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       # taz.de -- Verbindungen zur Wirtschaft: Grüne strengen sich doppelt an
       
       > Die Grünen haben nun zwei Kanäle zu Unternehmen, davon ist die
       > Wirtschaftsvereinigung neu. Daneben gibt es schon den Grünen
       > Wirtschaftsdialog.
       
   IMG Bild: Robert Habeck bei der Auftaktveranstaltung des Vereins „Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen“
       
       Berlin taz | Als Wirtschaftspartei wollen sich die Grünen schon länger
       positionieren. Im Jahr 2016, noch auf Einladung von Parteichef Cem Özdemir,
       sprach mit Dieter Zetsche erstmals ein Daimler-Chef auf einem Parteitag –
       damals noch kritisch beäugt. Annalena Baerbock und Robert Habeck setzten
       den Kurs später fort; Letzterer amtiert jetzt als erster grüner
       Wirtschaftsminister.
       
       In der Bevölkerung stehen die Grünen jedoch nicht primär für
       Wirtschaftskompetenz: In Umfragen des Politbarometers liegen sie in diesem
       Bereich hinter Union, SPD und FDP. Helfen könnte jetzt ein neuer, in Berlin
       gegründeter Verein: So wie die SPD ihr Wirtschaftsforum hat und die CDU
       ihren Wirtschaftsrat, ist seit Dienstag im Vorfeld der Ökopartei die
       „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“ aktiv. Der Impuls für die Gründung kam
       von Unternehmer*innen, der Grünen-Vorstand hat sein Placet gegeben und die
       Bundesvorsitzenden sollen künftig Teil eines Vereinsbeirats sein.
       
       19 Förderunternehmen, die Jahresbeiträge zwischen 10.000 und 20.000 Euro
       zahlen, hat der Verein bisher gewonnen – darunter Aldi Süd, Google und den
       Wohnungskonzern Vonovia. Bei der Gründungsveranstaltung trafen sie am
       Dienstag auf Spitzen-Grüne wie die [1][Parteivorsitzenden Omid Nouripour]
       und Ricarda Lang, Bundestags-Fraktionschefin Katharina Dröge und die
       Minister*innen Robert Habeck und Lisa Paus.
       
       Er sympathisiere schon lange mit den Grünen, habe bisher aber keine
       Andockpunkte gefunden, sagte am Rande der Veranstaltung der
       Unternehmensberater Thomas Fischer, der dem Verein vorsitzt. Sein Ziel:
       „Wir wollen die Brücke bauen von der Wirtschaft in die Politik. Wir möchten
       grüne Ideen in Einklang bringen mit Wettbewerbsfähigkeit, Unternehmertum
       und Innovation.“ Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Nouripour. „Den Dialog
       mit der Wirtschaft gibt es sehr lange schon. Aber wir brauchen eine
       institutionelle Plattform“, sagte er. Es sei mehr als offensichtlich, „dass
       wir gut geölte Scharniere brauchen“.
       
       Ganz neu ist dieses Ansinnen allerdings nicht. Schon seit mehreren Jahren
       existiert ein Verein, der einen ähnlichen Zweck verfolgt: der Grüne
       Wirtschaftsdialog, der sich ebenfalls als „Brückenbauer zwischen Wirtschaft
       und Politik“ bezeichnet und Gesprächsrunden mit
       Wirtschaftsvertreter*innen und Grünen-Politiker*innen organisiert.
       Beide konkurrieren nun um Unternehmen als Mitglieder – was in der
       Wirtschaft zum Teil für Irritation sorgt.
       
       ## Dialog zwischen Wirtschaft und grüner Politik
       
       Warum die beiden Vereine nicht zusammenarbeiten? Auf der Veranstaltung der
       Wirtschaftsvereinigung gab es darauf keine eindeutigen Antworten.
       Unternehmensberater Fischer sagte: „Wir finden es toll, dass es den
       Wirtschaftsdialog gibt. Es ist wichtig, dass man ganz viele verschiedene
       solcher Plattformen hat.“
       
       Bei der Konkurrenzvereinigung klingt das allerdings anders. Es sei
       zielführend für einen effektiven Dialog zwischen Wirtschaft und grüner
       Politik, „wenn es nur eine Organisation gäbe“, sagt Thomas Gambke,
       ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Grünen
       Wirtschaftsdialogs, auf Anfrage.
       
       „Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Unabhängigkeit des Grünen
       Wirtschaftsdialog als Grundlage einer gemeinsamen Organisation dient. Das
       ist auch das klare Signal, dass wir [2][aus der Wirtschaft] und weiten
       Teilen der grünen Partei bekommen.“ Er spielt damit auf die Verbindungen
       zwischen Partei und der neuen Vereinigung an, die es bei seinem Verein
       nicht gibt – die Sitze im Vereinsbeirat für Nouripour und Lang zum
       Beispiel.
       
       ## Verein und Partei weisen Kritik zurück
       
       Auch die Organisation Lobbycontrol schlägt in diese Kerbe. Sie spricht von
       einem „Lobbykanal zu grünen Spitzenpolitiker:innen“. Sprecherin Christina
       Deckwirth fordert „klare Trennlinien zwischen Partei und
       Vorfeldorganisationen“. Spitzen-Grüne sollten keine Führungsfunktionen im
       Verein übernehmen. „Auch eine Mitgliedschaft in einem Beirat kann zu
       Interessenkonflikten führen, privilegierte Zugänge erleichtern und daher
       problematisch sein“, sagte Deckwirth.
       
       Eine Kritik, die Verein und Partei zurückweisen. „Es ist nicht so, dass die
       Wirtschaftsvereinigung bei uns anrufen und sagen darf: ‚Hier haben wir
       Leute, die haben viel Geld gezahlt – kommt her, wir reden‘“, beteuert
       Nouripour.
       
       25 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Omid-Nouripour-zum-Iran/!5909592
   DIR [2] /Rechtsphilosoph-ueber-FDP-Gruenen-Streit/!5926523
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Schulze
       
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