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       # taz.de -- Entgegnung auf Vorwürfe an SPD-Politik: Sozialdemokratisches Klima
       
       > Die SPD blockiert eben nicht den Klimaschutz. Sie will aber die Akzeptanz
       > dafür nicht gefährden und denkt deshalb Soziales und Energiewende
       > zusammen.
       
   IMG Bild: Jeden Tag müssten vier bis fünf Windräder gebaut werden. Olaf Scholz weiß das
       
       Die SPD tut sich schwer mit der Energiewende, ja blockiert gar den
       Klimaschutz? Das zumindest hat [1][ein Beitrag in der taz] an dieser Stelle
       kürzlich behauptet. Die Gründe lägen einerseits in der Tradition als Partei
       der Kohlekumpel, ihrer engen Verwobenheit mit der Gewerkschaft IG BCE und
       vor allem in Verflechtungen von Sozialdemokraten mit der Fossilwirtschaft.
       
       Dem möchten wir heute hier klar widersprechen. Nachdem wir lange nur über
       abstrakte Klimaschutzziele gesprochen haben, geht es jetzt daran, diese zu
       erreichen. Damit kommt Klimaschutz immer spürbarer im Alltag aller an.
       Erfolgreich wird das Unterfangen jedoch erst durch seine Umsetzung und –
       das ist wichtig – der Beantwortung der sozialen Frage.
       
       Klimaschutz ist ganz klar in unseren sozialdemokratischen Grundwerten
       angelegt: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verlangen garantierte
       Lebensgrundlagen. Wir begreifen Klimaschutz auch als große Chance für mehr
       Wohlstand, gute Arbeitsplätze und eine lebenswerte Umwelt.
       
       Das Bild ist oft bemüht – aber schon Willy Brandt erhob 1961 Umweltschutz
       zu einem vorrangigen politischen Ziel der SPD mit den Worten: „Der Himmel
       über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden!“ Das aber war nur der Anfang.
       Der Atomausstieg und das Erneuerbare-Energien-Gesetz sind Meilensteine der
       Klimapolitik, die Sozialdemokraten wie Hermann Scheer und Erhard Eppler
       entschieden vorangebracht haben. Die sozialdemokratische Umweltministerin
       Barbara Hendricks gestaltete das Klimaabkommen in Paris 2015 maßgeblich
       mit.
       
       ## Alleinstellungsmerkmal der SPD
       
       Klima und Soziales, Arbeit und Umwelt stets zusammenzudenken ist ein
       Alleinstellungsmerkmal der SPD. Der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist
       nicht verhandelbar. Und dennoch übersehen wir das gesellschaftliche
       Konfliktpotenzial von schlecht gemachter Klimapolitik nicht. Wir wissen, es
       drohen gesellschaftliche Verwerfungen, wenn wir nicht alle Menschen
       mitnehmen.
       
       Dazu müssen wir die Mehrheit der Bürger:innen von der
       sozial-ökologischen Transformation begeistern und dürfen keine Gruppe
       entstehen lassen, die sich so abgehängt fühlt, dass sie im schlimmsten Fall
       die Mehrheit gegen den Klimaschutz aufbringt.
       
       Wir haben deswegen 2018 die Einsetzung der Kohlekommission durchgesetzt.
       Das Ziel der SPD ist aufgegangen: Wir haben Betroffene zu Beteiligten
       gemacht.
       
       ## Zeit vor den Fridays for Future
       
       Seit 2010 forderte die SPD das Klimaschutzgesetz – 2019 haben wir es gegen
       den Widerstand der Union durchgesetzt. Das war, [2][bevor es die großen
       Demonstrationen von Fridays for Future] gab. UN-Generalsekretär António
       Guterres bezeichnete in seiner Rede im Deutschen Bundestag das
       Klimaschutzgesetz als „international vorbildlich“. Das unter Rot-Grün im
       Jahr 2000 eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz rief weltweit zur
       Nachahmung auf und hat den internationalen Aufschwung der erneuerbaren
       Energien in Gang gesetzt.
       
       Wir sind überzeugt: Der Markt allein ist nicht nachhaltig. Wer Klimaschutz
       ausschließlich über den Preis erreichen will, sorgt dafür, dass vor allem
       [3][Menschen mit wenig Geld] Verzicht üben müssen, solange sie keine
       klimaneutralen und bezahlbaren Alternativen haben. Wohlhabende können sich
       hingegen jede Klimasünde leisten.
       
       Für die SPD ist der Kampf gegen den Klimawandel deshalb immer auch eine
       Gerechtigkeitsfrage. Die Folgen des Klimawandels treffen nicht alle
       Menschen gleich. Benachteiligte Bevölkerungsgruppen sind überproportional
       betroffen, gesundheitlich und ökonomisch. Die Klimakrise verschärft somit
       soziale Ungleichheiten. Ökologische Nachhaltigkeit wird es nicht ohne
       soziale Nachhaltigkeit geben. Sonst verspielen wir die inzwischen hohe
       Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen. Und wenn das passiert, sind auch die
       Grundfesten der Demokratie in Gefahr.
       
       Es war schließlich auch die SPD, die die Energiepreisbremsen erkämpft hat.
       Energie muss für Wirtschaft und Bevölkerung bezahlbar bleiben. Die
       sozialökologische Transformation sehen wir dabei nicht als Gefahr, sondern
       als riesige Chance. Sie ist der große Treiber für Arbeit mit Zukunft. Dafür
       brauchen wir klare, verlässliche, konkrete Ziele und auch Druck, damit
       jedes Ministerium seinen Beitrag leistet. Darauf achten wir auch bei der
       Novelle des Klimaschutzgesetzes.
       
       ## Genehmigungszeiten reduziert
       
       [4][Bundeskanzler Olaf Scholz weiß genau]: In Deutschland müssen wir jeden
       Tag mindestens vier bis fünf Windräder, mehr als 40 Fußballfelder
       Photovoltaik-Anlagen, 1.600 [5][erneuerbare Heizungen] und vier Kilometer
       Übertragungsnetze bauen. Und auch die Verteilnetze müssen gestärkt werden.
       Da darf es kein Verzögern geben. Das neue Deutschland-Tempo, das wir bei
       beim Füllen der Gasspeicher und den LNG-Terminals an den Tag gelegt haben,
       brauchen auch die erneuerbaren Energien.
       
       Aber die schnellstmögliche Unabhängigkeit von fossiler Energie – und deren
       Importen – verlangt, die Genehmigungs- und Planungsverfahren zu
       vereinfachen. Tatsächlich haben wir im ersten Jahr der Regierungszeit der
       Ampel bereits die Planungs- und Genehmigungszeiten für Netze und Windräder
       erheblich reduziert. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat nun
       gesetzlichen Vorrang vor anderen Rechtsgütern. Wir gehen damit auch den
       seit Jahren bestehenden Dauerkonflikt zwischen dem Ausbau der Erneuerbaren
       und dem Naturschutz an.
       
       Schwerpunkt unserer Politik ist der [6][maximale Ausbau erneuerbarer
       Energien]. Nur sie garantieren künftigen Wohlstand und Teilhabe. Und wir
       haben in dieser Legislatur schon viele Hindernisse für den beschleunigten
       Ausbau der erneuerbaren Energien beseitigt, müssen aber noch viele weitere
       ausräumen. Nur das ist eine sozialdemokratische Klimapolitik.
       
       2 May 2023
       
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