine freie Presse, fällt auf eine Erzählung der Rechten herein.
       
   IMG Bild: Döpfner vor seiner Produktpalette
       
       Was denn die Aufregung solle, fragen manche, sie finden das Theater um
       Mathias Döpfner übertrieben, um nicht zu sagen verlogen. Hätten nicht alle
       ZeitungsmacherInnen in Führungspositionen eine politische Agenda? Private
       Medienhäuser hätten doch alle eine Linie.
       
       So sei etwa die taz ein Blatt, das mit seiner politischen Position geradezu
       hausieren gehe, ja, es sei ihr Geschäftsmodell, links und ökologisch zu
       sein und demzufolge linke und ökologische Regierungen herbeischreiben zu
       wollen. Wo sei da der Unterschied zu Döpfner, wenn nur das politische
       Vorzeichen umgedreht werde? [1][So fragte diese Woche auch die Autorin Nora
       Bossong in der taz.]
       
       Döpfner, Miteigentümer und langjähriger Vorstandsvorsitzender des
       Axel-Springer-Verlags, hat in Nachrichten an leitende Mitarbeiter der Bild
       geschrieben, sie sollten zusehen, dass man die FDP so stark wie möglich
       mache: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel
       so autoritär auftreten dass die platzt“, schrieb Döpfner zwei Tage vor der
       Bundestagswahl an Bild-Chef Julian Reichelt.
       
       Im Übrigen sei er „sehr für Klimawandel“, Ossis seien alle „entweder
       Kommunisten oder faschisten“, und Muslime gehörten in die Kategorie
       „Gesochs“. Den vollständigen Wortlaut dieser und anderer Nachrichten in all
       ihrer besoffenen Rechtschreibung und bekoksten Zuspitzung veröffentlichte
       jüngst die Zeit. Für die Ossi-Aussagen hat sich Döpfner [2][seither
       viertelherzig entschuldigt.]
       
       ## Wahrheitssuche vom Geldverdienen trennen
       
       Nun müssen publizistische LaiInnen nicht unbedingt zwischen einem Verleger
       und einer Chefredakteurin unterscheiden können. Dass dem einen die Zeitung
       gehört, weshalb er primär wirtschaftliche Interessen verfolgen wird, und
       die andere vor allem journalistische Ziele zu verfolgen hat – Aufklärung,
       unabhängige Urteilsfindung und dergleichen –, dass die Wahrheitssuche
       besser vom Geldverdienen abgetrennt gehört: Das gehört zum Ethos des
       Journalismus. Dass [3][diese Unterscheidung in der deutschen Presserealität
       nicht immer klappt, gehört natürlich auch zur Wahrheit.]
       
       Man denke an die Berliner Zeitung, deren Redaktion ein Klagelied davon
       singen kann, wie das ist, wenn ein Eigentümer unbedingt mitschreiben will.
       Wie die Rollen als Verleger und Chefredakteur verschwimmen und sogar
       fusionieren können, zeigt auch Jakob Augstein beim geschätzten Freitag.
       
       Doch ist es ziemlich kess zu behaupten, auch jenseits von Springer würden
       in Zeitungen Linientreue und Parteilichkeit verordnet, schrieben
       Redaktionen fromm einer vorgegebenen Tageslosung entlang. Es ist dies sogar
       eine mutwillige Zerstörung des Vertrauens in den unabhängigen Journalismus.
       Ein Ball wird aufgefangen, den das „Querdenker“- und AfD-Milieu geworfen
       hat: alles dasselbe, alles ein Brei; freie Presse, das gibt’s gar nicht.
       
       Redaktionen sind Diskussionsräume 
       
       Drum sei hier – in dieser Schlichtheit fast ein wenig peinlich – einmal
       festgehalten: Redaktionen der unabhängigen Presse sind Diskussionsräume, in
       denen Leute sich ihre ganz eigenen Gedanken dazu machen, wie sich eine
       politische oder gesellschaftliche Debatte sinnvoll führen und fortsetzen
       lässt. Auf eine These folgt typischerweise sehr bald eine Gegenthese; wenn
       sich die Kollegin heute sehr weit aus dem Fenster hängt, wird es schon
       morgen jemanden geben, der ein anderes Fenster wählt.
       
       Nein, aus der Summe von Subjektivitäten ergibt sich keine Objektivität.
       Diskutiert wird in einer Redaktion meist innerhalb einer bestimmten
       politischen Bandbreite. So wird sich etwa bei der taz kaum jemand finden,
       der meint, für den Klimaschutz reiche es, auf die Kernfusion zu warten. Die
       meisten denken eher das Gegenteil. Es wird aber mit Sicherheit deshalb
       keine Partei systematisch, also vorgabe- oder absprachegemäß,
       hochgeschrieben, um unmittelbar Wahlergebnisse zu beeinflussen.
       
       Genau dies aber hat Mathias Döpfner – erfolgreich – verlangt. Und nicht nur
       das. Die Zeit-Recherche von vergangener Woche wurde diese Woche ergänzt
       durch eine Stern-Recherche, wonach es ein Startkredit der Hamburger
       Warburg-Bank war, der Döpfner seine inzwischen milliardenschwere
       Beteiligung am Springer-Konzern erst ermöglichte. Nach allem, was der Stern
       schreibt, sieht es so aus, als hätte sich Döpfner bei der Warburg-Bank
       dadurch bedankt, dass er die Cum-Ex-Steuerbetrugs-Geschäfte ebendieser Bank
       und ihres Chefs Christian Olearius seither in Springer-Blättern
       verniedlichen lässt. Natürlich bestreiten Bild und Welt den Zusammenhang.
       Der Geruch von journalistischer Korruption zieht hier aber schon recht
       stark in die Nase.
       
       Den Problemkomplex „überkandidelte Männer-Egos und der Umgang mit
       untergebenen Frauen bei Springer“ muss man also noch nicht einmal erwähnen
       – [4][vergleiche hierzu den neuen Roman des ehemaligen taz-Praktikanten
       Benjamin von Stuckrad-Barre] –, um eine Ahnung von den Wirkmächten in
       Mathias Döpfners Kosmos zu bekommen.
       
       Unbedingt aber sind die mehr oder minder überraschenden Nachrichten aus
       diesem Kosmos Anlass genug, strenger über journalistische Standards
       nachzudenken. Nur die Unterschiede zwischen Bild und seriösen Medien
       herauszustellen, reicht natürlich nicht. Subjektivität und persönliche
       Einflüsse, Fehlbarkeit, auch die Mühe, die es kostet, sich manchem
       Agendasetting zu entziehen – all das könnte eine unabhängige Presse noch
       stärker benennen, als sie es bereits gelernt hat.
       
       Wo Springer die Selbstprüfung den Anwälten überlässt, sollten andere –
       natürlich auch die taz – selbsttätig noch mehr als sowieso schon die
       eigenen Ansprüche dem Realitätscheck unterwerfen.
       
       21 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Springer-Enthuellungen/!5926113
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   DIR [3] /Enthuellung-ueber-Springer-Chef-Doepfner/!5924617
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       ## AUTOREN
       
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