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       # taz.de -- Protest der Letzten Generation in Berlin: Die Polizei weiß Bescheid
       
       > Die Beamten rücken in Berlin schnell an – mit Pinsel und Speiseöl.
       > Zuletzt gab es Kritik an Äußerungen der Polizeisprecherin.
       
   IMG Bild: Inzwischen Routine: Polizisten lösen die Hand einer Aktivistin mit Pinsel, Aceton und Spatel vom Asphalt
       
       Berlin taz | Die Berliner Polizei hat im vergangenen Jahr eine Routine mit
       den Klimaaktivist:innen der Letzten Generation entwickelt. Schnell
       ist sie vor Ort, wenn wieder Menschen auf der Straße kleben, mit Pinsel und
       Speiseöl werden die festgeklebten Hände meist in wenigen Minuten gelöst. Zu
       besonders rabiatem Vorgehen oder einer Eskalation zwischen den friedlichen
       Aktivist:innen und den Polizist:innen kommt es dabei in der Regel
       nicht.
       
       [1][Doch der angekündigte Plan der Gruppe ab Donnerstag, die Stadt mit bis
       zu 1.000 Aktivist:innen zum Stillstand zu bringen], mit womöglich
       Dutzenden parallel stattfindenden Blockaden, stellt auch die Polizei vor
       ganz neue Herausforderungen. Auf Anfrage teilt sie mit, im Stadtgebiet eine
       „Vielzahl von Polizistinnen und Polizisten“ bereitzuhalten, die
       „Verkehrsknotenpunkte sowie Zu- und Abfahrten zur Stadtautobahn im Blick
       behalten“. Auch Parlaments- und Regierungsgebäude, Medienhäuser und andere
       symbolträchtige Orte möchte die Polizei nach eigenen Angaben besonders
       schützen. Zusätzliche Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern haben die
       Behörden aber nicht angefordert.
       
       Sogenannte Gefährderansprachen bei bekannten Aktivist:innen der Letzten
       Generation seien nicht wiederholt worden, heißt es weiter. Dagegen kündigt
       die Polizei an: „Wir werden Straftäterinnen und Straftäter konsequent
       zwecks richterlicher Anordnung eines Gewahrsams zur Gefahrenabwehr oder von
       Untersuchungshaft vorführen.“
       
       Eine Kontroverse gibt es indes um eine Aussage der Polizei-Sprecherin Beate
       Ostertag. Diese hatte am Dienstag der RBB-Abendschau gesagt: „Im Idealfall
       können wir die Blockaden und Aktionen verhindern.“ In Reaktion darauf hat
       der rechtspolitische Sprecher der Berliner Linksfraktion, Sebastian
       Schlüsselburg, einen Brief an Innensenatorin Iris Spranger (SPD)
       geschrieben, der der taz vorliegt. Schlüsselburg argumentiert darin, diese
       Äußerung stehe „nicht im Einklang mit den gesetzlichen Festlegungen im
       Versammlungsfreiheitsgesetz“, das die Polizei dazu verpflichtet,
       „friedliche Versammlungen zu schützen“.
       
       ## Klebeverbot nicht rechtmäßig
       
       Ob die Protestform etwa wegen einer „verwerflichen Nötigung“ ihren
       Grundrechtsschutz der Versammlungsfreiheit im Einzelfall verliert, müssen,
       so Schlüsselburg, „Gerichte und am Ende wahrscheinlich wieder
       Verfassungsgerichte entscheiden“. Bis dahin jedoch gelte, dass der
       „Versammlungsbegriff in der ständigen Rechtsprechung des
       Bundesverfassungsgerichtes offen auch für provokante und non-verbale
       Demonstrationsformen ist“.
       
       Um Proteste von vornherein zu verhindern, hatte die Berliner Polizei
       zuletzt gegen 17 Menschen, bei denen sie davon ausgeht, dass sie erneut
       Straftaten begehen könnten, halbjährige Klebeverbote erteilt. Bei Verstößen
       gegen diese Anordnung drohte sie den Aktivist:innen Zwangsgelder in
       Höhe von je 2.000 Euro an. Doch am Montag musste die Polizei in einem Fall
       eine Schlappe vor dem Berliner Verwaltungsgericht erleiden, bei der sich
       eine Aktivistin gegen die Androhung per Eilantrag zur Wehr gesetzt hatte.
       
       Das Gericht entschied: Der Anfang Dezember ergangene Verbotsbescheid, sich
       im Stadtgebiet „festzukleben, einzubetonieren oder in ähnlicher Weise
       dauerhaft mit der Fahrbahn zu verbinden“, wird aufgehoben, denn er sei
       „nicht hinreichend bestimmt“. Die Betroffene könne nicht sicher entnehmen,
       was von ihr verlangt werde, etwa für welche Straßen das Verbot gelte. Die
       Polizei hat gegen den Beschluss Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht
       eingelegt; das Verbot gilt damit vorerst weiter.
       
       Nach aktuellen Zahlen, die zuerst die Welt veröffentlichte, waren
       Polizist:innen in der Hauptstadt seit Beginn der Klebeaktionen
       [2][Anfang 2022 insgesamt rund 302.000 Stunden wegen Blockaden und
       ähnlichen Aktionen von Klimaschützer:innen im Einsatz.] Dabei wurden
       insgesamt 3.000 Strafanzeigen gegen 805 Tatverdächtige gefertigt, darunter
       gegen 67 Personen, die mehrfach auffielen. 57 Mal wurde Gewahrsam
       angeordnet, der in Berlin derzeit maximal zwei Tage betragen darf. Die
       Hälfte der Anzeigen betrifft „Nötigung im Straßenverkehr“.
       
       20 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Letzte-Generation-startet-Berlin-Blockade/!5929299
   DIR [2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article244798470/Hunderttausende-Einsatzstunden-Wie-sich-die-Berliner-Polizei-mit-den-Klima-Aktivisten-herumschlaegt.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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