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       # taz.de -- Spanien ändert neues Sexualstrafrecht: Reform der Reform
       
       > Das spanische Parlament beschließt Änderungen am „Nur Ja heißt
       > Ja“-Gesetz. Es war erst seit wenigen Monaten in Kraft.
       
   IMG Bild: Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero im Abgeordnetenhaus in Madrid am 16. Februar
       
       Madrid taz | Die Reform der Reform des spanischen Sexualstrafrechtes ist
       durchs Parlament. Die sozialistische PSOE von Ministerpräsident Pedro
       Sánchez erhielt am Donnerstag die nötige Mehrheit dank der Stimmen der
       konservativen Partido Popular (PP). Zurück bleibt eine völlig zerstrittene
       Regierungskoalition. Die Abgeordneten des kleineren Koalitionspartners
       Unidas Podemos (UP) stimmten ebenso gegen die Reform der Reform, wie die
       meisten derer, die das ursprüngliche Gesetz einst angenommen hatten. Die
       rechtsextreme VOX blieb der Abstimmung fern.
       
       [1][Das im Volksmund „Nur Ja heißt Ja“ genannte Gesetz] aus der Feder der
       linksalternativen Gleichstellungsministerin Irene Montero war erst Ende
       2022 in Kraft getreten. Anders als zuvor unterschied es nicht mehr zwischen
       Missbrauch (ohne Gewalt) und Aggression, also Vergewaltigung mit
       Penetration und Gewalt. Es stellte die fehlende explizite Zustimmung der
       Frau zu sexuellen Handlungen über alles.
       
       Das Gesetz hatte nicht höhere Höchststrafen, sondern zum Teil auch
       niedrigere Mindeststrafen eingeführt sowie die Liste der Straftaten
       ausgeweitet. Danach galten nicht nur direkte Übergriffe als sexuelle
       Gewalt, sondern auch Belästigungen, Exhibitionismus, sexuelle Provokation,
       sexuelle Ausbeutung, Missbrauch Minderjähriger, Genitalverstümmelung,
       Zwangsehe, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, die
       Verbreitung sexueller Gewaltakte in digitalen Medien sowie sexuelle
       Erpressung etwa in sozialen Netzwerken oder Chats.
       
       Anwälte hatten in Dutzenden Fällen eine Lücke im Gesetz genutzt, um
       Freiheitsstrafen zu verringern. Über 70 Straftäter kamen vorzeitig frei.
       Die rechte Presse nutzte dies für eine beispiellose Kampagne gegen
       Gleichstellungsministerin Montero. Mit der Reform der Reform [2][wollte
       Ministerpräsident Pedro Sánchez der Kritik an der Regierung] wenige Wochen
       vor den Kommunal- und Regionalwahlen nun ein Ende bereiten.
       
       Mit der Reform der Reform wird die Frage, ob Gewalt im Spiel war, nun
       wieder als entscheidendes Kriterium für die Beurteilung der Tat ins Gesetz
       aufgenommen.
       
       „Heute ist der traurigste und schwierigste Tag, den ich in diesem Parlament
       als Ministerin erlebt habe“, sagte Montero. Ihr Gesetz habe Jahre der
       Mobilisierung gekostet, jetzt habe „die Reaktion darauf eine Rückschritt
       zur Folge“. Das Gesetz aus dem Hause Montero [3][war die Folge von massiven
       Demonstrationen nach einem Urteil], das in erster Linie keine Aggression
       sondern „nur“ Missbrauch in einer Massenvergewaltigung sehen wollten. Was
       die Täter damals entlastete: Auf den Videos, die die fünf Männer
       mitgeschnitten hatten, wehrte sich das Opfer angesichts der männlichen
       Übermacht nicht.
       
       „Es hätte eine gemeinsame Antwort gebraucht“, warb Montero ein letztes Mal
       für die Einheit aller Parteien mit feministischer Einstellung. Vergebens:
       Die Sozialisten hatten sich längst auf die Unterstützung für ihre im
       Alleingang ausgearbeitete Reform der Reform durch die konservativen Partido
       Popular (PP) festgelegt. Deren Sprecherin Cuca Gamarra feierte die
       Abstimmung und verlangte von Ministerpräsident Sánchez ganz direkt die
       Absetzung von Gleichstellungsministerin Irene Montero.
       
       20 Apr 2023
       
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