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       # taz.de -- Wegner gewählt im dritten Wahlgang: Kai besser zurück in die Kiste
       
       > Kai Wegner ist gewählt. Bereits vor dem dritten Wahlgang ging die Angst
       > vor der AfD um. Am Ende blieb offen, ob er seine Wahl Rechtsextremen
       > verdankt.
       
       Berlin taz | Nach der Wahl hatte niemand einen Blumenstrauß vor die Füße
       von Kai Wegner geworfen. Verdient hätte er das gleichwohl zumindest aus
       Sicht der Linken. Anne Helm, Fraktionsvorsitzende, twitterte: „Ohne
       einfache Mehrheit in den dritten Wahlgang zu gehen, sehenden Auges die AfD
       zu Königsmachern zu erheben, das ist unwürdig für das Amt. Wir hätten
       Berlin das gerne erspart und haben deshalb die Vertagung des 3. Wahlgangs
       beantragt.“ Die noch Landesvorsitzende Katina Schubert ergänzte: „Ein
       Regierender Bürgermeister von Gnaden der AfD – was ein Desaster.“
       
       Die AfD hatte kurz nach Ende des dritten Wahlgangs zum Regierenden
       Bürgermeister eine Pressemitteilung verschickt und auf der Tribüne
       verteilt, dass sie im dritten Wahlgang zum Regierenden Bürgermeister für
       Wegner gestimmt habe. Wegner blickte zunächst etwas betreten drein, nahm
       die Wahl mit 86 Stimmen danach aber an und wurde vereidigt. Zuvor hatte er
       in zwei Abstimmungen keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus bekommen, obwohl
       SPD und CDU eine Mehrheit von 6 Stimmen haben.
       
       Wie immer, wenn der AfD sich die Gelegenheit bietet, nutzen sie alle
       Tricks, um das parlamentarische System zu untergraben oder Verunsicherung
       zu produzieren. So las sich dann auch die verschickte Mitteilung der
       extremen Rechten: „Die offensichtliche Unfähigkeit, verlässliche Mehrheiten
       zu schaffen, zeigt, wie wichtig die AfD als stabilisierender Faktor einer
       Regierungsmehrheit sein kann.“ Es sei an der Zeit, dass insbesondere die
       CDU das erkenne, ließ sich AfD-Chefin Kristin Brinker zitieren.
       
       Ob die Stimmen am Ende wirklich von der AfD kamen, ist unklar, weil die
       Wahl geheim blieb. Unwahrscheinlich wäre es jedenfalls nicht, wenn man an
       die Thüringer Regierungskrise von 2020 und Thomas Kemmerich denkt.
       
       ## Ein Gefühl von Thüringen
       
       Und so war spätestens nach dem zweiten Wahlgang auch ein mulmiges Gefühl
       wahrzunehmen. Vor dem dritten Wahlgang ging auch die Angst unter
       Abgeordneten um, dass die AfD wie 2020 in Thüringen am Ende das Zünglein an
       der Waage sein könnte und Wegner ins Amt verhelfen könnte. Die Wahl des
       FDP-Kandidaten Kemmerich damals mit AfD-Stimmen hatte eine Regierungskrise
       nach sich gezogen. Die Linken-Chefin Henning-Wellsow warf ihm einen
       Blumenstrauß zu Füßen, Kemmerich trat schließlich zurück. Die danach von
       Rot-Rot-Grün unter Bodo Ramelow gebildete Minderheitsregierung wurde
       zunächst ein Jahr lang von der CDU toleriert. Mittlerweile ist die
       [1][Regierung in Teilen handlungsunfähig] und FDP und CDU bringen teilweise
       Anträge mit AfD-Stimmen durch.
       
       Ähnlich schätzten es auch Politiker*innen am Donnerstag ein. So schrieb
       Maximilian Schirmer, möglicherweise bald neuer Linken-Vorsitzender, bereits
       vor der Wahl: „Wenn Kai Wegner jetzt in den 3. Wahlgang geht, reibt sich
       die AfD schon die Hände, weil sie genau wissen, was sie dann zu tun haben.
       Alles wissen es. Sagt mir bloß keiner später, das hat niemand kommen
       sehen.“ Eine beantragte Vertagung des dritten Wahlgangs wurde kurz darauf
       verworfen.
       
       Bereits die lange Hängepartie zwischen den ersten beiden Wahlgängen nutzten
       vor allem Politiker:innen von Linken und Grünen zu beißender Kritik.
       
       Der Fraktionsvorsitzende der Linken Carsten Schatz warf der SPD-Führung um
       Franziska Giffey und Raed Saleh vor, „zu früh die Entscheidung getroffen zu
       haben, aus einer funktionierenden parlamentarischen Mehrheit zu flüchten“.
       Für das Desaster der Nichtwahl Wegners seien sie verantwortlich.
       
       Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto verwies zwischenzeitlich darauf: „Jetzt
       sind alle Fraktionen in der Opposition.“ Weiterer Spott kam aus Reihen der
       Linken. Die Abgeordnete Ines Schmidt twitterte: „Rot-Grün-Rot hätte schon
       längst gestanden und wir wären schon zu Hause.“ Und Niklas Schrader,
       ebenfalls von der Linken, ergänzte: „Kai Wegner ist echt 3. Wahl.“
       
       27 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-04/thueringen-landesregierung-manfred-weber-bodo-ramelow-mario-voigt-cdu
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
   DIR Gareth Joswig
       
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