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       # taz.de -- Debatte um Schauspieler Til Schweiger: Vom Arschloch zum Tyrannen
       
       > Die Vorwürfe gegen Schauspieler und Regisseur Til Schweiger zeigen
       > zumindest eines: Die millionenschwere staatliche Förderung hat ein
       > Problem.
       
   IMG Bild: Auch dieser Film, in dem Schweiger mitspielt, wurde mit staatlichen Fördergeldern gedreht
       
       Es ist bemerkenswert still geblieben in den deutschen Medien. Während die
       Welt seit dem Bekanntwerden des Weinstein-Skandals vor fünfeinhalb Jahren
       über Machtmissbrauch, Sexismus und Gewalt in Hollywood spricht, hat es in
       Deutschland kaum einen nennenswerten #MeToo-Fall gegeben.
       
       Es gab den Komplex um Regisseur [1][Dieter Wedel], dem 2018 von mehreren
       Frauen sexuelle Nötigung vorgeworfen wurde, aber gegen den es nie zu einem
       Prozess kam, bis er 2022 verstarb. Im Fall des Comedian [2][Luke Mockridge]
       schlugen Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn in eine mediale Stimmungsmache
       gegen Aktivist_innen um, die auf den Fall aufmerksam machten. Ansonsten
       aber passierte im deutschen Mainstream kaum #Metoo, obwohl es ein offenes
       Geheimnis ist, wie anfällig auch die hiesige Film- und Fernsehbranche für
       Machtmissbrauch ist.
       
       Mit den im Spiegel bekannt gewordenen Anschuldigungen gegen Til Schweiger
       ändert sich das. Der Schauspieler und Filmemacher ist der große Star des
       deutschen Mainstreamkinos, [3][Held der Querdenker-Bewegung] und „Cashcow“
       seiner Produzenten. Die Vorwürfe gegen ihn reichen von Schikane und
       Fahrlässigkeit an Filmsets bis zu körperlicher Gewalt.
       
       Mit Harvey Weinstein scheint das erst mal wenig zu tun zu haben,
       sexualisierte Gewalt ist nicht direkt Teil der Vorwürfe. Und doch soll
       Schweiger als Regisseur laut Augenzeugenberichten im Spiegel eine junge
       Komparsin am Set von „Manta Manta – Zwoter Teil“ dazu gebracht haben, sich
       ohne Vorbereitung vor versammelter Crew obenrum zu entblößen – für eine
       Szene, von der klar war, sie würde wegen Altersbeschränkungen nie gezeigt
       werden dürfen.
       
       ## Systematisch verschwiegen und gedeckt
       
       Die #Metoo-Dimension besteht aber vor allem darin, dass Schweigers
       Wutausbrüche und gewalttätiges Verhalten offenbar seit Jahren systematisch
       verschwiegen und gedeckt werden. Anfragen des Spiegels und der Süddeutschen
       Zeitung bei diversen Produktionsfirmen von Schweigers Filmen hätten bloß zu
       kollektivem Achselzucken geführt. Niemand will angeblich was gewusst haben.
       Der Großkonzern Constantin Film, der Schweigers aktuellen Film produziert
       hat und dessen Mitarbeiter von Schweiger am Set geschlagen worden sein
       soll, setzt noch einen drauf: „In Wirklichkeit war die allgemeine Stimmung
       während der Dreharbeiten ganz überwiegend überdurchschnittlich positiv.“
       
       Eine Mitarbeiterin soll wegen Fahrlässigkeit und Zeitdruck am Set aus drei
       Meter Höhe gestürzt und trotz mehrerer Operationen nach neun Monaten immer
       noch arbeitsunfähig sein. Eine andere Mitarbeiterin berichtet, dass sie
       nach ständigen Drohungen und Beschimpfungen durch ihren Chef, Til
       Schweiger, wegen Panikattacken in Behandlung habe gehen müssen. So viel zu
       „überdurchschnittlich positiv“.
       
       Eine regelrechte Bombe steckt aber in einer anderen Behauptung des
       Spiegel-Artikels, wo eine betroffene Person erzählt, sie habe sich an die
       [4][eigens für solche Fälle eingerichtete Vertrauensstelle Themis]
       gewendet. Dort habe man ihr davon abgeraten, einen so mächtigen Mann
       anzuzeigen oder den Fall öffentlich zu machen, da könne sie nur verlieren.
       Die Wegseh-Mentalität ist ohne Frage ein sehr bezeichnendes Merkmal der
       Filmbranche.
       
       ## Komplizenschaft erschafft Tyrannen
       
       Dass nun aber auch eine Vertrauensstelle, die vom Kulturstaatsministerium
       aufgebaut und getragen wird, sich an dieser Mentalität zu beteiligen
       scheint, klingt wie größtmöglicher Hohn. Die aktuelle Staatsministerin
       Claudia Roth sprach diese Woche beim fünfjährigen Jubiläum von Themis und
       forderte dort lückenlose Aufklärung im Fall Schweiger.
       
       Vielleicht wäre schon viel gewonnen, wenn nicht Millionen staatliche
       Fördergelder in Schweigers Filme fließen würden. Es ist schließlich die
       Komplizenschaft, die ein einfaches Arschloch zum Tyrannen, und das Cash,
       das den Tyrannen zur Cashcow macht.
       
       5 May 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /MeToo-und-Dieter-Wedel/!5868505
   DIR [2] /Vergewaltigungsvorwurf-gegen-Mockridge/!5791214
   DIR [3] https://www.spiegel.de/kultur/filmtrailer-til-schweiger-irritiert-mit-impfaussagen-a-0f36e571-bbc6-4f2a-9e0a-85a1ef799c31
   DIR [4] /Sexualisierte-Gewalt-in-Kulturbranche/!5931479
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
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