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       # taz.de -- Schätze aus Usbekistan in Berlin: Ein 2.000 Jahre alter Melting Pot
       
       > Am 4. Mai eröffnet eine Ausstellung mit archäologischen Fundstücken aus
       > Zentralasien. Sie zeigt, dass Europa nie der alleinige Mittelpunkt der
       > Welt war.
       
   IMG Bild: Schaustücke (v.l): ein „sakischer“ Krieger; Hand einer Buddhafigur; Terrakottafigur eines Prinzen
       
       Berlin taz | Auf einer Skulptur aus Kalkstein aus dem zweiten Jahrhundert
       nach Christus, einer Leihgabe des Museums für die Geschichte Usbekistans in
       Taschkent, erscheint Buddha so, wie Buddha eben auf vielen Darstellungen
       erscheint. Aber da sind auch links und rechts zwei Säulen, die irgendwie
       irritieren. „In der Kunst der Kuschan sind Einflüsse der hellenistischen
       Kunst und Kontakte bis nach Indien hinein zu sehen“, sagt Matthias Wemhoff,
       Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, bei einer
       Pressevorbesichtigung der Ausstellung [1][„Archäologische Schätze aus
       Usbekistan“] in der James-Simon-Galerie und im Neuen Museum am
       Mittwochvormittag.
       
       Gezeigt werden in dieser Ausstellung rund 350 Objekte, von denen rund 280
       aus Usbekistan stammen, aus der Zeit des 4. Jahrhunderts vor bis ins 4.
       Jahrhundert nach Christus. „Viele Kunststücke sind erstmals öffentlich zu
       sehen“, sagt Gayane Umerowa, Leiterin der Art and Culture Development
       Foundation in Taschkent, mit deren Unterstützung seit 2019 das Projekt
       entwickelt wurde.
       
       Der Süden Usbekistans, noch einmal 400 Kilometer von der Seidenstraße
       entfernt, gilt bislang als dunkler Fleck auf der inneren Landkarte selbst
       jener Europäer*innen, für die spätestens seit der Öffnung Usbekistans nach
       der Unabhängigkeit Städte wie Samarkand und Buchara wieder Sehnsuchtsorte
       und Reiseziele sind. Das soll die Ausstellung laut Kurator Manfred Nawroth
       ändern.
       
       Denn diese fokussiert eigentlich auf das vergessene, nur 200 Jahre währende
       [2][Großreich der Kuschan]. Die Kuschan waren eigentlich vertriebene
       Reiternomaden aus der heutigen chinesischen Provinz Gansu. Im Süden des
       heutigen Usbekistans fanden sie eine Region, die zuerst von den Persern und
       dann von Alexander dem Großen geprägt worden war. Diese Geschichte wird im
       ersten Ausstellungsteil im Neuen Museum erzählt. Im zweiten Teil geht es
       dann um das Reich der Kuschan selbst, eines der größten Herrschaftsgebiete
       der Spätantike, das sich vom Aralsee bis zum Golf von Bengalen erstreckte.
       
       ## Ort des Austausches
       
       Das Besondere war, dass die Kuschan einerseits die Schriftzeichen und
       Werkstätten der Makedonier übernahmen, andererseits aber deren Kultur, die
       eigene und die Indiens miteinander verschmolz. Sie machten die Region zu
       einem Ort des Austausches und der religiösen Vielfalt, wo sich die Sprachen
       und Kulturen trafen und vermischten.
       
       Bei zwei weiteren Leihgaben aus Usbekistan, die in einer Vitrine
       ausgestellt sind, wird das ganz besonders schön deutlich: dem bemalten Kopf
       einer Terrakottaplastik mit ziemlich realistischer Darstellung eines
       „sakischen“ Kriegers aus der [3][Palastanlage von Chaltschajan] aus dem 1.
       Jahrhundert vor Christus einerseits – und der eines [4][Boddhisattwas] aus
       einer buddhistischen Tempelanlage in Dalverzintepa aus dem 2. bis 3.
       Jahrhundert nach Christus andererseits. Der eine trägt einen hellen,
       gekämmten Vollbart, der andere die lokale Haartracht samt dunklem
       Schnurrbart.
       
       Die Wirkung der 280 Leihgaben und der 70 Ausstellungsstücke aus Berlin in
       der Ausstellung ist tatsächlich überwältigend. Denn Besucher*innen
       werden erstens mit einem vollkommen vergessenen Teil der Geschichte
       konfrontiert. Zweitens stellen sich bei vielen Ausstellungsstücken
       Wiedererkennungseffekte ein.
       
       Europa, so bestätigt sich wieder einmal, war zu keinem Zeitpunkt der
       alleinige Mittelpunkt der Welt. In Sachen kultureller Austausch gab es
       zahlreiche Orte auf der Erde, die Europa schon vor 2.000 Jahren um
       Lichtjahre voraus waren.
       
       4 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/archaeologische-schaetze-aus-usbekistan/
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Kuschana
   DIR [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Chaltschajan
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Bodhisattva
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
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