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       # taz.de -- Wolfsmonitoring in Niedersachsen: Mehr Räuber, weniger Risse
       
       > Obwohl es mehr Wölfe gibt, nehmen Übergriffe auf Weidetiere ab. Das
       > ergeben die neuen Zahlen der Landesjägerschaft in Niedersachsen.
       
   IMG Bild: Kann durchaus konfliktarm mit Menschen und Nutztieren koexistieren: Wolf in Niedersachsen
       
       Osnabrück taz | „Wolf“. Wenn in Niedersachsen dieses Wort fällt, läuten die
       Alarmglocken. [1][Polemisch wird es dann, populistisch]. Gefahren werden
       heraufbeschworen, Abschüsse werden gefordert, der Ruf nach einer
       Herabstufung des Schutzstatus wird laut.
       
       Nüchterne Nachrichten haben es dagegen oft schwer. Jüngstes Beispiel: Der
       Bericht der Landesjägerschaft Niedersachsen, Hannover, zum
       [2][Wolfsmonitoring im ersten Quartal 2023]. Was er vorrechnet, müsste die
       Wolfsriss-Debatte eigentlich beruhigen: Die Übergriffe von Wölfen auf
       Weidetiere haben abgenommen.
       
       Im ersten Quartal 2023 waren es nur 89, 2022 waren es im vierten Quartal
       128. Das ist ein Rückgang von über 30 Prozent. Dabei ist die Zahl der
       Wolfsterritorien in Niedersachsen gestiegen. Von 49 Ende 2022 auf 51 Ende
       des ersten Quartals 2023 – für 46 Wolfsrudel, drei Wolfspaare und zwei
       residente Einzeltiere. Das Monitoring soll helfen, eine „konfliktarme
       Koexistenz“ zu ermöglichen.
       
       Wildbiologe Frederik Eggers, Teamleiter Natur- und Umweltschutz des
       Naturschutzbundes (Nabu) in Hannover, sieht den Quartalsbericht auch als
       Bestätigung der Weidetierschutz-Arbeit des Nabu. Die findet nicht zuletzt
       im [3][Nabu-Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“] statt, das seit 2017 in
       Vor-Ort-Beratungen auf die „Erhaltung von Beweidung bei Wolfspräsenz“
       zielt, vom Elektrozaun bis zum Schutzhund. „Leider wird es in manchen
       Regionen noch nicht so gut angenommen, wie es sein müsste und sollte“, sagt
       Eggers der taz. „Aber das liegt vielleicht auch daran, dass es vom Nabu
       kommt. Manche Tierhalter haben da Vorbehalte.“
       
       ## Aufgeheizte Situation
       
       Auch das im Februar gestartete [4][Dialogforum „Weidetierhaltung und Wolf“]
       der Landesregierung zeigt, dass die Debatte seit der Landtagswahl 2022 an
       Sachlichkeit gewinnt, durch Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte
       (Grüne) und Umweltminister Christian Meyer (Grüne).
       
       Zuvor, unter dem aktivistischen Umweltminister Olaf Lies (SPD), war
       Niedersachsen bekannt dafür, für die nach internationalem, EU- und
       Bundesrecht streng geschützte Art [5][bereitwillig Abschussgenehmigungen zu
       erteilen] – wobei Jäger teils nicht die eigentlichen „Problemwölfe“ trafen,
       sondern Welpen. Viel Sinn hatte das nicht. Hauptsache, irgendein Wolf war
       tot. Im Forum kommen jetzt Naturschutzverbände und Landwirtschaft zusammen,
       Wissenschaft und Behörden. „Das hat sich wirklich zum Positiven verändert“,
       sagt Eggers.
       
       Dennoch ist die Situation weiterhin aufgeheizt. Ein besonders verstörender
       Beweis dafür ist [6][der abgetrennte Wolfskopf], der in der Nacht zum
       Karfreitag vor dem Eingang des Nabu-Artenschutzzentrums in Leiferde,
       Landkreis Gifhorn, drapiert wurde, mit einem Stock als Maulsperre und
       herausgeschnittener Zunge. 15.000 Euro Belohnung hat der Verein
       Wolfsschutz-Deutschland für Hinweise ausgesetzt, die den Fall aufklären.
       
       „Die Diskussion wird oft noch immer auf einem sehr unfaktischen Niveau
       geführt“, sagt Eggers. „Und oft trifft man auf taube Ohren.“ Das
       Wolfsmonitoring durch die Landesjägerschaft findet er hilfreich. „So
       gewinnen wir eine gute Datengrundlage für ein Management.“ Wolfssichtungen
       zu melden, sei wichtig für den Wolfsschutz.
       
       Gina Strampe, Geschäftsführerin der „[7][Interessengemeinschaft der
       Weidetierhalter Deutschland]“ (WNON) in Himbergen ist Teilnehmerin von
       „Weidetierhaltung und Wolf“. Sie hofft, dass das Forum rasch „klare Regeln“
       findet: „Irgendwann sind die Tage des Redens vorbei“, sagt sie der taz.
       „Dann muss gehandelt werden.“
       
       Die neuen Zahlen der Landesjägerschaft sind für sie kein positives Zeichen.
       „Das zeigt nur, dass Tierhalter Risse nicht mehr melden, weil sie fürchten,
       dass sie dann als unfähig angeprangert werden. Wenn nach Wolfsangriffen ein
       Zaun am Boden liegt, weil die Herde in Panik zu flüchten versucht und ihn
       dabei zu Fall bringt, ist danach ja nicht mehr nachzuvollziehen, ob er
       zuvor richtig aufgestellt war.“ Vielfach werde dann Kritik laut, von
       Besserwissern, die teils „echt krass“ seien und „alles keine Tierhalter“.
       Eine der Folgen sei: „Tierhalter geben stillschweigend auf.“
       
       Strampe ist für „aktive Regulierung“ des Wolfsbestandes. Niedersachsen
       vertrage keine zusätzlichen Wölfe. Über die Begrenzung auf 500 Tiere, die
       Olaf Lies einst vorgeschlagen hatte, könne man reden. „Wenn wir das machen,
       kommt vielleicht endlich Ruhe in die Diskussion“, sagt Strampe. „Und das
       ist dann nicht nur zum Wohl der Weidetierhalter, auch zum Wohl der Wölfe.“
       Ob ein Rudel, dem gerade die Kugeln um die Ohren fliegen, das ähnlich
       empfände?
       
       Die Herdenschutz-Beratung des Nabu hält Strampe „in der Intention für gut“.
       Aber im Grunde sei sie überflüssig. „Die Experten dafür sind ja eigentlich
       wir, die Tierhalter.“ Wenn Wölfe Weidetiere reißen, eine extreme Ausnahme
       bei ihrer Vorliebe für Reh und Wildschwein, hat der Halter jedoch oft eine
       Mitverantwortung. In mehr als 50 Prozent der Fälle, die die
       Landesjägerschaft für 2023 listet, sei, so der Nabu, „nachweislich kein
       ausreichender Grundschutz“ vorhanden gewesen.
       
       Es gelte jetzt, im Hannoveraner Dialogforum „auf Augenhöhe“ zu diskutieren,
       sagt Strampe. Das mag gelingen. Aber am Ende bleibt: Viele Weidetierhalter
       fordern Populationsreduzierung per Patrone. Das Washingtoner
       Artenschutzabkommen, die Berner Konvention, die
       Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und das Bundesnaturschutzgesetz? Anscheinend
       alles nicht so wichtig.
       
       24 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wolfsdebatte-in-Niedersachsen/!5899121
   DIR [2] https://www.wolfsmonitoring.com/newsartikel/news/bericht-fuer-das-i-quartal-2023
   DIR [3] https://niedersachsen.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/herdenschutz/index.html
   DIR [4] https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/pi-010-dialogforum-weidetierhaltung-wolf-219323.html
   DIR [5] /Gericht-stoppt-Jagd-in-Niedersachsen/!5888755
   DIR [6] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Abgetrennter-Wolfskopf-Minister-Meyer-verurteilt-Aktion,wolf4754.html
   DIR [7] https://www.wnon.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
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