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       # taz.de -- Disney+-Serie „Sam – ein Sachse“: Opfer und Held seiner Geschichte
       
       > Die erste deutsche Disney-Produktion erzählt vom ersten afrodeutschen
       > Polizisten in Ostdeutschland. Sie basiert auf dem Leben von Samuel
       > Meffire.
       
   IMG Bild: Malick Bauer als Sam in einer Szene des Films „Sam – Ein Sachse“
       
       „Wir brauchen für Deutschland eine Erzählung, in der auch Platz ist für
       Leute wie Dich und mich!“ Diesen Satz sagt eine Figur in der Serie „Sam –
       Ein Sachse“ mit Blick auf die Realität Schwarzer Menschen im Deutschland
       der 90er Jahre. Gleichzeitig beschreibt der Satz das Ziel der Serie: Eine
       Geschichte erzählen, in der nicht nur weiße Menschen einen Platz haben.
       
       „Sam“, verantwortet von Jörg Winger, [1][Tyron Ricketts] und Christoph
       Silber, ist die erste deutsche Eigenproduktion von Disney+ und beruht auf
       einer wahren Geschichte. Vorbild für den Titelheld ist Samuel Meffire, der
       erste afrodeutsche Polizist von Ostdeutschland. Die Serie ist – wie am
       Anfang jeder Episode eingeblendet wird – eine Fiktionalisierung realer
       Ereignisse. Sie bleibt so nah dran an der Realität wie möglich,
       wohlwissend, dass sich gerade daraus – zumindest in diesem Fall – am
       meisten Kraft gewinnen lässt.
       
       Sam (Malick Bauer) ist 1989, kurz vor dem Mauerfall, in seiner kleinen
       Lebenswelt in Dresden recht alleine auf sich gestellt. Seinen aus Kamerun
       stammenden Vater hat er nie kennen gelernt, der kam vor seiner Geburt unter
       ungeklärten Umständen ums Leben. Die Mutter hat wenig Liebe zu geben, und
       Freundin Antje, mit der er gerade ein Baby bekommen hat, widmet ihre
       Energie den immer vehementer werden Protesten gegen das DDR-Regime, ohne
       wirklich ein Gespür dafür zu haben, dass die Erfahrungen und Sorgen ihres
       Lebensgefährten ganz andere sind als ihre.
       
       Halt findet Sam nicht, wie gehofft, beim Fußball, wo ihn rechte Hooligans
       verprügeln, sondern ausgerechnet bei der Volkspolizei. Mit der Wende wird
       dann alles anders. Sam trifft erstmals auf andere Afro-Deutsche und lernt
       westdeutsches Kapitalismus-Denken kennen. Er wird buchstäblich zum
       Posterboy einer Image-Kampagne für Sachsen, bekommt aber – zunächst als
       Türsteher, dann erneut als Polizist – auch immer erschütterndere Einblicke
       in die wachsende Neonazi-Szene. Irgendwann rutscht er in die Kriminalität
       ab, auch in Folge eines kaum aufzulösenden Gefühls der Zerrissenheit und
       einer regelmäßig befeuerten Wut auf herrschende Strukturen und
       allgegenwärtigen Rassismus.
       
       ## Nicht immer gelungene Mischung
       
       Es ist eine wahrlich erstaunliche und komplexe Biografie, die in „Sam – Ein
       Sachse“ erzählt wird. Leider auf nicht immer sonderlich originelle oder
       elegante Art und Weise: von den sporadisch eingestreuten Rückblenden in die
       Kindheit bis zu Trainings-Montagen und nach Actionmustern inszenierten
       Prügelszenen ist alles eher konventionell umgesetzt. Manchmal hakt es dabei
       im Kleinen, manchmal auch im Größeren. Das Autor*innen-Team bemüht sich
       dabei eine gute Mischung aus politischer Relevanz und Unterhaltung zu
       schaffen – was nicht immer gelingt.
       
       Das unter anderem aus Svenja Jung, Paula Essam, Martin Brambach, Ivy
       Quainoo und Ricketts bestehende Ensemble rund um Malick Bauer, der echtes
       Star-Charisma besitzt, leistet trotzdem Großes, und auch sonst ist „Sam –
       Ein Sachse“ eine bemerkenswerte Serie.
       
       Nicht nur im Kontext des offenen Briefes, in dem der Verband Schwarzer
       Filmschaffender gerade mit Blick auf das Programm der Berlinale mehr
       Repräsentanz fordert, ist es überfällig, eine deutsche Produktion wie diese
       zu sehen, mit einem Protagonisten, der nicht nur Opfer, sondern auch Held
       seiner eigenen Geschichte ist, mit-erzählt von Schwarzen Verantwortlichen
       wie Ricketts oder Regisseurin Sarah Blaßkiewitz.
       
       Und gerade die dritte Folge, in der ein Auftritt der [2][Schwarzen
       Lyrikerin und Aktivistin May Amin i]m Zentrum steht, ist mit ihren auf
       engsten Raum komprimierten Einblicken in die unterschiedlichsten Schwarzen
       Erfahrungen und Identitäten in Deutschland letztlich ein Meilenstein
       deutscher TV- und Serien-Geschichte.
       
       25 Apr 2023
       
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