# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Bistum Osnabrück: Unsichere Schützer
> Die Monitoring-Gruppe zum Missbrauch im Bistum Osnabrück hat sich mit
> einer Juristin verstärkt. Die soll unabhängig sein, arbeitet aber für das
> Bistum.
IMG Bild: Ein Ort der Gewalttäter: Der Dom in Osnabrück
Osnabrück taz | Es fällt ein denkwürdiger Satz an diesem Mittwochvormittag
im „Forum am Dom“ in Osnabrück: „Das weiß der liebe Gott allein!“
Heinz-Wilhelm Brockmann sagt ihn, früherer Vizepräsident des
Zentralkomitees der Deutschen Katholiken und heute einer der Sprecher der
bistumsunabhängigen Monitoring-Gruppe „Schutzprozess für den Umgang mit
sexualisierter Gewalt und geistlichem Missbrauch im Bistum Osnabrück“. Die
Gruppe, zuständig für Intervention bis Prävention, von
Betroffenenbegleitung bis Tätersanktionierung, hat geladen, um
„Veränderungen“ vorzustellen und gefällt sich vor Beginn in demonstrativer
Lustigkeit.
Was nur der liebe Gott allein weiß, ist: Wie viele Betroffene
sexualisierter Gewalt hat es im Bistum denn nun eigentlich gegeben? Thomas
Veen, Leiter der Monitoring-Gruppe, tut sich schwer, Zahlen zu nennen. Mehr
als 100, sagt schließlich Bistumssprecher Kai Mennigmann, bei 51 Tätern,
soweit man bisher wisse.
Einige Stunden später korrigiert das Bistum diese Zahlen schriftlich: Bei
den 51 Fällen handele es sich „um die Gesamtzahl der bislang beim Bistum
eingegangenen Anträge Betroffener auf Anerkennung erlittenen Leids“. Es
gebe mehr als 70 Beschuldigte, die Zahl der bisher bekannten Betroffenen
liege im niedrigen dreistelligen Bereich. Unsicherheit, die Bände spricht.
Die Veränderungen, die Veen und Brockmann vorstellen, bestehen im Kern aus
einer Personalie: der Juristin Sandra Körbs. Seit Anfang April ist sie
Beauftragte für den Schutzprozess, und dass sie zwar Bistumsangestellte
ist, aber „fachlich unabhängig“, bezeichnet sie als „Spannungsfeld“. Sie
will sich für „konsequente Aufarbeitung“ einsetzen.
## Ansehen wichtiger als die Opfer
Es gehe darum, die „externe Steuerung“ zu verstärken, erklärt Veen. Die
Fälle seien „mannigfaltig“, die Probleme „systemisch“ und „erheblich“, es
habe „Schwächen in der administrativen Bearbeitung der Sachverhalte im
Generalvikariat“ gegeben, die das Schutzkonzept nicht „durchgreifend“ habe
beheben können. Körbs soll das nun richten.
Mehr als 100 Betroffene, mindestens 70 Beschuldigte oder Täter: Osnabrück,
zeigt das, ist keine Insel der Glückseligen. Vor wenigen Wochen hat
Osnabrücks Bischof Franz Josef Bode [1][seinen Rücktritt erklärt]. In einem
Video spricht er von „systemischen Mängeln“ und räumt ein, er habe „lange
Zeit eher die Täter und die Institution als die Betroffenen im Blick
gehabt“.
Einer der Gründe für seinen Rücktritt: Der 600 Seiten starke
[2][Zwischenbericht „Pflichtverletzungen der Bistumsleitung“] der
Universität Osnabrück zur Studie „Betroffene – Beschuldigte –
Kirchenleitung. Sexualisierte Gewalt an Minderjährigen sowie schutz- und
hilfebedürftigen Erwachsenen durch Kleriker im Bistum Osnabrück seit 1945“.
Für das Forschungsprojekt wurden Akten überprüft, Betroffene befragt. Der
[3][Zwischenbericht] enthält Vorwürfe wie: „Trotz erkennbarer Lerneffekte
im Laufe der Jahre lässt die Praxis der bischöflichen Verwaltung nicht
darauf schließen, dass das Leid, die Bedürfnisse und die Interessen der
Betroffenen im Mittelpunkt des Handelns standen und in vollem Umfang
berücksichtigt wurden.“ Erkennbar handlungsleitend sei „das Ziel
Geheimhaltung“, wichtiger als die Bedürfnisse und Interessen der
Betroffenen sei nicht zuletzt „der Schutz des Ansehens der Kirche“ gewesen.
Das [4][Schutzkonzept] greift im Bistum Osnabrück seit 2019. Das
Zwischengutachten der Universität, deren Forschungen noch andauern, ist von
Herbst 2022. Eine lange Zeit für die Monitoring-Gruppe, eine Beauftragte
wie Sandra Körbs zu installieren. Sie soll jetzt Gerichtsverfahren ebenso
begleiten wie Betroffene.
Bleibt die Frage, ob ein neuer Bischof den Schutzprozess kippen könnte.
Kirchenrechtlich ginge das. „Aber das kann ich mir nicht denken“, sagt
Brockmann. „Das ginge nicht ohne einen großen Aufschrei im Bistum ab.“
27 Apr 2023
## LINKS
DIR [1] /Ruecktritt-von-Bischof-Franz-Josef-Bode/!5922006
DIR [2] /Sexualisierte-Gewalt-im-Bistum-Osnabrueck/!5879577
DIR [3] https://www.s-gewalt.uni-osnabrueck.de/willkommen.html
DIR [4] /Sexuelle-Gewalt-im-Bistum-Osnabrueck/!5666953
## AUTOREN
DIR Harff-Peter Schönherr
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