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       # taz.de -- Syrien wieder Teil der Arabischen Liga: Eine Liga für sich
       
       > Syrien wird wieder in die Arabische Liga aufgenommen. Die Mitglieder
       > hoffen so auf eine regionale Lösung für den Konflikt. Die USA sehen das
       > kritisch.
       
   IMG Bild: Generalsekretär Ahmed Abul Gheit (links) bei dem Außenministertreffen der Arabischen Liga in Kairo
       
       Beirut taz | Syrien unter Machthaber Baschar al-Assad darf zurück in die
       Arabische Liga – trotz Kriegsverbrechen, Giftgrasangriffen und Folter, die
       der syrische Präsident in den vergangenen zwölf Jahren im Laufe des
       Bürgerkriegs zu verantworten hatte. Die [1][Wiederaufnahme] haben 13 der 22
       Außenminister der arabischen Länder am Sonntag bei einem Treffen in Kairo
       beschlossen.
       
       „Das bedeutet nicht, dass die Syrienkrise gelöst ist, im Gegenteil“,
       erklärte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Gheit. Die
       Entscheidung erlaube den Staaten der Region aber, zum ersten Mal seit
       Jahren mit der syrischen Regierung zu kommunizieren, um Probleme zu
       besprechen. Der Schritt bedeute zudem nicht, dass alle arabischen Länder
       die Beziehungen mit Damaskus normalisieren werden. Jedes Land könne die
       Beziehungen individuell gestalten.
       
       Die Mitgliedstaaten sind sich uneinig, ob sie – mit Blick auf mögliche
       Investments im Wiederaufbau – diplomatische Brücken bauen oder sich lieber
       auf die Seite der USA und Europas schlagen. Staaten wie Marokko oder
       Ägypten äußerten sich bewusst zurückhaltend. „Die verschiedenen Stadien der
       Syrienkrise haben gezeigt, dass es keine militärische Lösung gibt und dass
       es in diesem Konflikt weder Sieger noch Besiegte gibt“, sagte etwa der
       ägyptische Außenminister Sameh Shukri vor dem Treffen in Kairo.
       
       Die Arabische Liga hatte Syrien 2011 suspendiert, nachdem Assad Proteste
       gewaltsam niederschlagen ließ. Aus dem Aufstand entwickelte sich ein Krieg,
       in den viele militärische Gruppierungen und Staaten verwickelt sind. Assad
       hat mittlerweile die Kontrolle über den größten Teil des Landes wieder
       zurückgewonnen. Die Staaten der Region näherten sich schrittweise wieder
       an. So hatte Bahrain im vergangenen Sommer einen Botschafter nach Syrien
       entsandt – den ersten seit über zehn Jahren. Vor knapp zwei Jahren hatte
       Jordanien den zentralen Grenzübergang zu Syrien geöffnet, um den Handel zu
       fördern.
       
       ## Konkurrenz zum Iran
       
       Zuletzt waren es die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman, die sich für
       eine Rückkehr Syriens starkmachten. Sie möchten Einfluss nehmen auf Syrien,
       um der Vormachtstellung Irans in der Region etwas entgegenzusetzen. Iran
       ist nach Russland der wichtigste Verbündete Syriens. Nur durch deren
       militärische und finanzielle Unterstützung konnte Assad seine Macht
       festigen. Irans Motiv für die Einmischung in Syrien war es, Syrien als Teil
       einer „Achse des Widerstands“ gegen Israel ins eigene Lager zu holen.
       
       Am Mittwoch hatte der iranische Präsident Ebrahim Raisi Machthaber Assad in
       Damaskus getroffen. Es war der erste Besuch eines iranischen Präsidenten
       seit Kriegsbeginn. Assad und Raisi unterzeichneten insgesamt 15
       wirtschaftliche Vereinbarungen. Die Abkommen, unter anderem über die
       Zusammenarbeit in der Ölindustrie, sind wichtig für Syrien. Denn die
       Wirtschaft leidet stark unter dem Krieg und den Sanktionen des Westens. Die
       Inflation steigt, es gibt lange Stromausfälle.
       
       [2][Assad] spielt in die Karten, dass auch Irans regionaler Rivale
       Saudi-Arabien einen starken Bund in Westasien möchte. [3][Erst im April
       näherten sich Saudi-Arabien und Iran diplomatisch an.] Saudi-Arabiens
       Annäherung an Iran kommt Syrien zugute, denn lange hatte sich Riad gegen
       eine Normalisierung gewehrt. Nun stimmt es andere Töne an: Nach der
       Annäherung an Iran sei ein neuer Ansatz gegenüber Damaskus erforderlich,
       hieß es aus Riad.
       
       Im April kam der syrische Außenminister für Gespräche nach Riad. Beide
       Länder vereinbarten, ihre Botschaften bald wieder zu öffnen und Flüge
       aufzunehmen. In einer nach dem Treffen veröffentlichten Erklärung hieß es,
       das Königreich unterstütze Bemühungen zur „Wiederherstellung von Stabilität
       und Sicherheit sowie die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Rückkehr
       von [4][Geflüchteten] und Vertriebenen“. Saudi-Arabien ist an
       diplomatischen Beziehungen interessiert, um seine Ökonomie anzukurbeln. Es
       diversifiziert seine Wirtschaft, um weniger vom Öl abhängig zu sein.
       
       Doch ein Land der Arabischen Halbinsel verweigert die Normalisierung
       strikt: Katar. „Es gab Gründe für die Aussetzung der Mitgliedschaft Syriens
       in der Arabischen Liga und für Boykotte gegen das syrische Regime, und
       diese Gründe bestehen aus unserer Sicht immer noch“, sagte Premier- und
       Außenminister Mohammed bin Abdulrahman al-Thani im April. Katar hat seine
       Präsenz in Syrien zwar verstärkt, jedoch nur durch humanitäre Hilfen im
       Norden, der nicht vom Assad-Regime kontrolliert wird.
       
       Status quo unhaltbar 
       
       Die Wiederaufnahme in die Arabische Liga ist für viele Länder der Region
       wichtig. Sie argumentieren, dass der Status quo in Syrien unhaltbar sei. In
       Syrien wird die Droge Captagon produziert und in den Libanon, nach
       Jordanien und Saudi-Arabien exportiert. Zudem hoffen die Staaten, dass die
       regionalpolitische Rehabilitierung hilft, internationale Sanktionen
       aufzuheben.
       
       Erst vergangene Woche hat ein Sprecher des US-Außenministeriums
       klargestellt, dass Washington die Pläne zur Normalisierung nicht
       unterstützt: „Die USA glauben, dass eine politische Lösung, wie sie in der
       Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrates skizziert ist, die einzig gangbare
       Lösung für diesen Konflikt in Syrien ist.“ Die Resolution befürwortet einen
       Friedensprozess in Syrien durch UN-vermittelte Gespräche zwischen der
       syrischen Regierung und den Oppositionellen.
       
       Weil es diesbezüglich aber keine Fortschritte gibt, bevorzugen die
       arabischen Staaten es, eine regionale Lösung zu finden. Selbst wenn das
       bedeutet, Frieden mit einem Präsidenten zu schließen, der seine eigene
       Bevölkerung mit Giftgas angriff. Deshalb bestehen westliche Sanktionen
       weiterhin und Damaskus kann nicht mit Wiederaufbaugeldern aus den USA und
       Europa rechnen.
       
       8 May 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Erzrivalen-Iran-und-Saudi-Arabien/!5921169
   DIR [4] /Rassismus-im-Libanon/!5932410
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julia Neumann
       
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