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       # taz.de -- KPÖ gewinnt in Salzburg: Golfen für alle
       
       > In der Festspielstadt Salzburg wurden die Kommunisten mit 22 Prozent
       > gewählt. Wie haben sie das geschafft?
       
   IMG Bild: Im Grunde auch irgendwie kommunistisch: Mozartkugeln
       
       WIEN taz Salzburg verbinden die meisten mit Bourgeoisie, Frack & Roben,
       [1][mit Festspielen], Mozartkugeln, tief verwurzeltem Konservativismus, mit
       reichem Bürgertum auf der einen Seite, mit rustikaler, katholischer
       Ländlichkeit auf der anderen Seite. Und jetzt das.
       
       [2][Bei der Landtagswahl] am vergangenen Sonntag holten die Kommunisten im
       Bundesland Salzburg insgesamt knapp 12 Prozent, in der Stadt Salzburg rund
       22 Prozent der Stimmen. Ein beeindruckendes Wahlergebnis hatte sich schon
       abgezeichnet, aber damit hatte kaum jemand gerechnet. In der Stadt Salzburg
       [3][liegt die KPÖ] jetzt nur mehr hauchdünn hinter der konservativen
       Volkspartei und weit vor den Sozialdemokraten.
       
       Bei den Gemeinderatswahlen im kommenden Jahr könnte es der KP-Spitzenmann
       Kay-Michael Dankl zum Bürgermeister schaffen. Das wäre die zweite
       Landeshauptstadt mit KP-Mehrheit – in Graz regiert die dortige KP-Frau Elke
       Kahr seit eineinhalb Jahren mit einer rot-grün-roten Koalition. Das
       etablierte Kommentariat ist jetzt auf der Suche nach Beweggründen. Doch der
       Wahlerfolg ist kein undurchschaubares Mirakel.
       
       Zunächst gibt es in ganz Österreich einen tiefen Verdruss und eine gewisse
       Deprimiertheit mit dem hergebrachten politischen System, von dem bisher vor
       allem die rechtsextreme FPÖ profitierte. Der politische Mainstream kippte
       immer mehr nach rechts. Die Sozialdemokraten sind innerlich ausgezehrt und
       in diesem Augenblick in Querelen und einen Mitgliederentscheid über den
       Parteivorsitz verstrickt.
       
       Weite Teile der Bevölkerung, diejenigen, die sich als die „normalen,
       einfachen Leute“ verstehen, haben ganz simpel das Gefühl, dass sie sowieso
       keine Stimme haben. Das ist das Reservoir für den KPÖ-Erfolg. Aber das ist
       eine notwendige, doch keine hinreichende Bedingung.
       
       ## Typus „Lieblingsschwiegersohn“
       
       Wie immer hängt es auch von den Personen ab. Die KPÖ ist fast überall
       faktisch inexistent oder von poststalinistischen graugesichtigen
       Funktionären oder linken Sektierern geführt und damit chancenlos. In
       Salzburg baute aber eine Gruppe ehemaliger „Grüner“ um den einstigen
       Studentenfunktionär der Ökopartei die „KPÖ plus“ (KPÖ und Unabhängige) auf.
       
       Der 34-jährige Kay-Michael Dankl nahm politisch viele Anleihen bei den
       erfolgreichen Strategien der KPÖ in Graz, die als volksnahe
       „Kümmererpartei“ auftritt, sich vor allem des Themas „leistbares Wohnen“
       angenommen hat, die in Bürgersprechstunden ein offenes Ohr hat, jedermann
       und jederfrau Hilfe zukommen lässt und einen Teil ihrer Politikergehälter
       in Sozialfonds an die Ärmsten ausschüttet. Sie tritt auf wie eine
       volkstümlichere Version von Sozialdemokratie.
       
       In ihrem Aktivismus umsorgt sie besonders die unterprivilegierten
       Stadtteile, in denen es auch sehr viele Nichtwähler gibt. Als Person ist
       Dankl ein vernünftiger Erklärbär, höflich, charmant, bienenfleißig und in
       der Ausstrahlung das Gegenteil eines radikalen Heißsporns. Ein bisschen
       „Typus Lieblingsschwiegersohn,“ wie man das in Österreich gerne hat.
       
       Die eigentliche phänomenale Leistung von Dankl und seiner jungen Truppe war
       der Einzug in den Salzburger Gemeinderat quasi aus dem Nichts vor vier
       Jahren. Diesmal gab es sowieso schon breite Wahrnehmung und in den
       vergangenen Wochen medialen Rückenwind mit freundlicher Berichterstattung
       selbst am Boulevard.
       
       Seitdem vor einem Monat die KPÖ in Umfragen schon bei 5 bis 7 Prozent lag,
       waren alle Scheinwerfer auf diesen interessanten Kommunisten gerichtet, der
       mehr an einen schlauen, gemäßigten Musterschüler erinnert als an Thälmann
       oder einen Peppone. Zuletzt präsentierte er sich mit Golfausrüstung und der
       Forderung „Golfen für alle“. Mehr Salzburg geht nicht.
       
       24 Apr 2023
       
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