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       # taz.de -- Messerangriff durch Burschenschaftler: Schweigen über rechte Gewalt
       
       > Mitte Februar stach in Bingen ein Burschenschaftler auf einen anderen
       > ein. Das Opfer hatte sich zuvor über Nazi-Musik beschwert.
       
   IMG Bild: Die Behörden in Rheinland-Pfalz hielten eine Pressemitteilung zur Tat für nicht geboten
       
       Hamburg taz | In Bingen hat ein Burschenschafter einen anderen Burschen mit
       einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Das Opfer hatte sich zuvor
       über die rechtsextreme Musik des Angreifers beschwert. Die
       Auseinandersetzung in einem Vereinsheim einer Studentenverbindung fand
       schon in den frühen Morgenstunden am 15. Februar dieses Jahres statt. Die
       ermittelnden Behörden in Rheinland-Pfalz hielten eine Pressemitteilung zu
       dem gewalttätigen Angriff für nicht geboten.
       
       Der Frankfurter Rundschau fiel in der Statistik der Bundesregierung zu
       rechtsextremen Straf- und Gewalttaten [1][der Vermerk einer versuchten
       Tötung auf]. Die Nachfragen der Zeitung ergaben, dass Polizei und
       Staatsanwaltschaft in Mainz ermitteln.
       
       An dem Tag war der Täter zu Besuch bei der [2][Studentenverbindung]. Der
       23-Jährige Burschenschafter aus Hessen soll demnach rechtsextreme Musik
       abgespielt haben. Ein Mitglied der Verbindung des Hauses gefiel die Musik
       nicht. Eine verbale Auseinandersetzung folgte. „Im weiteren Verlauf des
       Geschehens soll der Beschuldigte den Geschädigten mit einem Messer
       angriffen und ihm Stichverletzungen im Bereich des Oberkörpers zugefügt
       haben“, berichtete ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. Der
       20-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt.
       
       Weitere Informationen dürfe er wegen der laufenden Ermittlungen nicht
       geben, so der Sprecher. Dass die Staatsanwaltschaft keine Pressemitteilung
       veröffentlichte, erklärt der Sprecher damit, dass sich „die Tat zum einen
       in einem privaten Rahmen ereignete und zum Tatzeitpunkt keine
       Öffentlichkeitswirkung eingetreten war“ und „zum anderen musste
       Berücksichtigung finden, dass bei der Tat keine gravierenden
       Rechtsgutsverletzungen eingetreten sind, kein dringender Tatverdacht für
       ein versuchtes Tötungsdelikt bestand“.
       
       Das Nichtöffentlichmachen von möglichen rechtsextremen Straf- und
       Gewalttaten durch Behörden ist allerdings keine Ausnahme. Nicht selten
       bleiben auch mögliche Tathintergründe bei einer Pressemitteilung unerwähnt.
       
       „In diesem Bundesland besteht eine Kontinuität, rechtsextreme Straf- und
       Gewalttaten herunterzuspielen“, sagt Heike Kleffner der taz. Die
       Geschäftsführerin des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter,
       rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) erinnert an die [3][Tötung
       des Obdachlosen Frank Bönisch] 1992 in Koblenz durch einen Rechtsextremen.
       Bis heute führt die Bundesregierung Bönisch nicht als Opfer rechter Gewalt.
       
       Kleffner weißt außerdem auf den Brand eines von geflüchteten Familien
       bewohnten Haus am 25. Januar in Berlin. Im Februar war eine 43-jährige
       Syrerin an den Folgen der Verletzungen gestorben. Sie hinterlässt ihren
       Mann und sechs Kinder. Ein rassistisches Motiv bei dem Brand im Stadtteil
       Pankow sahen die Ermittelnden anfänglich nicht.
       
       Der VBGR warnt regelmäßig vor unkritischer Übernahme von
       Polizeimitteilungen in den Medien. Ihr Ausbleiben deutet Kleffner auch als
       Versuch, „das alltägliche Ausmaß rechter und rassistischer Gewalt“ zu
       verschleiern. Für die VBRG-Geschäftsführerin „ein Rückfall in die
       Verschleierungs- und Verharmlosungspolitik“ vor der Zeit der
       Selbstenttarnung der rechtsextremen Terrororganisation
       „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Auf Bundesebene fragt die
       Abgeordnete der Linken, Petra Pau, diese Taten regelmäßig ab.
       
       20 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.fr.de/politik/polizei-rechtsextemismus-statistik-angriff-messer-attacke-92219753.html
   DIR [2] /Illegales-Fechten-in-Leipzig/!5922656
   DIR [3] https://www.tagesspiegel.de/politik/erinnerung-an-eine-rechtsradikale-tat-6966433.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Speit
       
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