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       # taz.de -- Anklage gegen Donald Trump: Trump trifft seinen Richter
       
       > Ex-US-Präsident Donald Trump sieht sich mit 34 Anklagepunkten
       > konfrontiert. Er bestreitet jede Schuld und poltert gegen Staatsanwalt
       > und Richter.
       
   IMG Bild: Donald Trump vor Gericht, Kameras durften bei der Anklageverlesung nicht dabei sein
       
       New York taz | In einem Raum, in dem vor ihm Mörder, Mafiosi und
       Drogendealer angeklagt worden sind, hat Donald Trump am Dienstag um 14.15
       Uhr Ostküstenzeit Platz zwischen seinen drei Anwälten genommen. Mit
       versteinerter Miene hört er zu, während er der „illegalen Verschwörung“
       angeklagt wird – mit dem Ziel, „die Integrität von Wahlen auszuhöhlen“.
       Trump wirkt kleiner als sonst. Und viel schweigsamer. Ein Reporter des New
       Yorker zählt, dass Trump während seiner 45 Minuten in dem Raum exakt neun
       Worte sagt. Darunter „Ja“, „Danke“, „Ich weiß“ und „Nicht schuldig“.
       
       Es ist das erste Mal in der 247-jährigen Geschichte der USA, dass ein
       ehemaliger Präsident angeklagt wird. Insgesamt werden ihm 34
       Straftatbestände vorgeworfen. Sie haben mit [1][Betrug und Fälschung] zu
       tun. Vor den Wahlen von 2016, bei denen er der 45. Präsident der USA wurde,
       soll er mindestens drei Leuten Geld gegeben haben, um zu verhindern, dass
       sie Details über Affären enthüllten, die er gehabt haben soll.
       
       Die Schweigegeldzahlungen selbst sind nicht illegal. Was sie in den Augen
       der New Yorker Justiz zu Straftaten macht, ist die Tatsache, dass Trump
       anschließend Dokumente gefälscht hat, um die Transaktionen zu verstecken.
       Damit habe er versucht, die „Integrität der Wahlen auszuhöhlen“, erklärt
       Anwalt Christopher Conroy vom Team des Staatsanwaltes im Gerichtssaal.
       
       In der Anklage „Das Volk von New York gegen Donald Trump“ ist von mehr
       Fällen die Rede als nur jenem der Pornodarstellerin [2][Stormy Daniels].
       Sie will eine Affäre mit Trump gehabt haben (was er bestreitet) und hat
       130.000 Dollar Schweigegeld bekommen (was er zugibt). Außer ihr hat die
       Staatsanwaltschaft auch das Model [3][Karen McDougal] in das Verfahren
       gebracht. Damit auch sie über ihre Affäre mit Trump schwieg, bekam sie
       150.000 Dollar. Der dritte im Bunde ist ein ehemaliger Türsteher von Trump.
       Er wollte über ein außereheliches Trump-Kind auspacken und bekam 30.000
       Dollar Schweigegeld.
       
       ## Reichlich Gelegenheit für Wahlkampf
       
       Beide Männer, die für das Zustandekommen der Anklage gegen den
       Ex-Präsidenten verantwortlich sind, gehören zu Minderheiten, die Trump
       immer wieder angefeindet hat. Der New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg, der
       die oft tot gesagten Ermittlungen in New York bis zu der Anklage geführt
       hat, ist Afroamerikaner. Richter Juan Merchan, der das Verfahren gegen
       Trump führt, ist als junger Mensch aus Kolumbien nach New York gekommen.
       
       Trump hat versucht, die Herkunft der beiden zu nutzen, um sie
       einzuschüchtern und zu diffamieren. In den Tagen bevor er sich am Dienstag
       der Justiz in New York stellt, für die Dauer seiner Anklage förmlich
       verhaftet wurde und die 13-seitige Auflistung der ihm vorgeworfenen
       Straftaten bekommt, veröffentlichte Trump unter anderem ein Posting auf
       seinen sozialen Medien, auf dem er mit einem Baseballschläger neben einem
       Foto von Bragg zu sehen ist. Abgesehen davon hat Trump dem Staatsanwalt
       vorgeworfen, er betreibe eine „Hexenjagd“. Er habe politische Motive. Und
       er sei von dem Investor [4][George Soros] ferngesteuert. Er hat ihm auch
       gedroht, seine Verhaftung könne zu „Tod und Zerstörung“ führen.
       
       Richter Merchan schlägt am Dienstag einen versöhnlichen Ton an. Mehrfach
       fragt er Trump, ob er verstanden habe. Der antwortet mit „Ja“. Der Richter
       erspart Trump auch die übliche erniedrigende Prozedur von Handschellen und
       erkennungsdienstlichen Fotos. Und er erteilt ihm weder einen Maulkorb für
       bestimmte Themen noch ein Reiseverbot. Allerdings mahnt der Richter den
       Angeklagten, er möge von einer Sprache absehen, die zu Gewalt anstiftet.
       Merchan formuliert das als Bitte. Aber er macht deutlich, dass er
       Zuwiderhandlungen ahnden könnte.
       
       Trump hat es jahrzehntelang geschafft, Anklagen zu entgehen. Wann immer ihm
       eine drohte, sei es wegen diskriminierenden Umgangs mit Mietern oder wegen
       betrügerischen Umgangs mit Geschäftspartnern, schickte er seine Anwälte los
       und arbeitete selbst mit Einschüchterungen, um Verfahren abzuwenden. Mit
       diesem Vorgehen ist er im Alter von 76 Jahren in New York zum ersten Mal
       gescheitert. Jetzt versucht er die Anklage in seine Kampagne für den
       Präsidentschaftswahlkampf für 2024 einzubauen. Das Gericht gibt ihm dazu
       reichlich Zeit und Gelegenheit. Der nächste Gerichtstermin für Trump ist
       erst Anfang Dezember. Bis dahin wird die Staatsanwaltschaft die
       Verteidigung mit ihren Unterlagen versorgen.
       
       ## Trump beleidigt alle am Verfahren Beteiligten
       
       Sollte Trump für schuldig befunden werden, drohen ihm im für ihn
       ungünstigsten Fall mehrere Jahre Gefängnis. Aber zu einem Prozess kann es
       frühestens Anfang nächsten Jahres kommen. Möglicherweise auch erst später,
       wenn der Präsidentschaftswahlkampf bereits in vollem Gang ist.
       
       Vor Gericht hat Trump seine drei Anwälte sprechen lassen und geschwiegen.
       Aber kaum ist die Anklageverlesung am Dienstag abgeschlossen, fliegt er
       nach Florida zurück. Am Abend hält er dort vor einem handverlesenen
       Publikum in seinem Golfclub in Mar-a-Lago [5][eine Rede, die von mehreren
       Medien live übertragen wird]. Sie gerät zu einer ersten Machtprobe von
       Trump mit Richter Merchan und zu einer aggressiven Kostprobe dessen, was
       Trump in den nächsten Monaten vorhat.
       
       Trump beginnt mit einer Beleidigung gegen die Frau, die er für
       verantwortlich hält. Er nennt Stormy Daniels ein „Pferdegesicht“. Dann
       verlangt er Anklagen sowohl gegen Präsident Joe Biden als auch gegen
       Ex-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Und hetzt gegen sämtliche
       Juristen, die sonst noch gegen ihn ermitteln.
       
       Den Sonderermittler des US-Justizministeriums, der seine Rolle bei dem
       gewalttätigen Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 und seine Mitnahme von
       Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus nach Mar-a-Lago untersucht, nennt er
       einen „Verrückten“. Auch für die Juristen in Atlanta, die seine Versuche
       untersuchen, das Wahlergebnis von 2020 zu fälschen, benutzt er diese
       Unflätigkeit. Auf dem aggressiven Höhepunkt seiner Rede bezeichnet Trump
       den New Yorker Staatsanwalt Bragg als „Kriminellen“. Und beschimpft den
       Richter Merchan als „höchst parteiisch“. Als würde das noch nicht genügen,
       bezeichnet der Angeklagte auch noch dessen Gattin als „Trumphasserin“ und
       dessen Tochter als „Mitarbeiterin von Kamala Harris“.
       
       5 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ex-Praesident-Donald-Trump/!5925313
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   DIR [3] /Trump-und-sexuelle-Belaestigung/!5491907
   DIR [4] https://www.nytimes.com/2023/04/04/us/politics/george-soros-bragg-trump.html?action=click&module=Well&pgtype=Homepage%C2%A7ion=US%20Politics
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=tuuwnO3pXSA&ab_channel=WFLANewsChannel8
       
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   DIR Dorothea Hahn
       
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